führt ist, so scheint in der That auch ein zweifacher Zweck des Erziehungsunterrichts dadurch begründet zu seyn, welcher nicht in jedem Individuum, sondern nur im Ganzen der bürgerlichen Gesellschaft in Erfüllung gehen soll.
Darnach hätte dann der Philanthropinismus recht, seinen Antheil an dem Erziehungsunterricht zurückzufor- dern, der ihm bisher durch die Alleinherrschaft des Humanismus entzogen war, indem der Erziehungsun- terricht für alle Lehrlinge aller Arten und Classen ohne Unterschied bloß auf geistige Gegenstände und contem- plative Uebung bezogen wurde; und er hätte nur darinn Unrecht, daß er die Forderung zum vollständigen Ex- trem umkehrte, für alle Lehrlinge aller Arten und Clas- sen ohne Unterschied den Erziehungsunterricht bloß auf materielle Gegenstände und praktische Uebung zu be- ziehen.
Allein der hier vorgeschlagne Ausweg zur Ent- scheidung des Streites führt nicht auf den rechten Punkt. Auf diesem Wege würde die Trennung, welche durch die Aufgabe des geselligen Vereins begründet und eine Unvollkommenheit ist, die durch die Er- ziehung, so weit es die Beschränkungen gestatten, auf- gelöst werden soll, vielmehr vollendet und ver- ewiget werden. Eben dann, wenn schon die Er- ziehung in den Individuen nicht den Menschen, sondern den Bürger berücksichtigte, würde das Handwerksprincip über beide Hauptclassen des
Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
fuͤhrt iſt, ſo ſcheint in der That auch ein zweifacher Zweck des Erziehungsunterrichts dadurch begruͤndet zu ſeyn, welcher nicht in jedem Individuum, ſondern nur im Ganzen der buͤrgerlichen Geſellſchaft in Erfuͤllung gehen ſoll.
Darnach haͤtte dann der Philanthropiniſmus recht, ſeinen Antheil an dem Erziehungsunterricht zuruͤckzufor- dern, der ihm bisher durch die Alleinherrſchaft des Humaniſmus entzogen war, indem der Erziehungsun- terricht fuͤr alle Lehrlinge aller Arten und Claſſen ohne Unterſchied bloß auf geiſtige Gegenſtaͤnde und contem- plative Uebung bezogen wurde; und er haͤtte nur darinn Unrecht, daß er die Forderung zum vollſtaͤndigen Ex- trem umkehrte, fuͤr alle Lehrlinge aller Arten und Claſ- ſen ohne Unterſchied den Erziehungsunterricht bloß auf materielle Gegenſtaͤnde und praktiſche Uebung zu be- ziehen.
Allein der hier vorgeſchlagne Ausweg zur Ent- ſcheidung des Streites fuͤhrt nicht auf den rechten Punkt. Auf dieſem Wege wuͤrde die Trennung, welche durch die Aufgabe des geſelligen Vereins begruͤndet und eine Unvollkommenheit iſt, die durch die Er- ziehung, ſo weit es die Beſchraͤnkungen geſtatten, auf- geloͤſt werden ſoll, vielmehr vollendet und ver- ewiget werden. Eben dann, wenn ſchon die Er- ziehung in den Individuen nicht den Menſchen, ſondern den Buͤrger beruͤckſichtigte, wuͤrde das Handwerksprincip uͤber beide Hauptclaſſen des
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Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
fuͤhrt iſt, ſo ſcheint in der That auch ein zweifacher
Zweck des Erziehungsunterrichts dadurch begruͤndet zu
ſeyn, welcher nicht in jedem Individuum, ſondern nur
im Ganzen der buͤrgerlichen Geſellſchaft in Erfuͤllung
gehen ſoll.
Darnach haͤtte dann der Philanthropiniſmus recht,
ſeinen Antheil an dem Erziehungsunterricht zuruͤckzufor-
dern, der ihm bisher durch die Alleinherrſchaft des
Humaniſmus entzogen war, indem der Erziehungsun-
terricht fuͤr alle Lehrlinge aller Arten und Claſſen ohne
Unterſchied bloß auf geiſtige Gegenſtaͤnde und contem-
plative Uebung bezogen wurde; und er haͤtte nur darinn
Unrecht, daß er die Forderung zum vollſtaͤndigen Ex-
trem umkehrte, fuͤr alle Lehrlinge aller Arten und Claſ-
ſen ohne Unterſchied den Erziehungsunterricht bloß auf
materielle Gegenſtaͤnde und praktiſche Uebung zu be-
ziehen.
Allein der hier vorgeſchlagne Ausweg zur Ent-
ſcheidung des Streites fuͤhrt nicht auf den rechten Punkt.
Auf dieſem Wege wuͤrde die Trennung, welche
durch die Aufgabe des geſelligen Vereins begruͤndet
und eine Unvollkommenheit iſt, die durch die Er-
ziehung, ſo weit es die Beſchraͤnkungen geſtatten, auf-
geloͤſt werden ſoll, vielmehr vollendet und ver-
ewiget werden. Eben dann, wenn ſchon die Er-
ziehung in den Individuen nicht den Menſchen,
ſondern den Buͤrger beruͤckſichtigte, wuͤrde das
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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/139>, abgerufen am 16.07.2024.
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