Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.Dritter Abschnitt. Unsichtbare geübt hat, an dem Sichtbaren nur um soschwerer ist zu sehen und sehen zu lehren. Deshalb ist es um so bedenklicher, den Erziehungsunterricht auf Uebung an Sachen zu beschränken; denn, soll er sich bloß mit der Oberfläche und den rohen Theilstücken der Sachen beschäftigen, so ist und bleibt und macht er geistlos, und kann selbst als bloße Vorübung auf Ideen so wenig gelten, daß er vielmehr den Blick dafür mehr und mehr abstumpft; soll er aber die Ideen in den Sachen fassen lehren, so fängt er offenbar beim Schwersten an, und führt -- was ihr mir viel- leicht am schwersten glauben werdet -- am leichte- sten zu dem, was ihr am meisten fürchtet, zur Schwärmerei! Es bleibt sonach, von welcher Seite man auch Man könnte nur noch fragen: ob nicht wenigstens Dritter Abſchnitt. Unſichtbare geuͤbt hat, an dem Sichtbaren nur um ſoſchwerer iſt zu ſehen und ſehen zu lehren. Deshalb iſt es um ſo bedenklicher, den Erziehungsunterricht auf Uebung an Sachen zu beſchraͤnken; denn, ſoll er ſich bloß mit der Oberflaͤche und den rohen Theilſtuͤcken der Sachen beſchaͤftigen, ſo iſt und bleibt und macht er geiſtlos, und kann ſelbſt als bloße Voruͤbung auf Ideen ſo wenig gelten, daß er vielmehr den Blick dafuͤr mehr und mehr abſtumpft; ſoll er aber die Ideen in den Sachen faſſen lehren, ſo faͤngt er offenbar beim Schwerſten an, und fuͤhrt — was ihr mir viel- leicht am ſchwerſten glauben werdet — am leichte- ſten zu dem, was ihr am meiſten fuͤrchtet, zur Schwaͤrmerei! Es bleibt ſonach, von welcher Seite man auch Man koͤnnte nur noch fragen: ob nicht wenigſtens <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0116" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dritter Abſchnitt</hi>.</fw><lb/> Unſichtbare geuͤbt hat, an dem Sichtbaren nur um ſo<lb/> ſchwerer iſt zu ſehen und ſehen zu lehren. Deshalb<lb/> iſt es um ſo bedenklicher, den Erziehungsunterricht auf<lb/><hi rendition="#g">Uebung an Sachen</hi> zu beſchraͤnken; denn, ſoll er<lb/> ſich bloß mit der Oberflaͤche und den rohen Theilſtuͤcken<lb/> der Sachen beſchaͤftigen, ſo iſt und bleibt und macht<lb/> er geiſtlos, und kann ſelbſt als bloße <hi rendition="#g">Voruͤbung auf<lb/> Ideen</hi> ſo wenig gelten, daß er vielmehr den Blick<lb/> dafuͤr mehr und mehr abſtumpft; ſoll er aber die <hi rendition="#g">Ideen<lb/> in den Sachen faſſen</hi> lehren, ſo faͤngt er offenbar<lb/> beim Schwerſten an, und fuͤhrt — was ihr mir viel-<lb/> leicht am ſchwerſten glauben werdet — am leichte-<lb/> ſten zu dem, was ihr am meiſten fuͤrchtet, zur<lb/> Schwaͤrmerei!</p><lb/> <p>Es bleibt ſonach, von welcher Seite man auch<lb/> den Streitpunkt faſſe, unverkennbar die richtigere An-<lb/> ſicht, die dem Erziehungsunterrichte <hi rendition="#g">einen eignen<lb/> fuͤr ſich beſtehenden Zweck</hi> beſtimmt, die <hi rendition="#g">Huma-<lb/> nitaͤts-Bildung</hi> — welche aufs hoͤchſte gefaͤhrdet<lb/> iſt, wenn ihr nicht der ganze Unterricht der Erziehungs-<lb/> periode gewidmet bleibt.</p><lb/> <p>Man koͤnnte nur noch fragen: ob nicht wenigſtens<lb/> bei denjenigen Lehrlingen, bei denen die Periode des<lb/> Erziehungsunterrichts viel laͤnger, und ſogar bis uͤber<lb/> das achtzehnte Lebensjahr hinaus, dauere, eine Ver-<lb/> bindung der beiden Zwecke ſtatt finde, und der Unter-<lb/> richt ſich auch auf <hi rendition="#g">Berufsbildung</hi> ausdehnen laſſe?<lb/> Es iſt darauf aber hier nur Folgendes zu antworten.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0116]
Dritter Abſchnitt.
Unſichtbare geuͤbt hat, an dem Sichtbaren nur um ſo
ſchwerer iſt zu ſehen und ſehen zu lehren. Deshalb
iſt es um ſo bedenklicher, den Erziehungsunterricht auf
Uebung an Sachen zu beſchraͤnken; denn, ſoll er
ſich bloß mit der Oberflaͤche und den rohen Theilſtuͤcken
der Sachen beſchaͤftigen, ſo iſt und bleibt und macht
er geiſtlos, und kann ſelbſt als bloße Voruͤbung auf
Ideen ſo wenig gelten, daß er vielmehr den Blick
dafuͤr mehr und mehr abſtumpft; ſoll er aber die Ideen
in den Sachen faſſen lehren, ſo faͤngt er offenbar
beim Schwerſten an, und fuͤhrt — was ihr mir viel-
leicht am ſchwerſten glauben werdet — am leichte-
ſten zu dem, was ihr am meiſten fuͤrchtet, zur
Schwaͤrmerei!
Es bleibt ſonach, von welcher Seite man auch
den Streitpunkt faſſe, unverkennbar die richtigere An-
ſicht, die dem Erziehungsunterrichte einen eignen
fuͤr ſich beſtehenden Zweck beſtimmt, die Huma-
nitaͤts-Bildung — welche aufs hoͤchſte gefaͤhrdet
iſt, wenn ihr nicht der ganze Unterricht der Erziehungs-
periode gewidmet bleibt.
Man koͤnnte nur noch fragen: ob nicht wenigſtens
bei denjenigen Lehrlingen, bei denen die Periode des
Erziehungsunterrichts viel laͤnger, und ſogar bis uͤber
das achtzehnte Lebensjahr hinaus, dauere, eine Ver-
bindung der beiden Zwecke ſtatt finde, und der Unter-
richt ſich auch auf Berufsbildung ausdehnen laſſe?
Es iſt darauf aber hier nur Folgendes zu antworten.
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