Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.Predigt so schlecht, aus oder bey der man nicht et- Laßt uns den Gedanken, daß wir uns das selbst Zustim-
Predigt ſo ſchlecht, aus oder bey der man nicht et- Laßt uns den Gedanken, daß wir uns das ſelbſt Zuſtim-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0042" n="26[38]"/> Predigt ſo ſchlecht, aus oder bey der man nicht et-<lb/> was lernen; keine ſo gut, bey der einem nicht man-<lb/> che Wünſche übrig bleiben könnten. Und überhaupt —<lb/> wie kömmt es doch, daß wir uns ſo leicht und oft<lb/> das erzählen, was uns <hi rendition="#fr">mißfiel,</hi> und ſo ſelten, oder<lb/> gar nicht, was uns <hi rendition="#fr">wohlgefiel;</hi> was uns belehrte;<lb/> was uns beruhigte?</p><lb/> <p>Laßt uns den Gedanken, daß wir uns das ſelbſt<lb/> ſagen können, was wir in der Kirchen hören, nicht<lb/> abhalten, ſie zu beſuchen! Der Gedanke kann wahr<lb/> ſeyn; aber die Folge iſt unrichtig. Weil wir uns<lb/> das ſagen <hi rendition="#fr">können, — werden</hi> wir es uns deswegen<lb/> auch ſagen? Wenn wir heute die Kirche beſuchen,<lb/> ſo wird uns vielleicht Demuth, Zufriedenheit, Ver-<lb/> trauen auf Gott, Ernſthaftigkeit, Wohlthätigkeit ge-<lb/> gen unſre armen und leidenden Mitbrüder, oder ir-<lb/> gend eine andre Pflicht, in der wir gerade am mei-<lb/> ſten nöthig haben zuzunehmen, empfohlen. Würden<lb/> wir, wenn wir auch dieſelben Stunden zu Beſchäff-<lb/> tigungen mit der Religion angewendet hätten, eben<lb/> auf <hi rendition="#fr">dieſe</hi> Materie gekommen ſeyn? Wo die Mate-<lb/> rie unſrer eignen Wahl überlaſſen iſt, wo wir aus<lb/> mehrern geſchriebenen Predigten das Ausſuchen frey<lb/> haben, da iſt es ſehr gewöhnlich, daß man gerade<lb/><hi rendition="#fr">die</hi> wählt, mit deren Jnhalt man ſchon die meiſte<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Zuſtim-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26[38]/0042]
Predigt ſo ſchlecht, aus oder bey der man nicht et-
was lernen; keine ſo gut, bey der einem nicht man-
che Wünſche übrig bleiben könnten. Und überhaupt —
wie kömmt es doch, daß wir uns ſo leicht und oft
das erzählen, was uns mißfiel, und ſo ſelten, oder
gar nicht, was uns wohlgefiel; was uns belehrte;
was uns beruhigte?
Laßt uns den Gedanken, daß wir uns das ſelbſt
ſagen können, was wir in der Kirchen hören, nicht
abhalten, ſie zu beſuchen! Der Gedanke kann wahr
ſeyn; aber die Folge iſt unrichtig. Weil wir uns
das ſagen können, — werden wir es uns deswegen
auch ſagen? Wenn wir heute die Kirche beſuchen,
ſo wird uns vielleicht Demuth, Zufriedenheit, Ver-
trauen auf Gott, Ernſthaftigkeit, Wohlthätigkeit ge-
gen unſre armen und leidenden Mitbrüder, oder ir-
gend eine andre Pflicht, in der wir gerade am mei-
ſten nöthig haben zuzunehmen, empfohlen. Würden
wir, wenn wir auch dieſelben Stunden zu Beſchäff-
tigungen mit der Religion angewendet hätten, eben
auf dieſe Materie gekommen ſeyn? Wo die Mate-
rie unſrer eignen Wahl überlaſſen iſt, wo wir aus
mehrern geſchriebenen Predigten das Ausſuchen frey
haben, da iſt es ſehr gewöhnlich, daß man gerade
die wählt, mit deren Jnhalt man ſchon die meiſte
Zuſtim-
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