der Latiner geherrscht hätte. Rom war verlohren wenn diese sich für Samnium erklärten während die römischen Heere am untern Vulturnus standen; wenigstens das ganze Gebiet der Republik hätte ihnen wehrlos offen gele- gen. Denn eben jetzt stand Latium in junger Stärke. Die Latiner aber sind in den Krieg gegen die Samniter verwickelt 91). Das Jahr 413, in dem die römische Armee sich empörte, vergeht auf eine ganz unerklärliche Weise, ohne irgend einen Kriegsvorfall gegen die Sam- niter: ohne daß diese den Verlust des vorigen Feldzugs durch Benutzung der römischen Unthätigkeit zu ersetzen versucht hätten: der Consul des folgenden Jahrs führt die römische Armee vielmehr nach Samnium, so daß die Früchte der früheren Siege durch jene Wehrlosigkeit nicht verlohren waren. Eben so wenig benutzen die Latiner, welche schon im vorigen Jahr zum römischen Krieg ge- rüstet gewesen seyn sollen 92), diesen Zeitpunkt. Die Heere welche im Jahr 412 über die Herrschaft Kampa- niens kämpfen, sind äußerst zahlreich, wenn auch die angegebenen Zahlen übertrieben seyn sollten, nach denen beiden römischen Armeen hunderttausend Samniter ent- gegengestanden haben müßten; ein Feind, den einige Le- gionen allein zuverlässig nicht so besiegen konnten. Bey dem Ausbruch des latinischen Kriegs wird mit einer Be- stimmtheit, die sehr von der willkührlichen Ansicht eines Annalisten verschieden ist, bemerkt: es sey wie ein Bür- gerkrieg gewesen, denn die Offiziere hätten häufig in
91) Livius VIII. c. 2.
92) Derselbe VII. c. 38.
der Latiner geherrſcht haͤtte. Rom war verlohren wenn dieſe ſich fuͤr Samnium erklaͤrten waͤhrend die roͤmiſchen Heere am untern Vulturnus ſtanden; wenigſtens das ganze Gebiet der Republik haͤtte ihnen wehrlos offen gele- gen. Denn eben jetzt ſtand Latium in junger Staͤrke. Die Latiner aber ſind in den Krieg gegen die Samniter verwickelt 91). Das Jahr 413, in dem die roͤmiſche Armee ſich empoͤrte, vergeht auf eine ganz unerklaͤrliche Weiſe, ohne irgend einen Kriegsvorfall gegen die Sam- niter: ohne daß dieſe den Verluſt des vorigen Feldzugs durch Benutzung der roͤmiſchen Unthaͤtigkeit zu erſetzen verſucht haͤtten: der Conſul des folgenden Jahrs fuͤhrt die roͤmiſche Armee vielmehr nach Samnium, ſo daß die Fruͤchte der fruͤheren Siege durch jene Wehrloſigkeit nicht verlohren waren. Eben ſo wenig benutzen die Latiner, welche ſchon im vorigen Jahr zum roͤmiſchen Krieg ge- ruͤſtet geweſen ſeyn ſollen 92), dieſen Zeitpunkt. Die Heere welche im Jahr 412 uͤber die Herrſchaft Kampa- niens kaͤmpfen, ſind aͤußerſt zahlreich, wenn auch die angegebenen Zahlen uͤbertrieben ſeyn ſollten, nach denen beiden roͤmiſchen Armeen hunderttauſend Samniter ent- gegengeſtanden haben muͤßten; ein Feind, den einige Le- gionen allein zuverlaͤſſig nicht ſo beſiegen konnten. Bey dem Ausbruch des latiniſchen Kriegs wird mit einer Be- ſtimmtheit, die ſehr von der willkuͤhrlichen Anſicht eines Annaliſten verſchieden iſt, bemerkt: es ſey wie ein Buͤr- gerkrieg geweſen, denn die Offiziere haͤtten haͤufig in
91) Livius VIII. c. 2.
92) Derſelbe VII. c. 38.
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der Latiner geherrſcht haͤtte. Rom war verlohren wenn
dieſe ſich fuͤr Samnium erklaͤrten waͤhrend die roͤmiſchen
Heere am untern Vulturnus ſtanden; wenigſtens das
ganze Gebiet der Republik haͤtte ihnen wehrlos offen gele-
gen. Denn eben jetzt ſtand Latium in junger Staͤrke.
Die Latiner aber ſind in den Krieg gegen die Samniter
verwickelt 91). Das Jahr 413, in dem die roͤmiſche
Armee ſich empoͤrte, vergeht auf eine ganz unerklaͤrliche
Weiſe, ohne irgend einen Kriegsvorfall gegen die Sam-
niter: ohne daß dieſe den Verluſt des vorigen Feldzugs
durch Benutzung der roͤmiſchen Unthaͤtigkeit zu erſetzen
verſucht haͤtten: der Conſul des folgenden Jahrs fuͤhrt die
roͤmiſche Armee vielmehr nach Samnium, ſo daß die
Fruͤchte der fruͤheren Siege durch jene Wehrloſigkeit nicht
verlohren waren. Eben ſo wenig benutzen die Latiner,
welche ſchon im vorigen Jahr zum roͤmiſchen Krieg ge-
ruͤſtet geweſen ſeyn ſollen 92), dieſen Zeitpunkt. Die
Heere welche im Jahr 412 uͤber die Herrſchaft Kampa-
niens kaͤmpfen, ſind aͤußerſt zahlreich, wenn auch die
angegebenen Zahlen uͤbertrieben ſeyn ſollten, nach denen
beiden roͤmiſchen Armeen hunderttauſend Samniter ent-
gegengeſtanden haben muͤßten; ein Feind, den einige Le-
gionen allein zuverlaͤſſig nicht ſo beſiegen konnten. Bey
dem Ausbruch des latiniſchen Kriegs wird mit einer Be-
ſtimmtheit, die ſehr von der willkuͤhrlichen Anſicht eines
Annaliſten verſchieden iſt, bemerkt: es ſey wie ein Buͤr-
gerkrieg geweſen, denn die Offiziere haͤtten haͤufig in
91) Livius VIII. c. 2.
92) Derſelbe VII. c. 38.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/508>, abgerufen am 22.11.2024.
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