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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

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Dritter Abschnitt.
müssen: "so wollt' ich sagen!" Sie sprechen frei-
lich gewöhnlich diese Correctivformel so unbefangen aus,
daß man wohl sieht, sie halten es nicht für eine Schan-
de, oder fühlen vielleicht gar die Schande nicht, zu be-
kennen, daß sie die Kunst des Sprechens -- des
Darstellens des Gedachten durch Worte -- diese Kunst,
die ein wesentlicher Vorzug des Menschen ist, nicht
verstehen; und wenn man sie daran erinnert, so nen-
nen sie das Pedantismus, und meinen: "in verbis
simus faciles,"
-- oder zu Teutsch: "auf eine Hand-
voll Worte mehr oder weniger kömmt es nicht an!" --
gerade wie es dem schlechten Mahler auf einen Topf
voll Farben auch nicht ankömmt! Das möchte ihnen
denn auch für ihre Person hingehen. Aber wenn sie
nun kommen, und uns die Kunst, in der sich die Bil-
dung des Geistes erprobt, wie sich an dem Studium
ihrer Werke der Geist bildet, heruntersetzen und das
Studium derselben als unnütz vorstellen wollen, dann
verschulden sie, daß man ohne Schonung ihnen an der
Rede ihres Mundes den Unterschied unter recht und
nicht recht Sagen des Gedachten, zugleich aber auch
den Schimpf, dieser dem menschlichen Geiste unerlaß-
lichen Kunst so ganz zu ermangeln, einleuchtend mache,
damit sie sich bescheiden müssen, nicht für Schwär-
merei
zu erklären, was über Kunst des Sprechens
und deren Studium die Künstler -- die Philolo-
gen -- sagen.

"Wenn man aber -- können die Philanthropen
dagegen einwenden -- dieser erkünstelten Wortverthei-

Dritter Abſchnitt.
muͤſſen: „ſo wollt’ ich ſagen!“ Sie ſprechen frei-
lich gewoͤhnlich dieſe Correctivformel ſo unbefangen aus,
daß man wohl ſieht, ſie halten es nicht fuͤr eine Schan-
de, oder fuͤhlen vielleicht gar die Schande nicht, zu be-
kennen, daß ſie die Kunſt des Sprechens — des
Darſtellens des Gedachten durch Worte — dieſe Kunſt,
die ein weſentlicher Vorzug des Menſchen iſt, nicht
verſtehen; und wenn man ſie daran erinnert, ſo nen-
nen ſie das Pedantiſmus, und meinen: „in verbis
simus faciles,“
— oder zu Teutſch: „auf eine Hand-
voll Worte mehr oder weniger koͤmmt es nicht an!“ —
gerade wie es dem ſchlechten Mahler auf einen Topf
voll Farben auch nicht ankoͤmmt! Das moͤchte ihnen
denn auch fuͤr ihre Perſon hingehen. Aber wenn ſie
nun kommen, und uns die Kunſt, in der ſich die Bil-
dung des Geiſtes erprobt, wie ſich an dem Studium
ihrer Werke der Geiſt bildet, herunterſetzen und das
Studium derſelben als unnuͤtz vorſtellen wollen, dann
verſchulden ſie, daß man ohne Schonung ihnen an der
Rede ihres Mundes den Unterſchied unter recht und
nicht recht Sagen des Gedachten, zugleich aber auch
den Schimpf, dieſer dem menſchlichen Geiſte unerlaß-
lichen Kunſt ſo ganz zu ermangeln, einleuchtend mache,
damit ſie ſich beſcheiden muͤſſen, nicht fuͤr Schwaͤr-
merei
zu erklaͤren, was uͤber Kunſt des Sprechens
und deren Studium die Kuͤnſtler — die Philolo-
gen — ſagen.

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dagegen einwenden — dieſer erkuͤnſtelten Wortverthei-

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[224/0236] Dritter Abſchnitt. muͤſſen: „ſo wollt’ ich ſagen!“ Sie ſprechen frei- lich gewoͤhnlich dieſe Correctivformel ſo unbefangen aus, daß man wohl ſieht, ſie halten es nicht fuͤr eine Schan- de, oder fuͤhlen vielleicht gar die Schande nicht, zu be- kennen, daß ſie die Kunſt des Sprechens — des Darſtellens des Gedachten durch Worte — dieſe Kunſt, die ein weſentlicher Vorzug des Menſchen iſt, nicht verſtehen; und wenn man ſie daran erinnert, ſo nen- nen ſie das Pedantiſmus, und meinen: „in verbis simus faciles,“ — oder zu Teutſch: „auf eine Hand- voll Worte mehr oder weniger koͤmmt es nicht an!“ — gerade wie es dem ſchlechten Mahler auf einen Topf voll Farben auch nicht ankoͤmmt! Das moͤchte ihnen denn auch fuͤr ihre Perſon hingehen. Aber wenn ſie nun kommen, und uns die Kunſt, in der ſich die Bil- dung des Geiſtes erprobt, wie ſich an dem Studium ihrer Werke der Geiſt bildet, herunterſetzen und das Studium derſelben als unnuͤtz vorſtellen wollen, dann verſchulden ſie, daß man ohne Schonung ihnen an der Rede ihres Mundes den Unterſchied unter recht und nicht recht Sagen des Gedachten, zugleich aber auch den Schimpf, dieſer dem menſchlichen Geiſte unerlaß- lichen Kunſt ſo ganz zu ermangeln, einleuchtend mache, damit ſie ſich beſcheiden muͤſſen, nicht fuͤr Schwaͤr- merei zu erklaͤren, was uͤber Kunſt des Sprechens und deren Studium die Kuͤnſtler — die Philolo- gen — ſagen. „Wenn man aber — koͤnnen die Philanthropen dagegen einwenden — dieſer erkuͤnſtelten Wortverthei-

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Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/236>, abgerufen am 27.11.2024.