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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

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Von d. Grunds. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
digung auch noch so viel einräumen will, so beweist
sie doch höchstens nur für Sprachstudium über-
haupt
als Bildungsmittel. Das aber haben wir so
wenig jemals geläugnet, daß wir vielmehr das Stu-
dium der Muttersprache
weit dringender als je
ein Philolog empfohlen und betrieben haben: nur das
haben wir zweckwidrig befunden, daß der Schüler seine
ganze Zeit auf die Sprachen des alten Roms und Grie-
chenlands wende, in seiner eignen Muttersprache aber
ein Fremdling bleibe. Und in dieser Meinung kann
uns das ganze obige Rösonnement nicht stören, da
vollkommen alles, was darinn von dem Sprachstu-
dium gerühmt ist, auch durch das Studium der Mut-
tersprache erreicht werden kann."

Was die Philologen auf diese Einwendung längst
gründlich erwiedert haben, kömmt mir nicht zu, hier
zu wiederholen. Es wird hinreichend seyn, Folgendes
zu bemerken.

Zuvörderst ist es allerdings wahr, daß man an
jeder gebildeten Sprache, und folglich auch an der
unsrigen, die ihre Classiker hat, die Sprache studi-
ren kann. Allein, selbst mit der größten Parteilich-
keit wird es Niemand wagen zu behaupten, daß die
Musterhaftigkeit der alten Schriftsteller von den neue-
ren erreicht sey. Wo ist denn bei einem Schriftsteller
unsrer Nation -- die doch in Vergleichung mit den
Schriftstellern andrer neuern Nationen einen ehrenvollen
Rang einnehmen -- die Leidenschaftlosigkeit, die Ruhe,

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Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
digung auch noch ſo viel einraͤumen will, ſo beweiſt
ſie doch hoͤchſtens nur fuͤr Sprachſtudium uͤber-
haupt
als Bildungsmittel. Das aber haben wir ſo
wenig jemals gelaͤugnet, daß wir vielmehr das Stu-
dium der Mutterſprache
weit dringender als je
ein Philolog empfohlen und betrieben haben: nur das
haben wir zweckwidrig befunden, daß der Schuͤler ſeine
ganze Zeit auf die Sprachen des alten Roms und Grie-
chenlands wende, in ſeiner eignen Mutterſprache aber
ein Fremdling bleibe. Und in dieſer Meinung kann
uns das ganze obige Roͤſonnement nicht ſtoͤren, da
vollkommen alles, was darinn von dem Sprachſtu-
dium geruͤhmt iſt, auch durch das Studium der Mut-
terſprache erreicht werden kann.“

Was die Philologen auf dieſe Einwendung laͤngſt
gruͤndlich erwiedert haben, koͤmmt mir nicht zu, hier
zu wiederholen. Es wird hinreichend ſeyn, Folgendes
zu bemerken.

Zuvoͤrderſt iſt es allerdings wahr, daß man an
jeder gebildeten Sprache, und folglich auch an der
unſrigen, die ihre Claſſiker hat, die Sprache ſtudi-
ren kann. Allein, ſelbſt mit der groͤßten Parteilich-
keit wird es Niemand wagen zu behaupten, daß die
Muſterhaftigkeit der alten Schriftſteller von den neue-
ren erreicht ſey. Wo iſt denn bei einem Schriftſteller
unſrer Nation — die doch in Vergleichung mit den
Schriftſtellern andrer neuern Nationen einen ehrenvollen
Rang einnehmen — die Leidenſchaftloſigkeit, die Ruhe,

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[225/0237] Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem. digung auch noch ſo viel einraͤumen will, ſo beweiſt ſie doch hoͤchſtens nur fuͤr Sprachſtudium uͤber- haupt als Bildungsmittel. Das aber haben wir ſo wenig jemals gelaͤugnet, daß wir vielmehr das Stu- dium der Mutterſprache weit dringender als je ein Philolog empfohlen und betrieben haben: nur das haben wir zweckwidrig befunden, daß der Schuͤler ſeine ganze Zeit auf die Sprachen des alten Roms und Grie- chenlands wende, in ſeiner eignen Mutterſprache aber ein Fremdling bleibe. Und in dieſer Meinung kann uns das ganze obige Roͤſonnement nicht ſtoͤren, da vollkommen alles, was darinn von dem Sprachſtu- dium geruͤhmt iſt, auch durch das Studium der Mut- terſprache erreicht werden kann.“ Was die Philologen auf dieſe Einwendung laͤngſt gruͤndlich erwiedert haben, koͤmmt mir nicht zu, hier zu wiederholen. Es wird hinreichend ſeyn, Folgendes zu bemerken. Zuvoͤrderſt iſt es allerdings wahr, daß man an jeder gebildeten Sprache, und folglich auch an der unſrigen, die ihre Claſſiker hat, die Sprache ſtudi- ren kann. Allein, ſelbſt mit der groͤßten Parteilich- keit wird es Niemand wagen zu behaupten, daß die Muſterhaftigkeit der alten Schriftſteller von den neue- ren erreicht ſey. Wo iſt denn bei einem Schriftſteller unſrer Nation — die doch in Vergleichung mit den Schriftſtellern andrer neuern Nationen einen ehrenvollen Rang einnehmen — die Leidenſchaftloſigkeit, die Ruhe, 15

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Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/237>, abgerufen am 27.11.2024.