Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

gen sie aus, geführt von dem Dictator M. Valerius
Corvus.

Die Heere hätten, zur ersten Bürgerschlacht gerü-
stet, sich gegenüber gestanden; da wären alle Herzen
weich geworden, in allen sey Sehnsucht nach Aussöh-
nung erwacht. Der Dictator, dem Volke hold und treu,
wie es einem Manne seines Geschlechts eignete, habe
Frieden angeboten: auf ihres Feldherrn Rath hätten
auch die Empörer beschlossen sich einem Valerius ganz
zu vertrauen. Mit diesem Trost sey der Dictator nach
Rom zurückgegangen, und nach seinem Antrag habe die
Volksgemeinde den Soldaten Straflosigkeit und allge-
meine Vergessenheit gewährt; auch in Scherz noch Ernst
nie einem Schuldigen den Aufstand vorzuwerfen, dem
Dictator zugesagt. Hierauf wäre ein Kriegsgesetz an-
genommen und beschworen worden, daß kein Soldat wi-
der seinen Willen von der Musterrolle ausgestrichen, und
keiner der schon als Tribun gedient, nachher als Haupt-
mann angestellt werden solle.

Auch hier ahndet Livius nicht wie ihn thörichte An-
nalisten irre führen. Mit diesem Gesetz sollen es die
Empörer gegen einen Offizier L. Salonius gemeint ha-
ben, der sich von ihrem Verbrechen rein gehalten hätte:
dieser sey in abwechselnden Jahren Tribun und Haupt-
mann eines Manipels gewesen. Das letzte durch Ernen-
nung vom Consul: jenes durch seine oder des Volkes
Wahl. Aber ein römischer Hauptmann war eigentlich
nicht Offizier, kaum der Primipilus: und so war es
nicht minder empfindlich für den welcher schon Tribun

gen ſie aus, gefuͤhrt von dem Dictator M. Valerius
Corvus.

Die Heere haͤtten, zur erſten Buͤrgerſchlacht geruͤ-
ſtet, ſich gegenuͤber geſtanden; da waͤren alle Herzen
weich geworden, in allen ſey Sehnſucht nach Ausſoͤh-
nung erwacht. Der Dictator, dem Volke hold und treu,
wie es einem Manne ſeines Geſchlechts eignete, habe
Frieden angeboten: auf ihres Feldherrn Rath haͤtten
auch die Empoͤrer beſchloſſen ſich einem Valerius ganz
zu vertrauen. Mit dieſem Troſt ſey der Dictator nach
Rom zuruͤckgegangen, und nach ſeinem Antrag habe die
Volksgemeinde den Soldaten Strafloſigkeit und allge-
meine Vergeſſenheit gewaͤhrt; auch in Scherz noch Ernſt
nie einem Schuldigen den Aufſtand vorzuwerfen, dem
Dictator zugeſagt. Hierauf waͤre ein Kriegsgeſetz an-
genommen und beſchworen worden, daß kein Soldat wi-
der ſeinen Willen von der Muſterrolle ausgeſtrichen, und
keiner der ſchon als Tribun gedient, nachher als Haupt-
mann angeſtellt werden ſolle.

Auch hier ahndet Livius nicht wie ihn thoͤrichte An-
naliſten irre fuͤhren. Mit dieſem Geſetz ſollen es die
Empoͤrer gegen einen Offizier L. Salonius gemeint ha-
ben, der ſich von ihrem Verbrechen rein gehalten haͤtte:
dieſer ſey in abwechſelnden Jahren Tribun und Haupt-
mann eines Manipels geweſen. Das letzte durch Ernen-
nung vom Conſul: jenes durch ſeine oder des Volkes
Wahl. Aber ein roͤmiſcher Hauptmann war eigentlich
nicht Offizier, kaum der Primipilus: und ſo war es
nicht minder empfindlich fuͤr den welcher ſchon Tribun

