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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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stellers sind. Andere Stellen von größerer Autorität
konnten den Schein verstärken, aber dieser weicht allent-
halben einer strengeren Erklärung.

Die Nichtigkeit der plutarchischen Nachricht ergiebt
sich aus ihrer Prüfung allein, deren die Unwissenheit
eines griechischen Sophisten kaum würdig ist. Wir wis-
sen wenigstens das gewiß daß die Abgabe vom Ge-
meinland auf eine bestimmte Quote der Erndte festgesetzt
war: so daß allerdings ihr Ertrag, in Hinsicht auf die
Ergiebigkeit und die Getreidepreise während fünf Jahren,
ein Gegenstand der Speculation und des Mehrgebots seyn
konnte, keineswegs aber die Abgabe selbst. Es ist sogar
überflüssig gegen Plutarch zu bemerken, daß der Reiche
welcher einen großen Besitz zu vereinigen sucht, nie so viel
von einem kleinen Grundstück zahlen kann als der Bauer
der mit eigenen Händen arbeitet: und eine Combination
mit eigenem Verlust die Klasse der kleinen Besitzer auszu-
rotten wird man nicht annehmen. Wie vereinigt man
Lustralpacht und einen durch Erbe oder Kauf seit Jahr-
hunderten übertragenen Besitz 57)? Bey der Verpach-
tung des Bodens wäre ferner eine Uebertretung des Maa-
ßes, sobald es einmal vorgeschrieben war, unmöglich ge-
wesen, wenn ein einziger patriotischer Censor die Register
untersuchte. Und welche Vorstellung muß man von dem

57) Cicero de offic. II. c. 22. Quam autem habet aequita-
tem ut agrum multis annis, aut etiam seculis ante pos-
sessum, qui habuit amittat? c. 23. Ut cum ego emerim,
aedificaverim, tuear, impendam, tu, me invito, fruare
meo?
Appian de bell. civil. p. 355. A. B. ed. Steph.

ſtellers ſind. Andere Stellen von groͤßerer Autoritaͤt
konnten den Schein verſtaͤrken, aber dieſer weicht allent-
halben einer ſtrengeren Erklaͤrung.

Die Nichtigkeit der plutarchiſchen Nachricht ergiebt
ſich aus ihrer Pruͤfung allein, deren die Unwiſſenheit
eines griechiſchen Sophiſten kaum wuͤrdig iſt. Wir wiſ-
ſen wenigſtens das gewiß daß die Abgabe vom Ge-
meinland auf eine beſtimmte Quote der Erndte feſtgeſetzt
war: ſo daß allerdings ihr Ertrag, in Hinſicht auf die
Ergiebigkeit und die Getreidepreiſe waͤhrend fuͤnf Jahren,
ein Gegenſtand der Speculation und des Mehrgebots ſeyn
konnte, keineswegs aber die Abgabe ſelbſt. Es iſt ſogar
uͤberfluͤſſig gegen Plutarch zu bemerken, daß der Reiche
welcher einen großen Beſitz zu vereinigen ſucht, nie ſo viel
von einem kleinen Grundſtuͤck zahlen kann als der Bauer
der mit eigenen Haͤnden arbeitet: und eine Combination
mit eigenem Verluſt die Klaſſe der kleinen Beſitzer auszu-
rotten wird man nicht annehmen. Wie vereinigt man
Luſtralpacht und einen durch Erbe oder Kauf ſeit Jahr-
hunderten uͤbertragenen Beſitz 57)? Bey der Verpach-
tung des Bodens waͤre ferner eine Uebertretung des Maa-
ßes, ſobald es einmal vorgeſchrieben war, unmoͤglich ge-
weſen, wenn ein einziger patriotiſcher Cenſor die Regiſter
unterſuchte. Und welche Vorſtellung muß man von dem

57) Cicero de offic. II. c. 22. Quam autem habet æquita-
tem ut agrum multis annis, aut etiam seculis ante pos-
sessum, qui habuit amittat? c. 23. Ut cum ego emerim,
ædificaverim, tuear, impendam, tu, me invito, fruare
meo?
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[354/0370] ſtellers ſind. Andere Stellen von groͤßerer Autoritaͤt konnten den Schein verſtaͤrken, aber dieſer weicht allent- halben einer ſtrengeren Erklaͤrung. Die Nichtigkeit der plutarchiſchen Nachricht ergiebt ſich aus ihrer Pruͤfung allein, deren die Unwiſſenheit eines griechiſchen Sophiſten kaum wuͤrdig iſt. Wir wiſ- ſen wenigſtens das gewiß daß die Abgabe vom Ge- meinland auf eine beſtimmte Quote der Erndte feſtgeſetzt war: ſo daß allerdings ihr Ertrag, in Hinſicht auf die Ergiebigkeit und die Getreidepreiſe waͤhrend fuͤnf Jahren, ein Gegenſtand der Speculation und des Mehrgebots ſeyn konnte, keineswegs aber die Abgabe ſelbſt. Es iſt ſogar uͤberfluͤſſig gegen Plutarch zu bemerken, daß der Reiche welcher einen großen Beſitz zu vereinigen ſucht, nie ſo viel von einem kleinen Grundſtuͤck zahlen kann als der Bauer der mit eigenen Haͤnden arbeitet: und eine Combination mit eigenem Verluſt die Klaſſe der kleinen Beſitzer auszu- rotten wird man nicht annehmen. Wie vereinigt man Luſtralpacht und einen durch Erbe oder Kauf ſeit Jahr- hunderten uͤbertragenen Beſitz 57)? Bey der Verpach- tung des Bodens waͤre ferner eine Uebertretung des Maa- ßes, ſobald es einmal vorgeſchrieben war, unmoͤglich ge- weſen, wenn ein einziger patriotiſcher Cenſor die Regiſter unterſuchte. Und welche Vorſtellung muß man von dem 57) Cicero de offic. II. c. 22. Quam autem habet æquita- tem ut agrum multis annis, aut etiam seculis ante pos- sessum, qui habuit amittat? c. 23. Ut cum ego emerim, ædificaverim, tuear, impendam, tu, me invito, fruare meo? Appian de bell. civil. p. 355. A. B. ed. Steph.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/370>, abgerufen am 22.11.2024.