Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

kauft wurden. So hatte auch die Kürzung der gezahl-
ten Zinsen keineswegs die Folge welche von einem ähn-
lichen Gesetz bey uns unzertrennlich seyn würde, daß
der Schuldner vielleicht das ganze Capital wegrechnen
könnte. Ich glaube bey der Untersuchung des Unzial-
zinsfußes wahrscheinlich machen zu können, daß das ge-
wöhnliche Zeitmaaß eines Darleihens vor Alters das
zehnmonatliche Jahr gewesen ist: nach dessen Ablauf der
Schuldner, wenn ihm eigene Mittel fehlten, sich einen
neuen Gläubiger 54), natürlich oft für Capital und Zin-
sen, suchen, oder sich mit dem ersten Zinsherrn verei-
nigen mußte. So war der Verlust des Gläubigers am
Capital in den meisten Fällen nicht sehr groß: die Zin-
sen von zwey Jahren wurden ihm allerdings auch ge-
nommen. Die dreijährige Zahlung war der Termin der
auch unverzinslichen Dos, und wie diese drey Jahre
cyclisch waren, so auch ohne Zweifel diese tribunicischen
Fristen.

Sonderbar ist es daß die Tribunen weder die Härte
des alten Schuldrechts milderten, noch Wuchergesetze
einführten. Die ältere Gesetzgebung kann keine enthal-
ten haben, sonst hätten die Tribunen den Schuldnern,
um ihnen aufzuhelfen, nur die vierfache Strafe zu
schenken gebraucht welche der Republik verfallen war:
denn in jener Zeit der Noth war gewiß jedes Geschäft
wucherisch.

Wenigstens die drey Hauptrogationen wurden von
C. Licinius und L. Sextius unter den Militartribunen

54) Festus s. v. Versura.

kauft wurden. So hatte auch die Kuͤrzung der gezahl-
ten Zinſen keineswegs die Folge welche von einem aͤhn-
lichen Geſetz bey uns unzertrennlich ſeyn wuͤrde, daß
der Schuldner vielleicht das ganze Capital wegrechnen
koͤnnte. Ich glaube bey der Unterſuchung des Unzial-
zinsfußes wahrſcheinlich machen zu koͤnnen, daß das ge-
woͤhnliche Zeitmaaß eines Darleihens vor Alters das
zehnmonatliche Jahr geweſen iſt: nach deſſen Ablauf der
Schuldner, wenn ihm eigene Mittel fehlten, ſich einen
neuen Glaͤubiger 54), natuͤrlich oft fuͤr Capital und Zin-
ſen, ſuchen, oder ſich mit dem erſten Zinsherrn verei-
nigen mußte. So war der Verluſt des Glaͤubigers am
Capital in den meiſten Faͤllen nicht ſehr groß: die Zin-
ſen von zwey Jahren wurden ihm allerdings auch ge-
nommen. Die dreijaͤhrige Zahlung war der Termin der
auch unverzinslichen Dos, und wie dieſe drey Jahre
cycliſch waren, ſo auch ohne Zweifel dieſe tribuniciſchen
Friſten.

Sonderbar iſt es daß die Tribunen weder die Haͤrte
des alten Schuldrechts milderten, noch Wuchergeſetze
einfuͤhrten. Die aͤltere Geſetzgebung kann keine enthal-
ten haben, ſonſt haͤtten die Tribunen den Schuldnern,
um ihnen aufzuhelfen, nur die vierfache Strafe zu
ſchenken gebraucht welche der Republik verfallen war:
denn in jener Zeit der Noth war gewiß jedes Geſchaͤft
wucheriſch.

Wenigſtens die drey Hauptrogationen wurden von
C. Licinius und L. Sextius unter den Militartribunen

