Beziehung auf ihn, ager: was wir in Besitz haben, un- ser Eigenthum aber nicht ist und nicht seyn kann, pos- sessio. So sagt Javolenus 70): eine andere Definition der römischen Possessionen giebt Festus, welche mehrere auszeichnende Merkmahle der Besitzungen im Gemein- lande enthält. Sie werden angegeben als weitläuftige Landgüter, welche nicht durch Mancipation sondern zur Benutzung besessen würden, und nach Willkühr einge- nommen waren 71). Verderbt ist die Erklärung durch den Zusatz privatique: welcher doch wahrscheinlich vom Festus selbst ist: Verrius mag gesagt haben, auch Privat- grundstücke wovon man nur den Usus nicht das Eigenthum habe, würden Possessionen genannt. Richtig: aber die übrigen Bestimmungen der Definition sind den Domai- nengütern eigenthümlich. Eine andere Definition, des Aelius Gallus, faßt die Sache allgemein: Possession sey der Usus von Grundstücken im Gegensatz des Eigen- thums 72).
70)l. 115. D. de V. S. Auch im Gesetz des Rullus wurden agri und possessiones sich entgegengesetzt. Cicero adv. Rul- lum III. c. 2.
71) Festus s. v. Possessiones appellantur agri late patentes publici privatique, quia non mancipatione sed usn tene- bantur, et ut quisque occupaverat collibebat. Die Lesart ist auch am Schluß ganz verdorben, aber der Sinn deutlich.
72) Festus s. v. Possessio. In diesem Sinn ist Lucrezens bekannter Vers: Vitaque mancipio nulli datur, omnibus usu. Das Leben gehört zum Gemeingut der Natur: es wird nie Eigenthum des Besitzers, dem sie es entziehen kann wann
Beziehung auf ihn, ager: was wir in Beſitz haben, un- ſer Eigenthum aber nicht iſt und nicht ſeyn kann, pos- sessio. So ſagt Javolenus 70): eine andere Definition der roͤmiſchen Poſſeſſionen giebt Feſtus, welche mehrere auszeichnende Merkmahle der Beſitzungen im Gemein- lande enthaͤlt. Sie werden angegeben als weitlaͤuftige Landguͤter, welche nicht durch Mancipation ſondern zur Benutzung beſeſſen wuͤrden, und nach Willkuͤhr einge- nommen waren 71). Verderbt iſt die Erklaͤrung durch den Zuſatz privatique: welcher doch wahrſcheinlich vom Feſtus ſelbſt iſt: Verrius mag geſagt haben, auch Privat- grundſtuͤcke wovon man nur den Uſus nicht das Eigenthum habe, wuͤrden Poſſeſſionen genannt. Richtig: aber die uͤbrigen Beſtimmungen der Definition ſind den Domai- nenguͤtern eigenthuͤmlich. Eine andere Definition, des Aelius Gallus, faßt die Sache allgemein: Poſſeſſion ſey der Uſus von Grundſtuͤcken im Gegenſatz des Eigen- thums 72).
70)l. 115. D. de V. S. Auch im Geſetz des Rullus wurden agri und possessiones ſich entgegengeſetzt. Cicero adv. Rul- lum III. c. 2.
71) Feſtus s. v. Possessiones appellantur agri late patentes publici privatique, quia non mancipatione sed usn tene- bantur, et ut quisque occupaverat collibebat. Die Lesart iſt auch am Schluß ganz verdorben, aber der Sinn deutlich.
72) Feſtus s. v. Possessio. In dieſem Sinn iſt Lucrezens bekannter Vers: Vitaque mancipio nulli datur, omnibus usu. Das Leben gehoͤrt zum Gemeingut der Natur: es wird nie Eigenthum des Beſitzers, dem ſie es entziehen kann wann
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Beziehung auf ihn, ager: was wir in Beſitz haben, un-
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der roͤmiſchen Poſſeſſionen giebt Feſtus, welche mehrere
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lande enthaͤlt. Sie werden angegeben als weitlaͤuftige
Landguͤter, welche nicht durch Mancipation ſondern zur
Benutzung beſeſſen wuͤrden, und nach Willkuͤhr einge-
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den Zuſatz privatique: welcher doch wahrſcheinlich vom
Feſtus ſelbſt iſt: Verrius mag geſagt haben, auch Privat-
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habe, wuͤrden Poſſeſſionen genannt. Richtig: aber die
uͤbrigen Beſtimmungen der Definition ſind den Domai-
nenguͤtern eigenthuͤmlich. Eine andere Definition, des
Aelius Gallus, faßt die Sache allgemein: Poſſeſſion ſey
der Uſus von Grundſtuͤcken im Gegenſatz des Eigen-
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70) l. 115. D. de V. S. Auch im Geſetz des Rullus wurden
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lum III. c. 2.
71) Feſtus s. v. Possessiones appellantur agri late patentes
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iſt auch am Schluß ganz verdorben, aber der Sinn deutlich.
72) Feſtus s. v. Possessio. In dieſem Sinn iſt Lucrezens
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Das Leben gehoͤrt zum Gemeingut der Natur: es wird nie
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/376>, abgerufen am 16.02.2025.
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