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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.

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seyn, schließt doch eine jede Erklärung in sich. Ha-
ben wir nun nicht gleiche Hoffnung? Betete nicht
Jesus auch für uns: "Ich will, daß, wo ich
bin,
wohin ich kommen werde, wenn ich die Erde
verlassen habe, auch die seyn, die du mir, Va-
ter! gegeben hast!
" Und ist nun das Grab etwas
schreckliches, das dann erst unsern Leib bedecken
wird, wenn wir dahin kommen; das gerade den
Theil von uns, der uns itzt hindert, an jenen hö-
hern Freuden Theil zu nehmen, so lange aufbewah-
ren will, bis es der Allmacht gefällt, daß auch dieß
Sichtbare die Unsterblichkeit, und dieß Verwesliche
die Unverweslichkeit anziehe? Wie könnt es das fer-
ner noch für uns seyn?

Darum, meine lieben Brüder, die ihr alle mit
mir früher oder später in den Gräbern eure Hülle
niederlegen werdet, freuet euch des, der uns eine
gute Hoffnung und einen ewigen Trost gegeben hat.
Wenn wir erst auch da liegen und ruhen, dann
kann unser vollendeter Geist in den Händen Gottes
seyn -- ihm näher leben, ihn unmittelbarer empfin-
den, ihn besser erkennen, ihn herzlicher lieben, in
seinem großen Reiche noch thätiger und würksamer
seyn! Dann erst können wir die Herrlichkeit dessen,
der unsrer Gräber Ruhe durch seinen Schlummer

im
Erste Abth. L

ſeyn, ſchließt doch eine jede Erklärung in ſich. Ha-
ben wir nun nicht gleiche Hoffnung? Betete nicht
Jeſus auch für uns: „Ich will, daß, wo ich
bin,
wohin ich kommen werde, wenn ich die Erde
verlaſſen habe, auch die ſeyn, die du mir, Va-
ter! gegeben haſt!
“ Und iſt nun das Grab etwas
ſchreckliches, das dann erſt unſern Leib bedecken
wird, wenn wir dahin kommen; das gerade den
Theil von uns, der uns itzt hindert, an jenen hö-
hern Freuden Theil zu nehmen, ſo lange aufbewah-
ren will, bis es der Allmacht gefällt, daß auch dieß
Sichtbare die Unſterblichkeit, und dieß Verwesliche
die Unverweslichkeit anziehe? Wie könnt es das fer-
ner noch für uns ſeyn?

Darum, meine lieben Brüder, die ihr alle mit
mir früher oder ſpäter in den Gräbern eure Hülle
niederlegen werdet, freuet euch des, der uns eine
gute Hoffnung und einen ewigen Troſt gegeben hat.
Wenn wir erſt auch da liegen und ruhen, dann
kann unſer vollendeter Geiſt in den Händen Gottes
ſeyn — ihm näher leben, ihn unmittelbarer empfin-
den, ihn beſſer erkennen, ihn herzlicher lieben, in
ſeinem großen Reiche noch thätiger und würkſamer
ſeyn! Dann erſt können wir die Herrlichkeit deſſen,
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[161[173]/0177] ſeyn, ſchließt doch eine jede Erklärung in ſich. Ha- ben wir nun nicht gleiche Hoffnung? Betete nicht Jeſus auch für uns: „Ich will, daß, wo ich bin, wohin ich kommen werde, wenn ich die Erde verlaſſen habe, auch die ſeyn, die du mir, Va- ter! gegeben haſt!“ Und iſt nun das Grab etwas ſchreckliches, das dann erſt unſern Leib bedecken wird, wenn wir dahin kommen; das gerade den Theil von uns, der uns itzt hindert, an jenen hö- hern Freuden Theil zu nehmen, ſo lange aufbewah- ren will, bis es der Allmacht gefällt, daß auch dieß Sichtbare die Unſterblichkeit, und dieß Verwesliche die Unverweslichkeit anziehe? Wie könnt es das fer- ner noch für uns ſeyn? Darum, meine lieben Brüder, die ihr alle mit mir früher oder ſpäter in den Gräbern eure Hülle niederlegen werdet, freuet euch des, der uns eine gute Hoffnung und einen ewigen Troſt gegeben hat. Wenn wir erſt auch da liegen und ruhen, dann kann unſer vollendeter Geiſt in den Händen Gottes ſeyn — ihm näher leben, ihn unmittelbarer empfin- den, ihn beſſer erkennen, ihn herzlicher lieben, in ſeinem großen Reiche noch thätiger und würkſamer ſeyn! Dann erſt können wir die Herrlichkeit deſſen, der unſrer Gräber Ruhe durch ſeinen Schlummer im Erſte Abth. L

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Zitationshilfe: Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 161[173]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/177>, abgerufen am 23.11.2024.