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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

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Dritter Abschnitt.
freie Erziehung sind sie sich gleich, und machen den
Stand der Gebildeten aus, der, von allen Stän-
den und Classen der Staatsbürger ausgehend, das
geistige Leben der Nation, dessen Verderbniß also der
geistige Tod derselben ist. Verdorben aber werden sie
unausbleiblich, wenn Zeit und Mittel, die ihnen zur
freien Menschenbildung gegeben sind, zu un-
freier Berufsbildung
verbraucht werden. Alle
Berufsbildung ist als solche ihrer Natur nach
unfrei, selbst die des Gelehrtenberufes nicht
ausgenommen; und nur dadurch, daß sie auf die
Grundlage einer freien Bildung gebaut wird, wird
sie selbst frei. Die wahre Vorbereitung zum akademi-
schen Unterricht geben daher die Gymnasien, indem
sie, ihrer ursprünglichen Bestimmung getreu, bei ihren
Lehrlingen einen festen Grund der freien Menschen-
bildung
legen, die der akademische Unterricht zuerst
vollendet, ehe er seine Zöglinge zu einem speciellen
Berufsstudium
fortführt. Eine andre Vorbereitung
für die Universität läßt sich den Gymnasien nicht auf-
dringen, ohne ihrer wesentlichen Bestimmung und der
wahren Cultur der Nation selbst zuwider zu handeln.
Welche andre Vorbereitung aber könnte man auch mit
Recht von ihnen fordern? Wer mit einem gewissen
Grade von Vollendung freier Bildung zu sei-
nem Berufsstudium übergeht, wird sicher darinn
nicht langsamer fortschreiten als der, dessen Vorberei-
tung im Zusammenschleppen einer ganzen Masse von
Vorkenntnissen bestand. Was aber noch weit und über
allen Vergleich mehr sagen will -- mit welchem ganz

Dritter Abſchnitt.
freie Erziehung ſind ſie ſich gleich, und machen den
Stand der Gebildeten aus, der, von allen Staͤn-
den und Claſſen der Staatsbuͤrger ausgehend, das
geiſtige Leben der Nation, deſſen Verderbniß alſo der
geiſtige Tod derſelben iſt. Verdorben aber werden ſie
unausbleiblich, wenn Zeit und Mittel, die ihnen zur
freien Menſchenbildung gegeben ſind, zu un-
freier Berufsbildung
verbraucht werden. Alle
Berufsbildung iſt als ſolche ihrer Natur nach
unfrei, ſelbſt die des Gelehrtenberufes nicht
ausgenommen; und nur dadurch, daß ſie auf die
Grundlage einer freien Bildung gebaut wird, wird
ſie ſelbſt frei. Die wahre Vorbereitung zum akademi-
ſchen Unterricht geben daher die Gymnaſien, indem
ſie, ihrer urſpruͤnglichen Beſtimmung getreu, bei ihren
Lehrlingen einen feſten Grund der freien Menſchen-
bildung
legen, die der akademiſche Unterricht zuerſt
vollendet, ehe er ſeine Zoͤglinge zu einem ſpeciellen
Berufsſtudium
fortfuͤhrt. Eine andre Vorbereitung
fuͤr die Univerſitaͤt laͤßt ſich den Gymnaſien nicht auf-
dringen, ohne ihrer weſentlichen Beſtimmung und der
wahren Cultur der Nation ſelbſt zuwider zu handeln.
Welche andre Vorbereitung aber koͤnnte man auch mit
Recht von ihnen fordern? Wer mit einem gewiſſen
Grade von Vollendung freier Bildung zu ſei-
nem Berufsſtudium uͤbergeht, wird ſicher darinn
nicht langſamer fortſchreiten als der, deſſen Vorberei-
tung im Zuſammenſchleppen einer ganzen Maſſe von
Vorkenntniſſen beſtand. Was aber noch weit und uͤber
allen Vergleich mehr ſagen will — mit welchem ganz

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[194/0206] Dritter Abſchnitt. freie Erziehung ſind ſie ſich gleich, und machen den Stand der Gebildeten aus, der, von allen Staͤn- den und Claſſen der Staatsbuͤrger ausgehend, das geiſtige Leben der Nation, deſſen Verderbniß alſo der geiſtige Tod derſelben iſt. Verdorben aber werden ſie unausbleiblich, wenn Zeit und Mittel, die ihnen zur freien Menſchenbildung gegeben ſind, zu un- freier Berufsbildung verbraucht werden. Alle Berufsbildung iſt als ſolche ihrer Natur nach unfrei, ſelbſt die des Gelehrtenberufes nicht ausgenommen; und nur dadurch, daß ſie auf die Grundlage einer freien Bildung gebaut wird, wird ſie ſelbſt frei. Die wahre Vorbereitung zum akademi- ſchen Unterricht geben daher die Gymnaſien, indem ſie, ihrer urſpruͤnglichen Beſtimmung getreu, bei ihren Lehrlingen einen feſten Grund der freien Menſchen- bildung legen, die der akademiſche Unterricht zuerſt vollendet, ehe er ſeine Zoͤglinge zu einem ſpeciellen Berufsſtudium fortfuͤhrt. Eine andre Vorbereitung fuͤr die Univerſitaͤt laͤßt ſich den Gymnaſien nicht auf- dringen, ohne ihrer weſentlichen Beſtimmung und der wahren Cultur der Nation ſelbſt zuwider zu handeln. Welche andre Vorbereitung aber koͤnnte man auch mit Recht von ihnen fordern? Wer mit einem gewiſſen Grade von Vollendung freier Bildung zu ſei- nem Berufsſtudium uͤbergeht, wird ſicher darinn nicht langſamer fortſchreiten als der, deſſen Vorberei- tung im Zuſammenſchleppen einer ganzen Maſſe von Vorkenntniſſen beſtand. Was aber noch weit und uͤber allen Vergleich mehr ſagen will — mit welchem ganz

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Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/206>, abgerufen am 24.11.2024.