aussprechen kann! Furchtsamkeit in solchen Dingen, schwache Nachgiebigkeit gegen die verdorbene aus- geartete Gesellschaft, die sich ihres Schöpfers und Vaters schämt, ist wenigstens eben so tadelhaft, als die unverständige Zudringlichkeit und der unzei- tige Eifer, den man oft nur deswegen so beredt zu tadeln scheint, um seine eigne kleine unedle Schüch- ternheit zu entschuldigen, oder wohl gar sich zum Verdienst zu machen, was doch nur Schwäche ist!
Wie sollt ich mich -- diese Entschlüsse laßt uns bey dem Andenken an den größten und stand- haftesten Bekenner der Wahrheit, Jesum Christum, fassen! -- wie sollt ich mich der Lehre schämen, die der Weiseste, Erhabenste und Beste aller Menschen bis an den Tod bekannte; der Lehre, die mich mei- ner wahren Menschenwürde näher bringt, und mir meine Hoffnungen weit über dieß Leben hinaus zu- sichert; der Lehre, deren Gründung und Ausbrei- tung Ihm, dem Heiligsten, Ruhe und Leben ge- kostet hat! -- Wer ist denn selbst in meinen Augen ehrwürdiger und größer? Der spottende Haufe der Verfolger Jesu? Sein unbelehrbarer Richter -- oder Er, der bekannte und nicht läugnete, wie stark auch immer die Versuchungen waren, wenig-
stens
ausſprechen kann! Furchtſamkeit in ſolchen Dingen, ſchwache Nachgiebigkeit gegen die verdorbene aus- geartete Geſellſchaft, die ſich ihres Schöpfers und Vaters ſchämt, iſt wenigſtens eben ſo tadelhaft, als die unverſtändige Zudringlichkeit und der unzei- tige Eifer, den man oft nur deswegen ſo beredt zu tadeln ſcheint, um ſeine eigne kleine unedle Schüch- ternheit zu entſchuldigen, oder wohl gar ſich zum Verdienſt zu machen, was doch nur Schwäche iſt!
Wie ſollt ich mich — dieſe Entſchlüſſe laßt uns bey dem Andenken an den größten und ſtand- hafteſten Bekenner der Wahrheit, Jeſum Chriſtum, faſſen! — wie ſollt ich mich der Lehre ſchämen, die der Weiſeſte, Erhabenſte und Beſte aller Menſchen bis an den Tod bekannte; der Lehre, die mich mei- ner wahren Menſchenwürde näher bringt, und mir meine Hoffnungen weit über dieß Leben hinaus zu- ſichert; der Lehre, deren Gründung und Ausbrei- tung Ihm, dem Heiligſten, Ruhe und Leben ge- koſtet hat! — Wer iſt denn ſelbſt in meinen Augen ehrwürdiger und größer? Der ſpottende Haufe der Verfolger Jeſu? Sein unbelehrbarer Richter — oder Er, der bekannte und nicht läugnete, wie ſtark auch immer die Verſuchungen waren, wenig-
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ausſprechen kann! Furchtſamkeit in ſolchen Dingen,
ſchwache Nachgiebigkeit gegen die verdorbene aus-
geartete Geſellſchaft, die ſich ihres Schöpfers und
Vaters ſchämt, iſt wenigſtens eben ſo tadelhaft,
als die unverſtändige Zudringlichkeit und der unzei-
tige Eifer, den man oft nur deswegen ſo beredt zu
tadeln ſcheint, um ſeine eigne kleine unedle Schüch-
ternheit zu entſchuldigen, oder wohl gar ſich zum
Verdienſt zu machen, was doch nur Schwäche
iſt!
Wie ſollt ich mich — dieſe Entſchlüſſe laßt
uns bey dem Andenken an den größten und ſtand-
hafteſten Bekenner der Wahrheit, Jeſum Chriſtum,
faſſen! — wie ſollt ich mich der Lehre ſchämen, die
der Weiſeſte, Erhabenſte und Beſte aller Menſchen
bis an den Tod bekannte; der Lehre, die mich mei-
ner wahren Menſchenwürde näher bringt, und mir
meine Hoffnungen weit über dieß Leben hinaus zu-
ſichert; der Lehre, deren Gründung und Ausbrei-
tung Ihm, dem Heiligſten, Ruhe und Leben ge-
koſtet hat! — Wer iſt denn ſelbſt in meinen Augen
ehrwürdiger und größer? Der ſpottende Haufe der
Verfolger Jeſu? Sein unbelehrbarer Richter —
oder Er, der bekannte und nicht läugnete, wie
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 157[169]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/173>, abgerufen am 29.06.2024.
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