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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Mit diesen Kräften konnten die Römer eine Schlacht
wagen, die noch immer nichts weniger als gewissen
Sieg verhieß. Die Herniker waren ihnen gleich an
Muth und Kriegszucht: ihre Anstrengungen waren die
eines kleinen Volks welches jede Kraft die es aufbie-
ten kann aufs äußerste entwickelt. In ihrer Schlacht-
ordnung standen acht Cohorten, jede von vierhundert
Mann, ihre erlesenste Jugend; diese dienten mit dop-
peltem Sold und verheissener Befreyung von fernern
Heerdiensten, wenn dieser größte Krieg geendigt seyn
würde. Sie erfüllten, so weit ihre Kräfte hinreichten,
den Auftrag und das Vertrauen des Vaterlands: den-
noch mußte sich das Heer zuletzt überwältigt zurückzie-
hen; am folgenden Tage auch sein Lager verlassen.
Den Sieg zu verfolgen wehrte den Römern ihr großer
Verlust; der vierte Theil der Ihrigen war gefallen, und
darunter viele der ersten Jünglinge der Nation: denn
die Ritter hatten absitzen müssen, um den Cohorten der
Herniker auch Roms Blüthe entgegenzustellen. Aber der
nächste Feldzug (394) brachte über die Herniker alle
Folgen der unglücklichen Schlacht: das platte Land ward
verheert, Ferentinum gewonnen: vermuthlich durch
Vertrag, denn diese Felsenmauern könnten wohl unserm
Geschütz trotzen.

Wahrscheinlich im Gefühl eigner Gefahr, erklärten
sich die Tiburter jetzt für die Herniker; wenigstens ge-
nügte Verweigerung des Durchmarsches durch ihre Stadt
den Römern als feindselige Handlung. Eine Zeitlang
verschwinden diese Kriege in einem größeren, seit der

Mit dieſen Kraͤften konnten die Roͤmer eine Schlacht
wagen, die noch immer nichts weniger als gewiſſen
Sieg verhieß. Die Herniker waren ihnen gleich an
Muth und Kriegszucht: ihre Anſtrengungen waren die
eines kleinen Volks welches jede Kraft die es aufbie-
ten kann aufs aͤußerſte entwickelt. In ihrer Schlacht-
ordnung ſtanden acht Cohorten, jede von vierhundert
Mann, ihre erleſenſte Jugend; dieſe dienten mit dop-
peltem Sold und verheiſſener Befreyung von fernern
Heerdienſten, wenn dieſer groͤßte Krieg geendigt ſeyn
wuͤrde. Sie erfuͤllten, ſo weit ihre Kraͤfte hinreichten,
den Auftrag und das Vertrauen des Vaterlands: den-
noch mußte ſich das Heer zuletzt uͤberwaͤltigt zuruͤckzie-
hen; am folgenden Tage auch ſein Lager verlaſſen.
Den Sieg zu verfolgen wehrte den Roͤmern ihr großer
Verluſt; der vierte Theil der Ihrigen war gefallen, und
darunter viele der erſten Juͤnglinge der Nation: denn
die Ritter hatten abſitzen muͤſſen, um den Cohorten der
Herniker auch Roms Bluͤthe entgegenzuſtellen. Aber der
naͤchſte Feldzug (394) brachte uͤber die Herniker alle
Folgen der ungluͤcklichen Schlacht: das platte Land ward
verheert, Ferentinum gewonnen: vermuthlich durch
Vertrag, denn dieſe Felſenmauern koͤnnten wohl unſerm
Geſchuͤtz trotzen.

Wahrſcheinlich im Gefuͤhl eigner Gefahr, erklaͤrten
ſich die Tiburter jetzt fuͤr die Herniker; wenigſtens ge-
nuͤgte Verweigerung des Durchmarſches durch ihre Stadt
den Roͤmern als feindſelige Handlung. Eine Zeitlang
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[462/0478] Mit dieſen Kraͤften konnten die Roͤmer eine Schlacht wagen, die noch immer nichts weniger als gewiſſen Sieg verhieß. Die Herniker waren ihnen gleich an Muth und Kriegszucht: ihre Anſtrengungen waren die eines kleinen Volks welches jede Kraft die es aufbie- ten kann aufs aͤußerſte entwickelt. In ihrer Schlacht- ordnung ſtanden acht Cohorten, jede von vierhundert Mann, ihre erleſenſte Jugend; dieſe dienten mit dop- peltem Sold und verheiſſener Befreyung von fernern Heerdienſten, wenn dieſer groͤßte Krieg geendigt ſeyn wuͤrde. Sie erfuͤllten, ſo weit ihre Kraͤfte hinreichten, den Auftrag und das Vertrauen des Vaterlands: den- noch mußte ſich das Heer zuletzt uͤberwaͤltigt zuruͤckzie- hen; am folgenden Tage auch ſein Lager verlaſſen. Den Sieg zu verfolgen wehrte den Roͤmern ihr großer Verluſt; der vierte Theil der Ihrigen war gefallen, und darunter viele der erſten Juͤnglinge der Nation: denn die Ritter hatten abſitzen muͤſſen, um den Cohorten der Herniker auch Roms Bluͤthe entgegenzuſtellen. Aber der naͤchſte Feldzug (394) brachte uͤber die Herniker alle Folgen der ungluͤcklichen Schlacht: das platte Land ward verheert, Ferentinum gewonnen: vermuthlich durch Vertrag, denn dieſe Felſenmauern koͤnnten wohl unſerm Geſchuͤtz trotzen. Wahrſcheinlich im Gefuͤhl eigner Gefahr, erklaͤrten ſich die Tiburter jetzt fuͤr die Herniker; wenigſtens ge- nuͤgte Verweigerung des Durchmarſches durch ihre Stadt den Roͤmern als feindſelige Handlung. Eine Zeitlang verſchwinden dieſe Kriege in einem groͤßeren, ſeit der

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/478>, abgerufen am 22.11.2024.