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0461" n="445"/>
gen &#x017F;ie aus, gefu&#x0364;hrt von dem Dictator M. Valerius<lb/>
Corvus.</p><lb/>
        <p>Die Heere ha&#x0364;tten, zur er&#x017F;ten Bu&#x0364;rger&#x017F;chlacht geru&#x0364;-<lb/>
&#x017F;tet, &#x017F;ich gegenu&#x0364;ber ge&#x017F;tanden; da wa&#x0364;ren alle Herzen<lb/>
weich geworden, in allen &#x017F;ey Sehn&#x017F;ucht nach Aus&#x017F;o&#x0364;h-<lb/>
nung erwacht. Der Dictator, dem Volke hold und treu,<lb/>
wie es einem Manne &#x017F;eines Ge&#x017F;chlechts eignete, habe<lb/>
Frieden angeboten: auf ihres Feldherrn Rath ha&#x0364;tten<lb/>
auch die Empo&#x0364;rer be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich einem Valerius ganz<lb/>
zu vertrauen. Mit die&#x017F;em Tro&#x017F;t &#x017F;ey der Dictator nach<lb/>
Rom zuru&#x0364;ckgegangen, und nach &#x017F;einem Antrag habe die<lb/>
Volksgemeinde den Soldaten Straflo&#x017F;igkeit und allge-<lb/>
meine Verge&#x017F;&#x017F;enheit gewa&#x0364;hrt; auch in Scherz noch Ern&#x017F;t<lb/>
nie einem Schuldigen den Auf&#x017F;tand vorzuwerfen, dem<lb/>
Dictator zuge&#x017F;agt. Hierauf wa&#x0364;re ein Kriegsge&#x017F;etz an-<lb/>
genommen und be&#x017F;chworen worden, daß kein Soldat wi-<lb/>
der &#x017F;einen Willen von der Mu&#x017F;terrolle ausge&#x017F;trichen, und<lb/>
keiner der &#x017F;chon als Tribun gedient, nachher als Haupt-<lb/>
mann ange&#x017F;tellt werden &#x017F;olle.</p><lb/>
        <p>Auch hier ahndet Livius nicht wie ihn tho&#x0364;richte An-<lb/>
nali&#x017F;ten irre fu&#x0364;hren. Mit die&#x017F;em Ge&#x017F;etz &#x017F;ollen es die<lb/>
Empo&#x0364;rer gegen einen Offizier L. Salonius gemeint ha-<lb/>
ben, der &#x017F;ich von ihrem Verbrechen rein gehalten ha&#x0364;tte:<lb/>
die&#x017F;er &#x017F;ey in abwech&#x017F;elnden Jahren Tribun und Haupt-<lb/>
mann eines Manipels gewe&#x017F;en. Das letzte durch Ernen-<lb/>
nung vom Con&#x017F;ul: jenes durch &#x017F;eine oder des Volkes<lb/>
Wahl. Aber ein ro&#x0364;mi&#x017F;cher Hauptmann war eigentlich<lb/>
nicht Offizier, kaum der Primipilus: und &#x017F;o war es<lb/>
nicht minder empfindlich fu&#x0364;r den welcher &#x017F;chon Tribun<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[445/0461] gen ſie aus, gefuͤhrt von dem Dictator M. Valerius Corvus. Die Heere haͤtten, zur erſten Buͤrgerſchlacht geruͤ- ſtet, ſich gegenuͤber geſtanden; da waͤren alle Herzen weich geworden, in allen ſey Sehnſucht nach Ausſoͤh- nung erwacht. Der Dictator, dem Volke hold und treu, wie es einem Manne ſeines Geſchlechts eignete, habe Frieden angeboten: auf ihres Feldherrn Rath haͤtten auch die Empoͤrer beſchloſſen ſich einem Valerius ganz zu vertrauen. Mit dieſem Troſt ſey der Dictator nach Rom zuruͤckgegangen, und nach ſeinem Antrag habe die Volksgemeinde den Soldaten Strafloſigkeit und allge- meine Vergeſſenheit gewaͤhrt; auch in Scherz noch Ernſt nie einem Schuldigen den Aufſtand vorzuwerfen, dem Dictator zugeſagt. Hierauf waͤre ein Kriegsgeſetz an- genommen und beſchworen worden, daß kein Soldat wi- der ſeinen Willen von der Muſterrolle ausgeſtrichen, und keiner der ſchon als Tribun gedient, nachher als Haupt- mann angeſtellt werden ſolle. Auch hier ahndet Livius nicht wie ihn thoͤrichte An- naliſten irre fuͤhren. Mit dieſem Geſetz ſollen es die Empoͤrer gegen einen Offizier L. Salonius gemeint ha- ben, der ſich von ihrem Verbrechen rein gehalten haͤtte: dieſer ſey in abwechſelnden Jahren Tribun und Haupt- mann eines Manipels geweſen. Das letzte durch Ernen- nung vom Conſul: jenes durch ſeine oder des Volkes Wahl. Aber ein roͤmiſcher Hauptmann war eigentlich nicht Offizier, kaum der Primipilus: und ſo war es nicht minder empfindlich fuͤr den welcher ſchon Tribun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/461
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/461>, abgerufen am 22.11.2024.