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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.

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nicht, wie sie, eine seelenlose Handlung zu verrichten,
uns vielleicht gar dabey sehr zu gefallen, und, ge-
täuscht von dem Schein einer äußern Frömmigkeit,
an wahrer Besserung gleichwohl immer, wo nicht
abnehmen, doch auch nicht wachsen.

Laßt uns vor allen die gemeinschaftliche Vereh-
rung unsers großen Vaters nie für etwas lästiges,
sondern wie alles, was uns ihm näher bringen kann,
für Wohlthat halten. Nicht daß Er uns in den
Kirchen und Gotteshäusern näher wäre; er wohnt
nicht und wohnte nie in Tempeln, von Menschen-
händen gemacht; aber unsre Seele nähert sich ihm
vielleicht da mehr, wo uns alles an ihn erinnert.
So oft wir uns diesen, seiner Verehrung bestimm-
ten Orten nähern, so oft wir uns in die Versamm-
lungen anbetender Christen mischen, so laßt uns den-
ken: Jch gehe hin, mich mit den Lobgesängen mei-
ner Brüder zu vereinigen; mich mit ihnen unsers
gemeinschaftlichen Ursprungs zu erinnern und zu
freuen; mit ihnen anzubeten vor dem, der, selbst
allgenugsam, keines bedarf und je bedurfte, und doch
Millionen vernünftiger Wesen außer sich schuf, um
sie glücklich und selig zu machen! Jch gehe hin,
um frey von allen irdischen, nur dies Leben betref-
fenden Geschäfften, alle meine Gedanken, so viel es

in
B 2

nicht, wie ſie, eine ſeelenloſe Handlung zu verrichten,
uns vielleicht gar dabey ſehr zu gefallen, und, ge-
täuſcht von dem Schein einer äußern Frömmigkeit,
an wahrer Beſſerung gleichwohl immer, wo nicht
abnehmen, doch auch nicht wachſen.

Laßt uns vor allen die gemeinſchaftliche Vereh-
rung unſers großen Vaters nie für etwas läſtiges,
ſondern wie alles, was uns ihm näher bringen kann,
für Wohlthat halten. Nicht daß Er uns in den
Kirchen und Gotteshäuſern näher wäre; er wohnt
nicht und wohnte nie in Tempeln, von Menſchen-
händen gemacht; aber unſre Seele nähert ſich ihm
vielleicht da mehr, wo uns alles an ihn erinnert.
So oft wir uns dieſen, ſeiner Verehrung beſtimm-
ten Orten nähern, ſo oft wir uns in die Verſamm-
lungen anbetender Chriſten miſchen, ſo laßt uns den-
ken: Jch gehe hin, mich mit den Lobgeſängen mei-
ner Brüder zu vereinigen; mich mit ihnen unſers
gemeinſchaftlichen Urſprungs zu erinnern und zu
freuen; mit ihnen anzubeten vor dem, der, ſelbſt
allgenugſam, keines bedarf und je bedurfte, und doch
Millionen vernünftiger Weſen außer ſich ſchuf, um
ſie glücklich und ſelig zu machen! Jch gehe hin,
um frey von allen irdiſchen, nur dies Leben betref-
fenden Geſchäfften, alle meine Gedanken, ſo viel es

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[19[31]/0035] nicht, wie ſie, eine ſeelenloſe Handlung zu verrichten, uns vielleicht gar dabey ſehr zu gefallen, und, ge- täuſcht von dem Schein einer äußern Frömmigkeit, an wahrer Beſſerung gleichwohl immer, wo nicht abnehmen, doch auch nicht wachſen. Laßt uns vor allen die gemeinſchaftliche Vereh- rung unſers großen Vaters nie für etwas läſtiges, ſondern wie alles, was uns ihm näher bringen kann, für Wohlthat halten. Nicht daß Er uns in den Kirchen und Gotteshäuſern näher wäre; er wohnt nicht und wohnte nie in Tempeln, von Menſchen- händen gemacht; aber unſre Seele nähert ſich ihm vielleicht da mehr, wo uns alles an ihn erinnert. So oft wir uns dieſen, ſeiner Verehrung beſtimm- ten Orten nähern, ſo oft wir uns in die Verſamm- lungen anbetender Chriſten miſchen, ſo laßt uns den- ken: Jch gehe hin, mich mit den Lobgeſängen mei- ner Brüder zu vereinigen; mich mit ihnen unſers gemeinſchaftlichen Urſprungs zu erinnern und zu freuen; mit ihnen anzubeten vor dem, der, ſelbſt allgenugſam, keines bedarf und je bedurfte, und doch Millionen vernünftiger Weſen außer ſich ſchuf, um ſie glücklich und ſelig zu machen! Jch gehe hin, um frey von allen irdiſchen, nur dies Leben betref- fenden Geſchäfften, alle meine Gedanken, ſo viel es in B 2

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Zitationshilfe: Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 19[31]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/35>, abgerufen am 23.11.2024.