54) Feſtus s. v. Versura.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0421" n="405"/>
kauft wurden. So hatte auch die Ku&#x0364;rzung der gezahl-<lb/>
ten Zin&#x017F;en keineswegs die Folge welche von einem a&#x0364;hn-<lb/>
lichen Ge&#x017F;etz bey uns unzertrennlich &#x017F;eyn wu&#x0364;rde, daß<lb/>
der Schuldner vielleicht das ganze Capital wegrechnen<lb/>
ko&#x0364;nnte. Ich glaube bey der Unter&#x017F;uchung des Unzial-<lb/>
zinsfußes wahr&#x017F;cheinlich machen zu ko&#x0364;nnen, daß das ge-<lb/>
wo&#x0364;hnliche Zeitmaaß eines Darleihens vor Alters das<lb/>
zehnmonatliche Jahr gewe&#x017F;en i&#x017F;t: nach de&#x017F;&#x017F;en Ablauf der<lb/>
Schuldner, wenn ihm eigene Mittel fehlten, &#x017F;ich einen<lb/>
neuen Gla&#x0364;ubiger <note place="foot" n="54)">Fe&#x017F;tus <hi rendition="#aq">s. v. Versura.</hi></note>, natu&#x0364;rlich oft fu&#x0364;r Capital und Zin-<lb/>
&#x017F;en, &#x017F;uchen, oder &#x017F;ich mit dem er&#x017F;ten Zinsherrn verei-<lb/>
nigen mußte. So war der Verlu&#x017F;t des Gla&#x0364;ubigers am<lb/>
Capital in den mei&#x017F;ten Fa&#x0364;llen nicht &#x017F;ehr groß: die Zin-<lb/>
&#x017F;en von zwey Jahren wurden ihm allerdings auch ge-<lb/>
nommen. Die dreija&#x0364;hrige Zahlung war der Termin der<lb/>
auch unverzinslichen Dos, und wie die&#x017F;e drey Jahre<lb/>
cycli&#x017F;ch waren, &#x017F;o auch ohne Zweifel die&#x017F;e tribunici&#x017F;chen<lb/>
Fri&#x017F;ten.</p><lb/>
        <p>Sonderbar i&#x017F;t es daß die Tribunen weder die Ha&#x0364;rte<lb/>
des alten Schuldrechts milderten, noch Wucherge&#x017F;etze<lb/>
einfu&#x0364;hrten. Die a&#x0364;ltere Ge&#x017F;etzgebung kann keine enthal-<lb/>
ten haben, &#x017F;on&#x017F;t ha&#x0364;tten die Tribunen den Schuldnern,<lb/>
um ihnen aufzuhelfen, nur die vierfache Strafe zu<lb/>
&#x017F;chenken gebraucht welche der Republik verfallen war:<lb/>
denn in jener Zeit der Noth war gewiß jedes Ge&#x017F;cha&#x0364;ft<lb/>
wucheri&#x017F;ch.</p><lb/>
        <p>Wenig&#x017F;tens die drey Hauptrogationen wurden von<lb/>
C. Licinius und L. Sextius unter den Militartribunen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0421] kauft wurden. So hatte auch die Kuͤrzung der gezahl- ten Zinſen keineswegs die Folge welche von einem aͤhn- lichen Geſetz bey uns unzertrennlich ſeyn wuͤrde, daß der Schuldner vielleicht das ganze Capital wegrechnen koͤnnte. Ich glaube bey der Unterſuchung des Unzial- zinsfußes wahrſcheinlich machen zu koͤnnen, daß das ge- woͤhnliche Zeitmaaß eines Darleihens vor Alters das zehnmonatliche Jahr geweſen iſt: nach deſſen Ablauf der Schuldner, wenn ihm eigene Mittel fehlten, ſich einen neuen Glaͤubiger 54), natuͤrlich oft fuͤr Capital und Zin- ſen, ſuchen, oder ſich mit dem erſten Zinsherrn verei- nigen mußte. So war der Verluſt des Glaͤubigers am Capital in den meiſten Faͤllen nicht ſehr groß: die Zin- ſen von zwey Jahren wurden ihm allerdings auch ge- nommen. Die dreijaͤhrige Zahlung war der Termin der auch unverzinslichen Dos, und wie dieſe drey Jahre cycliſch waren, ſo auch ohne Zweifel dieſe tribuniciſchen Friſten. Sonderbar iſt es daß die Tribunen weder die Haͤrte des alten Schuldrechts milderten, noch Wuchergeſetze einfuͤhrten. Die aͤltere Geſetzgebung kann keine enthal- ten haben, ſonſt haͤtten die Tribunen den Schuldnern, um ihnen aufzuhelfen, nur die vierfache Strafe zu ſchenken gebraucht welche der Republik verfallen war: denn in jener Zeit der Noth war gewiß jedes Geſchaͤft wucheriſch. Wenigſtens die drey Hauptrogationen wurden von C. Licinius und L. Sextius unter den Militartribunen 54) Feſtus s. v. Versura.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/421
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/421>, abgerufen am 22.11.2024.