Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790."quälte!" Sobald diese Vorstellung in ihnen leb- Es ist zu wünschen, daß der Geist unsers Zeit- ermat- K 4
„quälte!“ Sobald dieſe Vorſtellung in ihnen leb- Es iſt zu wünſchen, daß der Geiſt unſers Zeit- ermat- K 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0167" n="151[163]"/> „quälte!“ Sobald dieſe Vorſtellung in ihnen leb-<lb/> haft wurde, ſo achteten auch ſie nichts mehr, und<lb/> wären vielleicht, wenn es die Vorſehung gewollt<lb/> hätte, ähnlichen Leiden mit gleicher Freudigkeit ent-<lb/> gegen gegangen. Wer erwartet nun wieder den<lb/> Beweis, ob ſich bey der Verbreitung ſolcher Ge-<lb/> ſinnungen die menſchliche Geſellſchaft beſſer oder<lb/> ſchlimmer befunden habe, als bey jener ſtolzen und<lb/> menſchenfeindlichen Lehre, die ſolche Aufopferungen<lb/> Schwärmereyen nennt, und gern alles, was der<lb/> Menſch zu thun fähig iſt, auf Selbſtſucht und Eigen-<lb/> nutz zurückführen möchte.</p><lb/> <p>Es iſt zu wünſchen, daß der Geiſt unſers Zeit-<lb/> alters, indem er auf Berichtigung und Würde der<lb/> Begriffe dringt, der echten chriſtlichen Empfindung<lb/> nicht ſchädlich werde, und die Seele für jedes Ge-<lb/> fühl der nie zu vergeltenden Liebe deſſen, der uns<lb/> bis zum Tode geliebt hat, erkälte. Sobald wir zu<lb/> ſehr zu berechnen anfangen, wie viel oder wie wenig<lb/> Gewinn wir von dem haben, was wir für andre<lb/> thun; wie man unſern Eifer für ihr Wohl beur-<lb/> theilen, ob man uns und unſer Abſichten dabey<lb/> auch vielleicht verkennen wird: ſo werden uns in<lb/> tauſend Fällen die Hände entſinken und der Eifer<lb/> <fw place="bottom" type="sig">K 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ermat-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [151[163]/0167]
„quälte!“ Sobald dieſe Vorſtellung in ihnen leb-
haft wurde, ſo achteten auch ſie nichts mehr, und
wären vielleicht, wenn es die Vorſehung gewollt
hätte, ähnlichen Leiden mit gleicher Freudigkeit ent-
gegen gegangen. Wer erwartet nun wieder den
Beweis, ob ſich bey der Verbreitung ſolcher Ge-
ſinnungen die menſchliche Geſellſchaft beſſer oder
ſchlimmer befunden habe, als bey jener ſtolzen und
menſchenfeindlichen Lehre, die ſolche Aufopferungen
Schwärmereyen nennt, und gern alles, was der
Menſch zu thun fähig iſt, auf Selbſtſucht und Eigen-
nutz zurückführen möchte.
Es iſt zu wünſchen, daß der Geiſt unſers Zeit-
alters, indem er auf Berichtigung und Würde der
Begriffe dringt, der echten chriſtlichen Empfindung
nicht ſchädlich werde, und die Seele für jedes Ge-
fühl der nie zu vergeltenden Liebe deſſen, der uns
bis zum Tode geliebt hat, erkälte. Sobald wir zu
ſehr zu berechnen anfangen, wie viel oder wie wenig
Gewinn wir von dem haben, was wir für andre
thun; wie man unſern Eifer für ihr Wohl beur-
theilen, ob man uns und unſer Abſichten dabey
auch vielleicht verkennen wird: ſo werden uns in
tauſend Fällen die Hände entſinken und der Eifer
ermat-
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