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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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von den Volkstribunen gezwungen ward abzudanken 61):
wahrscheinlich ebenfalls durch Androhung einer Mult.
Auch war der Volksbeschluß keineswegs verfassungswi-
drig. Camillus konnte als Dictator handeln, wenn er sich
gefaßt machte nach dem Umlauf seiner Zeit die verord-
nete Buße zu erlegen.

Dem Greisen gab der Senat P. Manlius zum Nach-
folger: aber so sehr hatten sich schon die Verhältnisse ver-
ändert, daß dieser, entweder der Sache wohlwollend,
oder um zu versöhnen, einen ihm und dem Gesetzgeber
verwandten Plebejer, C. Licinius Calvus, zum Obersten
der Ritter ernannte. Damals scheint ein Versuch unter-
nommen zu seyn einen Vergleich zu stiften 62): der Se-
nat, scheint es, zeigte sich willig alles, nur nicht das ple-
bejische Consulat, zu bewilligen: es mochte leicht scheinen,
so lange nur dieses vereitelt war, das Volk durch einige
wirkliche Gewährungen zu besänftigen; es dann zu täu-
schen und ihm das alte Joch aufzulegen: daß eben da-
durch zuletzt eine blutige Empörung erregt werden müsse,
scheinen die Patricier nicht geahndet oder geachtet zu ha-
ben. Ist es auch wahr daß das Volk, welches früher un-
zweydeutig allen Rogationen hold gewesen war, jetzt, da
der Dictator Manlius die Volksgemeinde nicht hinderte,
nur für die ihm unmittelbar vortheilhaften Rogationen,
das Ackergesetz und das Schuldengesetz, stimmte 63), so
war dies wohl gewiß nur Folge des Verlangens endlich
das der Menge nächste und wichtigste Ziel und Ruhe zu

61) Livius VII. c. 3.
62) Dio Fragm. 33. ed. Reim.
63) Livius VI. c. 39.

von den Volkstribunen gezwungen ward abzudanken 61):
wahrſcheinlich ebenfalls durch Androhung einer Mult.
Auch war der Volksbeſchluß keineswegs verfaſſungswi-
drig. Camillus konnte als Dictator handeln, wenn er ſich
gefaßt machte nach dem Umlauf ſeiner Zeit die verord-
nete Buße zu erlegen.

Dem Greiſen gab der Senat P. Manlius zum Nach-
folger: aber ſo ſehr hatten ſich ſchon die Verhaͤltniſſe ver-
aͤndert, daß dieſer, entweder der Sache wohlwollend,
oder um zu verſoͤhnen, einen ihm und dem Geſetzgeber
verwandten Plebejer, C. Licinius Calvus, zum Oberſten
der Ritter ernannte. Damals ſcheint ein Verſuch unter-
nommen zu ſeyn einen Vergleich zu ſtiften 62): der Se-
nat, ſcheint es, zeigte ſich willig alles, nur nicht das ple-
bejiſche Conſulat, zu bewilligen: es mochte leicht ſcheinen,
ſo lange nur dieſes vereitelt war, das Volk durch einige
wirkliche Gewaͤhrungen zu beſaͤnftigen; es dann zu taͤu-
ſchen und ihm das alte Joch aufzulegen: daß eben da-
durch zuletzt eine blutige Empoͤrung erregt werden muͤſſe,
ſcheinen die Patricier nicht geahndet oder geachtet zu ha-
ben. Iſt es auch wahr daß das Volk, welches fruͤher un-
zweydeutig allen Rogationen hold geweſen war, jetzt, da
der Dictator Manlius die Volksgemeinde nicht hinderte,
nur fuͤr die ihm unmittelbar vortheilhaften Rogationen,
das Ackergeſetz und das Schuldengeſetz, ſtimmte 63), ſo
war dies wohl gewiß nur Folge des Verlangens endlich
das der Menge naͤchſte und wichtigſte Ziel und Ruhe zu

61) Livius VII. c. 3.
62) Dio Fragm. 33. ed. Reim.
63) Livius VI. c. 39.
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[411/0427] von den Volkstribunen gezwungen ward abzudanken 61): wahrſcheinlich ebenfalls durch Androhung einer Mult. Auch war der Volksbeſchluß keineswegs verfaſſungswi- drig. Camillus konnte als Dictator handeln, wenn er ſich gefaßt machte nach dem Umlauf ſeiner Zeit die verord- nete Buße zu erlegen. Dem Greiſen gab der Senat P. Manlius zum Nach- folger: aber ſo ſehr hatten ſich ſchon die Verhaͤltniſſe ver- aͤndert, daß dieſer, entweder der Sache wohlwollend, oder um zu verſoͤhnen, einen ihm und dem Geſetzgeber verwandten Plebejer, C. Licinius Calvus, zum Oberſten der Ritter ernannte. Damals ſcheint ein Verſuch unter- nommen zu ſeyn einen Vergleich zu ſtiften 62): der Se- nat, ſcheint es, zeigte ſich willig alles, nur nicht das ple- bejiſche Conſulat, zu bewilligen: es mochte leicht ſcheinen, ſo lange nur dieſes vereitelt war, das Volk durch einige wirkliche Gewaͤhrungen zu beſaͤnftigen; es dann zu taͤu- ſchen und ihm das alte Joch aufzulegen: daß eben da- durch zuletzt eine blutige Empoͤrung erregt werden muͤſſe, ſcheinen die Patricier nicht geahndet oder geachtet zu ha- ben. Iſt es auch wahr daß das Volk, welches fruͤher un- zweydeutig allen Rogationen hold geweſen war, jetzt, da der Dictator Manlius die Volksgemeinde nicht hinderte, nur fuͤr die ihm unmittelbar vortheilhaften Rogationen, das Ackergeſetz und das Schuldengeſetz, ſtimmte 63), ſo war dies wohl gewiß nur Folge des Verlangens endlich das der Menge naͤchſte und wichtigſte Ziel und Ruhe zu 61) Livius VII. c. 3. 62) Dio Fragm. 33. ed. Reim. 63) Livius VI. c. 39.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/427>, abgerufen am 25.11.2024.