Wir werden an dem Tage, der dem Herrn ge- heiligt ist, vorzüglich oft zur Andacht ermun- tert; machen es uns auch wohl selbst zur besondern Pflicht, andächtig zu seyn. Und doch wissen viel- leicht wenige, was eigentlich Andacht ist; und noch weniger kennen sie den Werth und die hohen Freu- den der Andacht. Da so viel daran liegt, daß man sein Ehristenthum mit Verstand führe, da alles, was gedankenlos geschieht, und woran unser Herz keinen Theil nimmt, so gut als nicht geschehen ist, so laßt uns auch über diesen Begriff nachdenken, und mit den hohen Freuden einer wahrhaftig an- dächtigen Seele vertraut werden!
Man ist andächtig, wenn man seine Aufmerk- samkeit auf die höchsten Vollkommenheiten seines Gottes und Urhebers richtet, wenn man sich der Be- trachtung, in welcher Beziehung diese Vollkommen- heiten gegen die Welt und sich, als Theil der Welt, stehen, überläßt! wenn man, so viel möglich, unzer- streut von andern Gedanken, so bey der Vorstellung des besten und ersten Wesens, seiner unbegrenzten Macht, seiner tadellosen Weisheit, seiner unverdien-
ten
Ueber die Andacht.
Wir werden an dem Tage, der dem Herrn ge- heiligt iſt, vorzüglich oft zur Andacht ermun- tert; machen es uns auch wohl ſelbſt zur beſondern Pflicht, andächtig zu ſeyn. Und doch wiſſen viel- leicht wenige, was eigentlich Andacht iſt; und noch weniger kennen ſie den Werth und die hohen Freu- den der Andacht. Da ſo viel daran liegt, daß man ſein Ehriſtenthum mit Verſtand führe, da alles, was gedankenlos geſchieht, und woran unſer Herz keinen Theil nimmt, ſo gut als nicht geſchehen iſt, ſo laßt uns auch über dieſen Begriff nachdenken, und mit den hohen Freuden einer wahrhaftig an- dächtigen Seele vertraut werden!
Man iſt andächtig, wenn man ſeine Aufmerk- ſamkeit auf die höchſten Vollkommenheiten ſeines Gottes und Urhebers richtet, wenn man ſich der Be- trachtung, in welcher Beziehung dieſe Vollkommen- heiten gegen die Welt und ſich, als Theil der Welt, ſtehen, überläßt! wenn man, ſo viel möglich, unzer- ſtreut von andern Gedanken, ſo bey der Vorſtellung des beſten und erſten Weſens, ſeiner unbegrenzten Macht, ſeiner tadelloſen Weisheit, ſeiner unverdien-
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[29[41]/0045]
Ueber die Andacht.
Wir werden an dem Tage, der dem Herrn ge-
heiligt iſt, vorzüglich oft zur Andacht ermun-
tert; machen es uns auch wohl ſelbſt zur beſondern
Pflicht, andächtig zu ſeyn. Und doch wiſſen viel-
leicht wenige, was eigentlich Andacht iſt; und noch
weniger kennen ſie den Werth und die hohen Freu-
den der Andacht. Da ſo viel daran liegt, daß
man ſein Ehriſtenthum mit Verſtand führe, da alles,
was gedankenlos geſchieht, und woran unſer Herz
keinen Theil nimmt, ſo gut als nicht geſchehen iſt,
ſo laßt uns auch über dieſen Begriff nachdenken,
und mit den hohen Freuden einer wahrhaftig an-
dächtigen Seele vertraut werden!
Man iſt andächtig, wenn man ſeine Aufmerk-
ſamkeit auf die höchſten Vollkommenheiten ſeines
Gottes und Urhebers richtet, wenn man ſich der Be-
trachtung, in welcher Beziehung dieſe Vollkommen-
heiten gegen die Welt und ſich, als Theil der Welt,
ſtehen, überläßt! wenn man, ſo viel möglich, unzer-
ſtreut von andern Gedanken, ſo bey der Vorſtellung
des beſten und erſten Weſens, ſeiner unbegrenzten
Macht, ſeiner tadelloſen Weisheit, ſeiner unverdien-
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 29[41]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/45>, abgerufen am 01.07.2024.
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