nere Gluth erlischt nie ganz; und es ist schreyend unge- recht alle Handlungen die, von ihm ausgehend, schön und löblich sind, bey ihnen als Heucheley oder berechne- tes Werk zu brandmarken.
Mit reinen Gefühlen gewiß begann Manlius sich der hülflosen Schuldner zu erbarmen. Er erkannte auf dem Forum einen alten Kriegsgefährten, einen durch vielfache Thaten ausgezeichneten Hauptmann, den der Wucherer, ihm durch Urtheil zugesprochen, gefesselt wegführte. Auf der Stelle zahlte er für ihn die, wenn eine solche Zahlung möglich war, für den Reichen ge- wiß kleine Schuld, und gab ihn den Seinigen wieder. Laut und gränzenlos war die Dankbarkeit des Gerette- ten gegen den der ihm wie ein Engel des Himmels er- schien, als nur schmählicher Tod oder elende Knecht- schaft zum Schluß eines rühmlichen Lebens vor ihm lag. Er erzählte sein Schicksal, worin die meisten der Zu- hörer ihr eigenes erkannten: der Krieg, und die gezwun- gene Herstellung seiner Wohnung hatten ihn in Schulden gestürzt: die Zinsen, zum Capital geschlagen, dieses bald so weit überstiegen daß für ihn jede Möglichkeit der Zahlung verschwunden war. Er enthüllte dem Volk seine rühmlichen Narben aus vielen Kriegen. Er gelobte seinem Retter ewigen Dank und unbedingte Treue. Das ganze Volk war bewegt, Manlius war begeistert. Er verkaufte öffentlich ein Landgut, sein reichstes Erbe, und schwur, so lange ihm noch ein Pfund bleibe werde er nicht dulden daß ein Quirite als Schuldknecht abgeführt werde. Auch hat er das treu gehalten: denn als er auf
nere Gluth erliſcht nie ganz; und es iſt ſchreyend unge- recht alle Handlungen die, von ihm ausgehend, ſchoͤn und loͤblich ſind, bey ihnen als Heucheley oder berechne- tes Werk zu brandmarken.
Mit reinen Gefuͤhlen gewiß begann Manlius ſich der huͤlfloſen Schuldner zu erbarmen. Er erkannte auf dem Forum einen alten Kriegsgefaͤhrten, einen durch vielfache Thaten ausgezeichneten Hauptmann, den der Wucherer, ihm durch Urtheil zugeſprochen, gefeſſelt wegfuͤhrte. Auf der Stelle zahlte er fuͤr ihn die, wenn eine ſolche Zahlung moͤglich war, fuͤr den Reichen ge- wiß kleine Schuld, und gab ihn den Seinigen wieder. Laut und graͤnzenlos war die Dankbarkeit des Gerette- ten gegen den der ihm wie ein Engel des Himmels er- ſchien, als nur ſchmaͤhlicher Tod oder elende Knecht- ſchaft zum Schluß eines ruͤhmlichen Lebens vor ihm lag. Er erzaͤhlte ſein Schickſal, worin die meiſten der Zu- hoͤrer ihr eigenes erkannten: der Krieg, und die gezwun- gene Herſtellung ſeiner Wohnung hatten ihn in Schulden geſtuͤrzt: die Zinſen, zum Capital geſchlagen, dieſes bald ſo weit uͤberſtiegen daß fuͤr ihn jede Moͤglichkeit der Zahlung verſchwunden war. Er enthuͤllte dem Volk ſeine ruͤhmlichen Narben aus vielen Kriegen. Er gelobte ſeinem Retter ewigen Dank und unbedingte Treue. Das ganze Volk war bewegt, Manlius war begeiſtert. Er verkaufte oͤffentlich ein Landgut, ſein reichſtes Erbe, und ſchwur, ſo lange ihm noch ein Pfund bleibe werde er nicht dulden daß ein Quirite als Schuldknecht abgefuͤhrt werde. Auch hat er das treu gehalten: denn als er auf
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nere Gluth erliſcht nie ganz; und es iſt ſchreyend unge-
recht alle Handlungen die, von ihm ausgehend, ſchoͤn
und loͤblich ſind, bey ihnen als Heucheley oder berechne-
tes Werk zu brandmarken.
Mit reinen Gefuͤhlen gewiß begann Manlius ſich
der huͤlfloſen Schuldner zu erbarmen. Er erkannte auf
dem Forum einen alten Kriegsgefaͤhrten, einen durch
vielfache Thaten ausgezeichneten Hauptmann, den der
Wucherer, ihm durch Urtheil zugeſprochen, gefeſſelt
wegfuͤhrte. Auf der Stelle zahlte er fuͤr ihn die, wenn
eine ſolche Zahlung moͤglich war, fuͤr den Reichen ge-
wiß kleine Schuld, und gab ihn den Seinigen wieder.
Laut und graͤnzenlos war die Dankbarkeit des Gerette-
ten gegen den der ihm wie ein Engel des Himmels er-
ſchien, als nur ſchmaͤhlicher Tod oder elende Knecht-
ſchaft zum Schluß eines ruͤhmlichen Lebens vor ihm lag.
Er erzaͤhlte ſein Schickſal, worin die meiſten der Zu-
hoͤrer ihr eigenes erkannten: der Krieg, und die gezwun-
gene Herſtellung ſeiner Wohnung hatten ihn in Schulden
geſtuͤrzt: die Zinſen, zum Capital geſchlagen, dieſes
bald ſo weit uͤberſtiegen daß fuͤr ihn jede Moͤglichkeit
der Zahlung verſchwunden war. Er enthuͤllte dem Volk
ſeine ruͤhmlichen Narben aus vielen Kriegen. Er gelobte
ſeinem Retter ewigen Dank und unbedingte Treue. Das
ganze Volk war bewegt, Manlius war begeiſtert. Er
verkaufte oͤffentlich ein Landgut, ſein reichſtes Erbe, und
ſchwur, ſo lange ihm noch ein Pfund bleibe werde er
nicht dulden daß ein Quirite als Schuldknecht abgefuͤhrt
werde. Auch hat er das treu gehalten: denn als er auf
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/335>, abgerufen am 22.11.2024.
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