brauchte: in der das Volk so schamlos aller Achtung ge- gen die Regierung vergaß, aus Gefühllosigkeit gegen ihre Würde, nicht aus Unwillen über ihre Entweihung durch Unwürdige: eine solche Stadt ist in der Geschichte gerich- tet. Aber wir müssen nicht verschweigen daß die bilden- den Künste in Kampanien die Höhe griechischer Vortreff- lichkeit erlangt hatten: weder die Gemählde noch Münzen stehen griechischer Kunst nach: die Künstler hatten das Idealische gefaßt, dem die Etrusker stets fremd blieben: sie arbeiteten groß und leicht; die mechanische Ausführung ist so vortrefflich als das gedachte Bild, welches der Künst- ler aus seiner Seele darzustellen strebte. Der Gebrauch der griechischen Sprache auf den Münzen beweißt eine ganz allgemeine Kenntniß, und die griechische Mytholo- gie der Kunstwerke läßt auf Vertraulichkeit mit der Poesie Griechenlands unfehlbar schließen: aber diese Litteratur war nur eingeimpft, und es hat sich auch nicht das leiseste Andenken irgend eines kampanischen Dichters oder Schriftstellers in griechischer Sprache erhalten, ob- gleich es gewiß daran nicht fehlte. An eigenthümlicher Litteratur hatten sie burleske Komödien, die Atellanen, welche gewöhnlich improvisirt geworden zu seyn schei- nen, und an deren Darstellungen, Nachahmungen oder Uebersetzungen, das römische Publicum lebhaftes Wohl- gefallen hatte.
Allerdings bedeutet der Nahme Kampaner, Bürger von Kapua: aber auf die Stadt ist er nicht eingeschränkt. Eine Landschaft Kampanien hatte schon das damalige Ita- lien, freylich in weit engeren Gränzen als die zu denen
brauchte: in der das Volk ſo ſchamlos aller Achtung ge- gen die Regierung vergaß, aus Gefuͤhlloſigkeit gegen ihre Wuͤrde, nicht aus Unwillen uͤber ihre Entweihung durch Unwuͤrdige: eine ſolche Stadt iſt in der Geſchichte gerich- tet. Aber wir muͤſſen nicht verſchweigen daß die bilden- den Kuͤnſte in Kampanien die Hoͤhe griechiſcher Vortreff- lichkeit erlangt hatten: weder die Gemaͤhlde noch Muͤnzen ſtehen griechiſcher Kunſt nach: die Kuͤnſtler hatten das Idealiſche gefaßt, dem die Etrusker ſtets fremd blieben: ſie arbeiteten groß und leicht; die mechaniſche Ausfuͤhrung iſt ſo vortrefflich als das gedachte Bild, welches der Kuͤnſt- ler aus ſeiner Seele darzuſtellen ſtrebte. Der Gebrauch der griechiſchen Sprache auf den Muͤnzen beweißt eine ganz allgemeine Kenntniß, und die griechiſche Mytholo- gie der Kunſtwerke laͤßt auf Vertraulichkeit mit der Poeſie Griechenlands unfehlbar ſchließen: aber dieſe Litteratur war nur eingeimpft, und es hat ſich auch nicht das leiſeſte Andenken irgend eines kampaniſchen Dichters oder Schriftſtellers in griechiſcher Sprache erhalten, ob- gleich es gewiß daran nicht fehlte. An eigenthuͤmlicher Litteratur hatten ſie burleske Komoͤdien, die Atellanen, welche gewoͤhnlich improviſirt geworden zu ſeyn ſchei- nen, und an deren Darſtellungen, Nachahmungen oder Ueberſetzungen, das roͤmiſche Publicum lebhaftes Wohl- gefallen hatte.
