Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.Dritter Abschnitt. schen Witzelei mag man verächtlich auf diese Liebe alsetwas Kleinliches hindeuten! Aber, vergesse man nur nicht, daß diese Liebe zum Wort eine wahre Kunst- liebe ist. Was wollen doch die Misologen mit ihrem Haß gegen das Wort? Wer will denn reden wider das Wort, als ob es nichts wäre? und wider die Rede, als wäre sie keiner Achtsamkeit werth? Ist denn nicht das Wort das unmittelbarste, allgemeinste, freieste, bedeutungsvollste, bildsamste Werk des Geistes, in dem er sich selbst darstellt? Ist die Rede nicht eine hohe Kunst, eine Vereinigung von Künsten -- Musik, Plastik, Mahlerei? Wie stellt nicht der Geist durch die Rede, scharf abgeschnitten und -- wo das rechte Ver- mögen des Ausdrucks ist -- zugleich glatt abgerundet, in dem Subjecte des Satzes die hervortretende plasti- sche Gestalt dar? Wie belebt er nicht eben diese plasti- sche Gestalt mit mahlerischer Kunst, mit Mitteln, die sogar noch innhaltvoller und beweglicher als die der Mahlerei selbst sind, indem er den Gegenstand in künst- lerischer Ordnung vor die Phantasie bringt und vor ihr vorübergehen läßt, ihn in Prädicaten mahlt, die eben so klar und lebendig sein Inneres als sein Aeußeres erblicken lassen, wo jedes Wort eine Gestalt, jede Wendung eine Gruppirung, jede Wahl des Wor- tes eine Nüance des Gemähldes ausdrückt, wo auch die Sylbe significant wird, wo alles charakteristisch seyn muß? Und wie vereiniget nicht die Kunst der Rede mit der Darstellung für das Auge zugleich so wunder- bar eine eigne Kunst der Darstellung für das Ohr -- in Wohlklang, in Rhythmus, in Gang und Fall der Dritter Abſchnitt. ſchen Witzelei mag man veraͤchtlich auf dieſe Liebe alsetwas Kleinliches hindeuten! Aber, vergeſſe man nur nicht, daß dieſe Liebe zum Wort eine wahre Kunſt- liebe iſt. Was wollen doch die Miſologen mit ihrem Haß gegen das Wort? Wer will denn reden wider das Wort, als ob es nichts waͤre? und wider die Rede, als waͤre ſie keiner Achtſamkeit werth? Iſt denn nicht das Wort das unmittelbarſte, allgemeinſte, freieſte, bedeutungsvollſte, bildſamſte Werk des Geiſtes, in dem er ſich ſelbſt darſtellt? Iſt die Rede nicht eine hohe Kunſt, eine Vereinigung von Kuͤnſten — Muſik, Plaſtik, Mahlerei? Wie ſtellt nicht der Geiſt durch die Rede, ſcharf abgeſchnitten und — wo das rechte Ver- moͤgen des Ausdrucks iſt — zugleich glatt abgerundet, in dem Subjecte des Satzes die hervortretende plaſti- ſche Geſtalt dar? Wie belebt er nicht eben dieſe plaſti- ſche Geſtalt mit mahleriſcher Kunſt, mit Mitteln, die ſogar noch innhaltvoller und beweglicher als die der Mahlerei ſelbſt ſind, indem er den Gegenſtand in kuͤnſt- leriſcher Ordnung vor die Phantaſie bringt und vor ihr voruͤbergehen laͤßt, ihn in Praͤdicaten mahlt, die eben ſo klar und lebendig ſein Inneres als ſein Aeußeres erblicken laſſen, wo jedes Wort eine Geſtalt, jede Wendung eine Gruppirung, jede Wahl des Wor- tes eine Nuͤance des Gemaͤhldes ausdruͤckt, wo auch die Sylbe ſignificant wird, wo alles charakteriſtiſch ſeyn muß? Und wie vereiniget nicht die Kunſt der Rede mit der Darſtellung fuͤr das Auge zugleich ſo wunder- bar eine eigne Kunſt der Darſtellung fuͤr das Ohr — in Wohlklang, in Rhythmus, in Gang und Fall der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0234" n="222"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dritter Abſchnitt</hi>.</fw><lb/> ſchen Witzelei mag man veraͤchtlich auf dieſe Liebe als<lb/> etwas Kleinliches hindeuten! Aber, vergeſſe man nur<lb/> nicht, daß dieſe <hi rendition="#g">Liebe zum Wort</hi> eine wahre <hi rendition="#g">Kunſt-<lb/> liebe</hi> iſt. Was wollen doch die <hi rendition="#g">Miſologen</hi> mit<lb/> ihrem <hi rendition="#g">Haß gegen das Wort</hi>? Wer will denn reden<lb/> wider das <hi rendition="#g">Wort</hi>, als ob es nichts waͤre? und wider<lb/> die <hi rendition="#g">Rede</hi>, als waͤre ſie keiner Achtſamkeit werth? 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Dritter Abſchnitt.
ſchen Witzelei mag man veraͤchtlich auf dieſe Liebe als
etwas Kleinliches hindeuten! Aber, vergeſſe man nur
nicht, daß dieſe Liebe zum Wort eine wahre Kunſt-
liebe iſt. Was wollen doch die Miſologen mit
ihrem Haß gegen das Wort? Wer will denn reden
wider das Wort, als ob es nichts waͤre? und wider
die Rede, als waͤre ſie keiner Achtſamkeit werth? Iſt
denn nicht das Wort das unmittelbarſte, allgemeinſte,
freieſte, bedeutungsvollſte, bildſamſte Werk des Geiſtes,
in dem er ſich ſelbſt darſtellt? Iſt die Rede nicht eine
hohe Kunſt, eine Vereinigung von Kuͤnſten — Muſik,
Plaſtik, Mahlerei? Wie ſtellt nicht der Geiſt durch die
Rede, ſcharf abgeſchnitten und — wo das rechte Ver-
moͤgen des Ausdrucks iſt — zugleich glatt abgerundet,
in dem Subjecte des Satzes die hervortretende plaſti-
ſche Geſtalt dar? Wie belebt er nicht eben dieſe plaſti-
ſche Geſtalt mit mahleriſcher Kunſt, mit Mitteln, die
ſogar noch innhaltvoller und beweglicher als die der
Mahlerei ſelbſt ſind, indem er den Gegenſtand in kuͤnſt-
leriſcher Ordnung vor die Phantaſie bringt und vor
ihr voruͤbergehen laͤßt, ihn in Praͤdicaten mahlt, die
eben ſo klar und lebendig ſein Inneres als ſein
Aeußeres erblicken laſſen, wo jedes Wort eine Geſtalt,
jede Wendung eine Gruppirung, jede Wahl des Wor-
tes eine Nuͤance des Gemaͤhldes ausdruͤckt, wo auch
die Sylbe ſignificant wird, wo alles charakteriſtiſch
ſeyn muß? Und wie vereiniget nicht die Kunſt der Rede
mit der Darſtellung fuͤr das Auge zugleich ſo wunder-
bar eine eigne Kunſt der Darſtellung fuͤr das Ohr —
in Wohlklang, in Rhythmus, in Gang und Fall der
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