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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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gearbeitet: erst im Jahr 377 ward eine neue Mauer
von Werkstücken um die Stadt aufgeführt 70).

Anfangs also waren die Zurückgekehrten, beschäf-
tigt den Schutt aufzuräumen, so unbeschützt gelagert,
und unter nicht minder bitteren Feinden, als die Colo-
nie welche Esra auf die Ruinen der Stadt ihrer Väter
zurückführte. In dieser Lage ist es nicht befremdend
daß die unterwürfigen Orte, daß Städte die so tief
herabgekommen waren oder so lange gehorcht hatten wie
Fidenä und Ficulea, sich empörten, und daß die plötz-
liche Annäherung ihrer Bewaffneten ein panisches Schrek-
ken unter den Römern verbreitet habe, dessen Andenken
in der Solemnität der Volksflucht, an den Ronen des
Quinctilis, zum Trotz aller Geschichtsverfälschung, bis
in Trajans Zeitalter erhalten war.

Varro, welcher den angeblichen Sieg des Camil-
lus verwirft, indem er sagt dies sey nach dem Abzug der
Gallier vorgefallen 71), unterscheidet von dieser Erzäh-
lung, die ihm für vollkommen historisch gilt, eine andre
berühmtere über diese Empörung. Denn er erklärt das
Fest der Nonä Caprotinä, an deren Tage die Populi-
fugia dargestellt ward, aus alter latinischer Religions-
sitte, nicht aus jener von Plutarch und Macrobius er-
zählten Sage 72).


70) Livius VI. c. 32.
71) Post decessum Gallorum. Varro de L. L. V. c. 3.
72) Plutarch Romul. p. 36. D. Camill. p. 145. 146. Ma-
crobius Saturnal. I. c. 71. Der letzte, welcher Plutarchs
philosophische Schriften compilirt hat, schrieb vielleicht hier

gearbeitet: erſt im Jahr 377 ward eine neue Mauer
von Werkſtuͤcken um die Stadt aufgefuͤhrt 70).

Anfangs alſo waren die Zuruͤckgekehrten, beſchaͤf-
tigt den Schutt aufzuraͤumen, ſo unbeſchuͤtzt gelagert,
und unter nicht minder bitteren Feinden, als die Colo-
nie welche Eſra auf die Ruinen der Stadt ihrer Vaͤter
zuruͤckfuͤhrte. In dieſer Lage iſt es nicht befremdend
daß die unterwuͤrfigen Orte, daß Staͤdte die ſo tief
herabgekommen waren oder ſo lange gehorcht hatten wie
Fidenaͤ und Ficulea, ſich empoͤrten, und daß die ploͤtz-
liche Annaͤherung ihrer Bewaffneten ein paniſches Schrek-
ken unter den Roͤmern verbreitet habe, deſſen Andenken
in der Solemnitaͤt der Volksflucht, an den Ronen des
Quinctilis, zum Trotz aller Geſchichtsverfaͤlſchung, bis
in Trajans Zeitalter erhalten war.

Varro, welcher den angeblichen Sieg des Camil-
lus verwirft, indem er ſagt dies ſey nach dem Abzug der
Gallier vorgefallen 71), unterſcheidet von dieſer Erzaͤh-
lung, die ihm fuͤr vollkommen hiſtoriſch gilt, eine andre
beruͤhmtere uͤber dieſe Empoͤrung. Denn er erklaͤrt das
Feſt der Nonaͤ Caprotinaͤ, an deren Tage die Populi-
fugia dargeſtellt ward, aus alter latiniſcher Religions-
ſitte, nicht aus jener von Plutarch und Macrobius er-
zaͤhlten Sage 72).


70) Livius VI. c. 32.
71) Post decessum Gallorum. Varro de L. L. V. c. 3.
72) Plutarch Romul. p. 36. D. Camill. p. 145. 146. Ma-
crobius Saturnal. I. c. 71. Der letzte, welcher Plutarchs
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[285/0301] gearbeitet: erſt im Jahr 377 ward eine neue Mauer von Werkſtuͤcken um die Stadt aufgefuͤhrt 70). Anfangs alſo waren die Zuruͤckgekehrten, beſchaͤf- tigt den Schutt aufzuraͤumen, ſo unbeſchuͤtzt gelagert, und unter nicht minder bitteren Feinden, als die Colo- nie welche Eſra auf die Ruinen der Stadt ihrer Vaͤter zuruͤckfuͤhrte. In dieſer Lage iſt es nicht befremdend daß die unterwuͤrfigen Orte, daß Staͤdte die ſo tief herabgekommen waren oder ſo lange gehorcht hatten wie Fidenaͤ und Ficulea, ſich empoͤrten, und daß die ploͤtz- liche Annaͤherung ihrer Bewaffneten ein paniſches Schrek- ken unter den Roͤmern verbreitet habe, deſſen Andenken in der Solemnitaͤt der Volksflucht, an den Ronen des Quinctilis, zum Trotz aller Geſchichtsverfaͤlſchung, bis in Trajans Zeitalter erhalten war. Varro, welcher den angeblichen Sieg des Camil- lus verwirft, indem er ſagt dies ſey nach dem Abzug der Gallier vorgefallen 71), unterſcheidet von dieſer Erzaͤh- lung, die ihm fuͤr vollkommen hiſtoriſch gilt, eine andre beruͤhmtere uͤber dieſe Empoͤrung. Denn er erklaͤrt das Feſt der Nonaͤ Caprotinaͤ, an deren Tage die Populi- fugia dargeſtellt ward, aus alter latiniſcher Religions- ſitte, nicht aus jener von Plutarch und Macrobius er- zaͤhlten Sage 72). 70) Livius VI. c. 32. 71) Post decessum Gallorum. Varro de L. L. V. c. 3. 72) Plutarch Romul. p. 36. D. Camill. p. 145. 146. Ma- crobius Saturnal. I. c. 71. Der letzte, welcher Plutarchs philoſophiſche Schriften compilirt hat, ſchrieb vielleicht hier

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/301>, abgerufen am 22.11.2024.