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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.

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mit der verachtenden Miene einer vermeynten
Weisheit, als einen der schwärmerischen Sätze des
Christenthums weggeworfen; und keinen Sinn
dafür gehabt, welche hohe Weisheit, ich möchte
sagen, welche wahre Philosophie darinn liegt,
und wie man ohne seine Ausübung, in manchen
Fällen eben so wenig ein wahrer Weiser als ein
wahrer Christ seyn kann. Gerade hier ist die
Weisheit von Männern, die sonst ihres Ruhms
nicht unwerth waren, gescheitert; weil sie auch
da sehen wollten, wo sie bloß glauben mußten.

Gott erleichtert uns die Unterwerfung unter
seinen guten Willen in den meisten Fällen nicht
wenig, indem er uns durch die nahen Folgen,
und den sich oft bald den entwickelnden Ausgang seiner
Schickungen, oder durch den sehr bemerkbaren
Zusammenhang, in dem sie mit andern Begeben-
heiten stehen, belehrt, warum sie weise und gut
sind. Und in allen diesen Fällen ist das Sehen
nicht nur erlaubt, sondern Pflicht -- Pflicht,
weil es uns die weisen Ursachen, aus denen Gott
handelt und die Welt regieret, bemerken, den
gefahrlichen Begriff, alles auf das Ohngefähr und
den Zufall zu schieben, vermeiden, und uns selbst
unsre Beruhigung erleichtern lehrt. Aber nur

der

mit der verachtenden Miene einer vermeynten
Weisheit, als einen der ſchwärmeriſchen Sätze des
Chriſtenthums weggeworfen; und keinen Sinn
dafür gehabt, welche hohe Weisheit, ich möchte
ſagen, welche wahre Philoſophie darinn liegt,
und wie man ohne ſeine Ausübung, in manchen
Fällen eben ſo wenig ein wahrer Weiſer als ein
wahrer Chriſt ſeyn kann. Gerade hier iſt die
Weisheit von Männern, die ſonſt ihres Ruhms
nicht unwerth waren, geſcheitert; weil ſie auch
da ſehen wollten, wo ſie bloß glauben mußten.

Gott erleichtert uns die Unterwerfung unter
ſeinen guten Willen in den meiſten Fällen nicht
wenig, indem er uns durch die nahen Folgen,
und den ſich oft bald den entwickelnden Ausgang ſeiner
Schickungen, oder durch den ſehr bemerkbaren
Zuſammenhang, in dem ſie mit andern Begeben-
heiten ſtehen, belehrt, warum ſie weiſe und gut
ſind. Und in allen dieſen Fällen iſt das Sehen
nicht nur erlaubt, ſondern Pflicht — Pflicht,
weil es uns die weiſen Urſachen, aus denen Gott
handelt und die Welt regieret, bemerken, den
gefahrlichen Begriff, alles auf das Ohngefähr und
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[126[138]/0142] mit der verachtenden Miene einer vermeynten Weisheit, als einen der ſchwärmeriſchen Sätze des Chriſtenthums weggeworfen; und keinen Sinn dafür gehabt, welche hohe Weisheit, ich möchte ſagen, welche wahre Philoſophie darinn liegt, und wie man ohne ſeine Ausübung, in manchen Fällen eben ſo wenig ein wahrer Weiſer als ein wahrer Chriſt ſeyn kann. Gerade hier iſt die Weisheit von Männern, die ſonſt ihres Ruhms nicht unwerth waren, geſcheitert; weil ſie auch da ſehen wollten, wo ſie bloß glauben mußten. Gott erleichtert uns die Unterwerfung unter ſeinen guten Willen in den meiſten Fällen nicht wenig, indem er uns durch die nahen Folgen, und den ſich oft bald den entwickelnden Ausgang ſeiner Schickungen, oder durch den ſehr bemerkbaren Zuſammenhang, in dem ſie mit andern Begeben- heiten ſtehen, belehrt, warum ſie weiſe und gut ſind. Und in allen dieſen Fällen iſt das Sehen nicht nur erlaubt, ſondern Pflicht — Pflicht, weil es uns die weiſen Urſachen, aus denen Gott handelt und die Welt regieret, bemerken, den gefahrlichen Begriff, alles auf das Ohngefähr und den Zufall zu ſchieben, vermeiden, und uns ſelbſt unſre Beruhigung erleichtern lehrt. Aber nur der

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Zitationshilfe: Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 126[138]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/142>, abgerufen am 28.09.2024.