ermatten. Aber so lange große Beyspiele uneigen- nütziger Aufopferungen; so lange vor allen dieß Bey- spiel Jesu noch Eindruck auf unser Herz macht, so lange auch uns sein Geist beseelt, seine Liebe dringt, seine Großmuth und die Reinheit seiner Absichten rührend für uns ist -- so werden auch wir nicht zurückbleiben; werden auch, wie er, gern unser Le- ben mehr andern, als uns selbst, gehören lassen; es süß finden, uns um unsrer Brüder willen verläugnen zu können, und diese Verläugnung nach und nach allen Freuden, die vielleicht mit den Thränen andrer erkauft sind, weit, weit vorziehen.
Lieben Brüder -- sollten uns diese Tage um- sonst an diese edlern und wahrhaftig großen Gesin- nungen erinnert haben? So wäre uns in dem Sinn der leidende, gekreuzigte, sterbende Erlöser umsonst gepredigt; so hätten wir umsonst ein solches Muster gehabt; so versagten wir seiner Liebe das einzige Opfer des Danks, das er verlangt, Nachahmung. Und wären Christen? Und hätten das Ende des Herrn gehört und in der merkwürdigsten aller Ge- schichten gesehen? Das kann unser Sinn nicht seyn! Vielleicht sendet uns noch heute Gott Gelegenheit, wo wir zeigen können, ob uns die Betrachtung würklich bewegt hat; vielleicht kömmt noch heute
der
ermatten. Aber ſo lange große Beyſpiele uneigen- nütziger Aufopferungen; ſo lange vor allen dieß Bey- ſpiel Jeſu noch Eindruck auf unſer Herz macht, ſo lange auch uns ſein Geiſt beſeelt, ſeine Liebe dringt, ſeine Großmuth und die Reinheit ſeiner Abſichten rührend für uns iſt — ſo werden auch wir nicht zurückbleiben; werden auch, wie er, gern unſer Le- ben mehr andern, als uns ſelbſt, gehören laſſen; es ſüß finden, uns um unſrer Brüder willen verläugnen zu können, und dieſe Verläugnung nach und nach allen Freuden, die vielleicht mit den Thränen andrer erkauft ſind, weit, weit vorziehen.
Lieben Brüder — ſollten uns dieſe Tage um- ſonſt an dieſe edlern und wahrhaftig großen Geſin- nungen erinnert haben? So wäre uns in dem Sinn der leidende, gekreuzigte, ſterbende Erlöſer umſonſt gepredigt; ſo hätten wir umſonſt ein ſolches Muſter gehabt; ſo verſagten wir ſeiner Liebe das einzige Opfer des Danks, das er verlangt, Nachahmung. Und wären Chriſten? Und hätten das Ende des Herrn gehört und in der merkwürdigſten aller Ge- ſchichten geſehen? Das kann unſer Sinn nicht ſeyn! Vielleicht ſendet uns noch heute Gott Gelegenheit, wo wir zeigen können, ob uns die Betrachtung würklich bewegt hat; vielleicht kömmt noch heute
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ermatten. Aber ſo lange große Beyſpiele uneigen-
nütziger Aufopferungen; ſo lange vor allen dieß Bey-
ſpiel Jeſu noch Eindruck auf unſer Herz macht, ſo
lange auch uns ſein Geiſt beſeelt, ſeine Liebe dringt,
ſeine Großmuth und die Reinheit ſeiner Abſichten
rührend für uns iſt — ſo werden auch wir nicht
zurückbleiben; werden auch, wie er, gern unſer Le-
ben mehr andern, als uns ſelbſt, gehören laſſen; es
ſüß finden, uns um unſrer Brüder willen verläugnen
zu können, und dieſe Verläugnung nach und nach
allen Freuden, die vielleicht mit den Thränen andrer
erkauft ſind, weit, weit vorziehen.
Lieben Brüder — ſollten uns dieſe Tage um-
ſonſt an dieſe edlern und wahrhaftig großen Geſin-
nungen erinnert haben? So wäre uns in dem Sinn
der leidende, gekreuzigte, ſterbende Erlöſer umſonſt
gepredigt; ſo hätten wir umſonſt ein ſolches Muſter
gehabt; ſo verſagten wir ſeiner Liebe das einzige
Opfer des Danks, das er verlangt, Nachahmung.
Und wären Chriſten? Und hätten das Ende des
Herrn gehört und in der merkwürdigſten aller Ge-
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 152[164]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/168>, abgerufen am 17.02.2025.
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