Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.Riesen überwand und tödtete, welcher höhnend aus den Für diese Dichtung suchten die Annalisten einen Zeit- 37) Dies ist treu wiedergegeben Livius Erzählung. Auch
hier zeigt dieser dichterische Geist Ehrerbietung für die alte Sage, ihre poetischen Züge sorgsam hervorhebend, weit entfernt sie zu historischer Möglichkeit abzustumpfen: wie es von dem ein Jahrhundert älteren Annalisten Q. Claudius geschehen war, dessen höchst nüchterne Erzählung Gellius mit gemachter Bewunderung abschreibt: IX. c. 13. Aller Völker alte Poesie redet von Riesen: es ist nicht bloß ein nordisches Gespenst. Selbst der Ilias Heroen werden als Riesen angedeutet: nicht vor den Blick geführt, wel- ches, gewiß nach Cyklikern, Quintus sehr roh thut. -- In der Odyssee sind die Helden unseres Geschlechts: Polyphemus verachtet den Zwerg Odysseus. Rieſen uͤberwand und toͤdtete, welcher hoͤhnend aus den Fuͤr dieſe Dichtung ſuchten die Annaliſten einen Zeit- 37) Dies iſt treu wiedergegeben Livius Erzaͤhlung. Auch
hier zeigt dieſer dichteriſche Geiſt Ehrerbietung fuͤr die alte Sage, ihre poetiſchen Zuͤge ſorgſam hervorhebend, weit entfernt ſie zu hiſtoriſcher Moͤglichkeit abzuſtumpfen: wie es von dem ein Jahrhundert aͤlteren Annaliſten Q. Claudius geſchehen war, deſſen hoͤchſt nuͤchterne Erzaͤhlung Gellius mit gemachter Bewunderung abſchreibt: IX. c. 13. Aller Voͤlker alte Poeſie redet von Rieſen: es iſt nicht bloß ein nordiſches Geſpenſt. Selbſt der Ilias Heroen werden als Rieſen angedeutet: nicht vor den Blick gefuͤhrt, wel- ches, gewiß nach Cyklikern, Quintus ſehr roh thut. — In der Odyſſee ſind die Helden unſeres Geſchlechts: Polyphemus verachtet den Zwerg Odyſſeus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0472" n="456"/> Rieſen uͤberwand und toͤdtete, welcher hoͤhnend aus den<lb/> galliſchen Reihen hervortrat und einen roͤmiſchen Ritter<lb/> forderte: einen Rieſen, nach des Worts eigentlichſter<lb/> Bedeutung in den Sagen und Dichtungen, nicht einen<lb/> nur vor dem gewoͤhnlichen Menſchengeſchlecht durch Lei-<lb/> besgroͤße Ausgezeichneten. Die Sage lautet daß der roͤ-<lb/> miſche Kaͤmpfer dem gewaltigen Schwerdſtreich ſeines<lb/> Gegners gewandt auswich, mit ſeinem Schild den unter-<lb/> ſten Rand des großen galliſchen Schilds in die Hoͤhe ſtieß,<lb/> hinter ihn trat, und ſo, durch die Naͤhe geſchuͤtzt, das<lb/> Ungeheuer mit dem Schwerd anfiel. Er durchſtach ihm<lb/> Weichen und Wanſt; ſo hoch ragte der Rieſe uͤber ihm<lb/> wie ein Fels: als er ſtuͤrzte, deckte der Leichnam einen ge-<lb/> waltigen Raum gleich dem homeriſchen Ares. Der Sie-<lb/> ger gewann ſich die goldene Halskette des Erſchlagenen,<lb/> und davon den Beynahmen Torquatus <note place="foot" n="37)">Dies iſt treu wiedergegeben Livius Erzaͤhlung. Auch<lb/> hier zeigt dieſer dichteriſche Geiſt Ehrerbietung fuͤr die alte<lb/> Sage, ihre poetiſchen Zuͤge ſorgſam hervorhebend, weit<lb/> entfernt ſie zu hiſtoriſcher Moͤglichkeit abzuſtumpfen: wie es<lb/> von dem ein Jahrhundert aͤlteren Annaliſten Q. Claudius<lb/> geſchehen war, deſſen hoͤchſt nuͤchterne Erzaͤhlung Gellius<lb/> mit gemachter Bewunderung abſchreibt: <hi rendition="#aq">IX. c.</hi> 13.<lb/> Aller Voͤlker alte Poeſie redet von Rieſen: es iſt nicht bloß<lb/> ein nordiſches Geſpenſt. Selbſt der Ilias Heroen werden<lb/> als Rieſen angedeutet: nicht vor den Blick gefuͤhrt, wel-<lb/> ches, gewiß nach Cyklikern, Quintus ſehr roh thut. — In<lb/> der Odyſſee ſind die Helden unſeres Geſchlechts: Polyphemus<lb/> verachtet den Zwerg Odyſſeus.</note>.</p><lb/> <p>Fuͤr dieſe Dichtung ſuchten die Annaliſten einen Zeit-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [456/0472]
Rieſen uͤberwand und toͤdtete, welcher hoͤhnend aus den
galliſchen Reihen hervortrat und einen roͤmiſchen Ritter
forderte: einen Rieſen, nach des Worts eigentlichſter
Bedeutung in den Sagen und Dichtungen, nicht einen
nur vor dem gewoͤhnlichen Menſchengeſchlecht durch Lei-
besgroͤße Ausgezeichneten. Die Sage lautet daß der roͤ-
miſche Kaͤmpfer dem gewaltigen Schwerdſtreich ſeines
Gegners gewandt auswich, mit ſeinem Schild den unter-
ſten Rand des großen galliſchen Schilds in die Hoͤhe ſtieß,
hinter ihn trat, und ſo, durch die Naͤhe geſchuͤtzt, das
Ungeheuer mit dem Schwerd anfiel. Er durchſtach ihm
Weichen und Wanſt; ſo hoch ragte der Rieſe uͤber ihm
wie ein Fels: als er ſtuͤrzte, deckte der Leichnam einen ge-
waltigen Raum gleich dem homeriſchen Ares. Der Sie-
ger gewann ſich die goldene Halskette des Erſchlagenen,
und davon den Beynahmen Torquatus 37).
Fuͤr dieſe Dichtung ſuchten die Annaliſten einen Zeit-
37) Dies iſt treu wiedergegeben Livius Erzaͤhlung. Auch
hier zeigt dieſer dichteriſche Geiſt Ehrerbietung fuͤr die alte
Sage, ihre poetiſchen Zuͤge ſorgſam hervorhebend, weit
entfernt ſie zu hiſtoriſcher Moͤglichkeit abzuſtumpfen: wie es
von dem ein Jahrhundert aͤlteren Annaliſten Q. Claudius
geſchehen war, deſſen hoͤchſt nuͤchterne Erzaͤhlung Gellius
mit gemachter Bewunderung abſchreibt: IX. c. 13.
Aller Voͤlker alte Poeſie redet von Rieſen: es iſt nicht bloß
ein nordiſches Geſpenſt. Selbſt der Ilias Heroen werden
als Rieſen angedeutet: nicht vor den Blick gefuͤhrt, wel-
ches, gewiß nach Cyklikern, Quintus ſehr roh thut. — In
der Odyſſee ſind die Helden unſeres Geſchlechts: Polyphemus
verachtet den Zwerg Odyſſeus.
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