lung wissen, wie nahe diese Leiden des Allerheilig- sten uns angehn; wie große und theure Folgen sie für unsre Wohlfahrt und Ruhe gehabt haben; wie hoch wir dadurch dem, der das Kreuz aus eigner Wahl erduldete, und der Schande nicht achtete, verbunden sind; beweist noch lange nicht, daß Gottes gnadenvolle Absichten bey den Leiden Jesu an uns erreicht sind, daß wir von Jesu gelernt und bey ihm und seinem Kreuz Ruhe für unsre Seele gefunden haben; betrügt uns vielleicht gar, indem wir uns bey dem Gefühl allein beruhigen, unsre Theilnehmung an der Erlösung nach der Menge unsrer Thränen abmessen, und nicht fragen, wie viel wir gelernt und gethan, sondern wie viel wir empfunden haben. Vor allem diesem Selbst- betrug laßt uns in diesen, dem Andenken der Lei- den Jesu gewidmeten Tagen uns sorgfältig hüten!
Aber nun ist auch auf der andern Seite zu befürchten, daß die Besorgniß, zu sehr in den Fehler bloß sinnlicher Empfindungen zu fallen, manchen verleitet, jede lebhaftere Vorstellung dieser rührend- sten aller Geschichten zu scheuen, und, wenn vor- mals die mißgeleitete Andacht, über den ungleich kleinern Wunden und Schmerzen des Körpers, die viel andre, viel schwerere Arbeit seiner heiligen
Seele
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lung wiſſen, wie nahe dieſe Leiden des Allerheilig- ſten uns angehn; wie große und theure Folgen ſie für unſre Wohlfahrt und Ruhe gehabt haben; wie hoch wir dadurch dem, der das Kreuz aus eigner Wahl erduldete, und der Schande nicht achtete, verbunden ſind; beweiſt noch lange nicht, daß Gottes gnadenvolle Abſichten bey den Leiden Jeſu an uns erreicht ſind, daß wir von Jeſu gelernt und bey ihm und ſeinem Kreuz Ruhe für unſre Seele gefunden haben; betrügt uns vielleicht gar, indem wir uns bey dem Gefühl allein beruhigen, unſre Theilnehmung an der Erlöſung nach der Menge unſrer Thränen abmeſſen, und nicht fragen, wie viel wir gelernt und gethan, ſondern wie viel wir empfunden haben. Vor allem dieſem Selbſt- betrug laßt uns in dieſen, dem Andenken der Lei- den Jeſu gewidmeten Tagen uns ſorgfältig hüten!
Aber nun iſt auch auf der andern Seite zu befürchten, daß die Beſorgniß, zu ſehr in den Fehler bloß ſinnlicher Empfindungen zu fallen, manchen verleitet, jede lebhaftere Vorſtellung dieſer rührend- ſten aller Geſchichten zu ſcheuen, und, wenn vor- mals die mißgeleitete Andacht, über den ungleich kleinern Wunden und Schmerzen des Körpers, die viel andre, viel ſchwerere Arbeit ſeiner heiligen
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[117[129]/0133]
lung wiſſen, wie nahe dieſe Leiden des Allerheilig-
ſten uns angehn; wie große und theure Folgen ſie
für unſre Wohlfahrt und Ruhe gehabt haben; wie
hoch wir dadurch dem, der das Kreuz aus eigner
Wahl erduldete, und der Schande nicht achtete,
verbunden ſind; beweiſt noch lange nicht, daß
Gottes gnadenvolle Abſichten bey den Leiden Jeſu
an uns erreicht ſind, daß wir von Jeſu gelernt
und bey ihm und ſeinem Kreuz Ruhe für unſre
Seele gefunden haben; betrügt uns vielleicht gar,
indem wir uns bey dem Gefühl allein beruhigen,
unſre Theilnehmung an der Erlöſung nach der
Menge unſrer Thränen abmeſſen, und nicht fragen,
wie viel wir gelernt und gethan, ſondern wie viel
wir empfunden haben. Vor allem dieſem Selbſt-
betrug laßt uns in dieſen, dem Andenken der Lei-
den Jeſu gewidmeten Tagen uns ſorgfältig hüten!
Aber nun iſt auch auf der andern Seite zu
befürchten, daß die Beſorgniß, zu ſehr in den Fehler
bloß ſinnlicher Empfindungen zu fallen, manchen
verleitet, jede lebhaftere Vorſtellung dieſer rührend-
ſten aller Geſchichten zu ſcheuen, und, wenn vor-
mals die mißgeleitete Andacht, über den ungleich
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 117[129]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/133>, abgerufen am 16.02.2025.
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