Allerdings bedeutet der Nahme Kampaner, Buͤrger von Kapua: aber auf die Stadt iſt er nicht eingeſchraͤnkt. Eine Landſchaft Kampanien hatte ſchon das damalige Ita- lien, freylich in weit engeren Graͤnzen als die zu denen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0502"n="486"/>
brauchte: in der das Volk ſo ſchamlos aller Achtung ge-<lb/>
gen die Regierung vergaß, aus Gefuͤhlloſigkeit gegen ihre<lb/>
Wuͤrde, nicht aus Unwillen uͤber ihre Entweihung durch<lb/>
Unwuͤrdige: eine ſolche Stadt iſt in der Geſchichte gerich-<lb/>
tet. Aber wir muͤſſen nicht verſchweigen daß die bilden-<lb/>
den Kuͤnſte in Kampanien die Hoͤhe griechiſcher Vortreff-<lb/>
lichkeit erlangt hatten: weder die Gemaͤhlde noch Muͤnzen<lb/>ſtehen griechiſcher Kunſt nach: die Kuͤnſtler hatten das<lb/>
Idealiſche gefaßt, dem die Etrusker ſtets fremd blieben:<lb/>ſie arbeiteten groß und leicht; die mechaniſche Ausfuͤhrung<lb/>
iſt ſo vortrefflich als das gedachte Bild, welches der Kuͤnſt-<lb/>
ler aus ſeiner Seele darzuſtellen ſtrebte. Der Gebrauch<lb/>
der griechiſchen Sprache auf den Muͤnzen beweißt eine<lb/>
ganz allgemeine Kenntniß, und die griechiſche Mytholo-<lb/>
gie der Kunſtwerke laͤßt auf Vertraulichkeit mit der Poeſie<lb/>
Griechenlands unfehlbar ſchließen: aber dieſe Litteratur<lb/>
war nur eingeimpft, und es hat ſich auch nicht das<lb/>
leiſeſte Andenken irgend eines kampaniſchen Dichters<lb/>
oder Schriftſtellers in griechiſcher Sprache erhalten, ob-<lb/>
gleich es gewiß daran nicht fehlte. An eigenthuͤmlicher<lb/>
Litteratur hatten ſie burleske Komoͤdien, die Atellanen,<lb/>
welche gewoͤhnlich improviſirt geworden zu ſeyn ſchei-<lb/>
nen, und an deren Darſtellungen, Nachahmungen oder<lb/>
Ueberſetzungen, das roͤmiſche Publicum lebhaftes Wohl-<lb/>
gefallen hatte.</p><lb/><p>Allerdings bedeutet der Nahme Kampaner, Buͤrger<lb/>
von Kapua: aber auf die Stadt iſt er nicht eingeſchraͤnkt.<lb/>
Eine Landſchaft Kampanien hatte ſchon das damalige Ita-<lb/>
lien, freylich in weit engeren Graͤnzen als die zu denen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[486/0502]
brauchte: in der das Volk ſo ſchamlos aller Achtung ge-
gen die Regierung vergaß, aus Gefuͤhlloſigkeit gegen ihre
Wuͤrde, nicht aus Unwillen uͤber ihre Entweihung durch
Unwuͤrdige: eine ſolche Stadt iſt in der Geſchichte gerich-
tet. Aber wir muͤſſen nicht verſchweigen daß die bilden-
den Kuͤnſte in Kampanien die Hoͤhe griechiſcher Vortreff-
lichkeit erlangt hatten: weder die Gemaͤhlde noch Muͤnzen
ſtehen griechiſcher Kunſt nach: die Kuͤnſtler hatten das
Idealiſche gefaßt, dem die Etrusker ſtets fremd blieben:
ſie arbeiteten groß und leicht; die mechaniſche Ausfuͤhrung
iſt ſo vortrefflich als das gedachte Bild, welches der Kuͤnſt-
ler aus ſeiner Seele darzuſtellen ſtrebte. Der Gebrauch
der griechiſchen Sprache auf den Muͤnzen beweißt eine
ganz allgemeine Kenntniß, und die griechiſche Mytholo-
gie der Kunſtwerke laͤßt auf Vertraulichkeit mit der Poeſie
Griechenlands unfehlbar ſchließen: aber dieſe Litteratur
war nur eingeimpft, und es hat ſich auch nicht das
leiſeſte Andenken irgend eines kampaniſchen Dichters
oder Schriftſtellers in griechiſcher Sprache erhalten, ob-
gleich es gewiß daran nicht fehlte. An eigenthuͤmlicher
Litteratur hatten ſie burleske Komoͤdien, die Atellanen,
welche gewoͤhnlich improviſirt geworden zu ſeyn ſchei-
nen, und an deren Darſtellungen, Nachahmungen oder
Ueberſetzungen, das roͤmiſche Publicum lebhaftes Wohl-
gefallen hatte.
Allerdings bedeutet der Nahme Kampaner, Buͤrger
von Kapua: aber auf die Stadt iſt er nicht eingeſchraͤnkt.
Eine Landſchaft Kampanien hatte ſchon das damalige Ita-
lien, freylich in weit engeren Graͤnzen als die zu denen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/502>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.