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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.

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zu werden, oder sich seine Zufriedenheit wenigstens
viel zu hoch anzurechnen.

Wenn aber würklich die Wege Gottes alles
unser Begreifen übersteigen; Wenn sie unsrer
Vernunft durchaus als Irrwege vorkommen,
und gleichwohl deutlich ist, daß Gott will, daß
wir sie gehen sollen -- o dann sey uns das Glau-
ben, auch wo wir nicht sehen, die höchste Weisheit,
und Tadel Gottes die höchste Thorheit. -- Dann
stelle sich uns das Bild dessen vor, der wohl anders
als wir, über die Führungen der Vorsehung
urtheilen konnte, und dennoch seinen Willen dem
ihrigen unterwarf. Solchen Glauben lernt ein
Christ! --



Am Charfreytage.

Unsre Seele sammle sich, anzubeten vor dem
Herrn unserm Erbarmer, der vollendet hat
durch große Leiden und den schmachvollsten Tod
Ihn -- den Heiligsten und Besten, den Geber
des Lebens, den Helfer der Gefallenen, den Trost
und die Ruhe der Bekümmerten, den Anfänger
und Vollender unsers Glaubens; der Ihn durch

den

zu werden, oder ſich ſeine Zufriedenheit wenigſtens
viel zu hoch anzurechnen.

Wenn aber würklich die Wege Gottes alles
unſer Begreifen überſteigen; Wenn ſie unſrer
Vernunft durchaus als Irrwege vorkommen,
und gleichwohl deutlich iſt, daß Gott will, daß
wir ſie gehen ſollen — o dann ſey uns das Glau-
ben, auch wo wir nicht ſehen, die höchſte Weisheit,
und Tadel Gottes die höchſte Thorheit. — Dann
ſtelle ſich uns das Bild deſſen vor, der wohl anders
als wir, über die Führungen der Vorſehung
urtheilen konnte, und dennoch ſeinen Willen dem
ihrigen unterwarf. Solchen Glauben lernt ein
Chriſt! —



Am Charfreytage.

Unſre Seele ſammle ſich, anzubeten vor dem
Herrn unſerm Erbarmer, der vollendet hat
durch große Leiden und den ſchmachvollſten Tod
Ihn — den Heiligſten und Beſten, den Geber
des Lebens, den Helfer der Gefallenen, den Troſt
und die Ruhe der Bekümmerten, den Anfänger
und Vollender unſers Glaubens; der Ihn durch

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[128[140]/0144] zu werden, oder ſich ſeine Zufriedenheit wenigſtens viel zu hoch anzurechnen. Wenn aber würklich die Wege Gottes alles unſer Begreifen überſteigen; Wenn ſie unſrer Vernunft durchaus als Irrwege vorkommen, und gleichwohl deutlich iſt, daß Gott will, daß wir ſie gehen ſollen — o dann ſey uns das Glau- ben, auch wo wir nicht ſehen, die höchſte Weisheit, und Tadel Gottes die höchſte Thorheit. — Dann ſtelle ſich uns das Bild deſſen vor, der wohl anders als wir, über die Führungen der Vorſehung urtheilen konnte, und dennoch ſeinen Willen dem ihrigen unterwarf. Solchen Glauben lernt ein Chriſt! — Am Charfreytage. Unſre Seele ſammle ſich, anzubeten vor dem Herrn unſerm Erbarmer, der vollendet hat durch große Leiden und den ſchmachvollſten Tod Ihn — den Heiligſten und Beſten, den Geber des Lebens, den Helfer der Gefallenen, den Troſt und die Ruhe der Bekümmerten, den Anfänger und Vollender unſers Glaubens; der Ihn durch den

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Zitationshilfe: Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 128[140]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/144>, abgerufen am 28.09.2024.