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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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nicht alle zurückgewiesen wurden. Ein so kleiner Hügel
konnte wohl nur wenig mehr als tausend Bewaffnete
aufnehmen: neben dem Speisevorrath der für sie aufge-
legt werden mußte.

Sey es auch daß der Entschluß die Greise aufzuopfern
nichts weniger als undenkbar in einer Republik des Alter-
thums gewesen sey; undenkbar, selbst bey dem starrsten
Phlegma, von dem die Römer nicht ganz frey zu spre-
chen sind, und widersinnig über allen Begriff, ist die
Gelassenheit mit der diese Opfer, bewogen durch das
Beyspiel patricischer Greise, ihr Schicksal erwählt ha-
ben sollen. Konnte man auch ihre Entfernung nicht
erleichtern, mußte jeder, wie seine schwachen Kräfte hin-
reichten, sich fortzuschleppen suchen, wußten sie denn
ob ein erwünschter Tod sie schnell erlösen würde: ob sie
nicht als Sklaven, nicht nach ihren Kräften sondern
nach dem Willen ihrer Treiber, fortgeschleppt werden
würden? Haben sich doch, in menschlich geführten Krie-
gen, wo für die zurückbleibenden Verwundeten keine Ge-
fahr als Kriegsgefangenschaft nach der Genesung war,
Verstümmelte und Schwerverwundete, wenn die Hospi-
täler nach einer verlohrnen Schlacht für den der sich
herauszugehen getraute geöffnet wurden, viele Meilen
weit fortgeschleppt, ohne daß auf der Straße Hunger
oder der Anblick sterbend Niedersinkender die übrigen vom
Wege aufhielt? Wollten die Greise sterben, warum be-
setzten sie nicht die Mauern und die Thore? Auch kennt
nur Livius diese allgemeine Resignation. Andre erzähl-
ten: während das ganze übrige Volk sich rettete, hätten

Zweiter Theil. S

nicht alle zuruͤckgewieſen wurden. Ein ſo kleiner Huͤgel
konnte wohl nur wenig mehr als tauſend Bewaffnete
aufnehmen: neben dem Speiſevorrath der fuͤr ſie aufge-
legt werden mußte.

Sey es auch daß der Entſchluß die Greiſe aufzuopfern
nichts weniger als undenkbar in einer Republik des Alter-
thums geweſen ſey; undenkbar, ſelbſt bey dem ſtarrſten
Phlegma, von dem die Roͤmer nicht ganz frey zu ſpre-
chen ſind, und widerſinnig uͤber allen Begriff, iſt die
Gelaſſenheit mit der dieſe Opfer, bewogen durch das
Beyſpiel patriciſcher Greiſe, ihr Schickſal erwaͤhlt ha-
ben ſollen. Konnte man auch ihre Entfernung nicht
erleichtern, mußte jeder, wie ſeine ſchwachen Kraͤfte hin-
reichten, ſich fortzuſchleppen ſuchen, wußten ſie denn
ob ein erwuͤnſchter Tod ſie ſchnell erloͤſen wuͤrde: ob ſie
nicht als Sklaven, nicht nach ihren Kraͤften ſondern
nach dem Willen ihrer Treiber, fortgeſchleppt werden
wuͤrden? Haben ſich doch, in menſchlich gefuͤhrten Krie-
gen, wo fuͤr die zuruͤckbleibenden Verwundeten keine Ge-
fahr als Kriegsgefangenſchaft nach der Geneſung war,
Verſtuͤmmelte und Schwerverwundete, wenn die Hoſpi-
taͤler nach einer verlohrnen Schlacht fuͤr den der ſich
herauszugehen getraute geoͤffnet wurden, viele Meilen
weit fortgeſchleppt, ohne daß auf der Straße Hunger
oder der Anblick ſterbend Niederſinkender die uͤbrigen vom
Wege aufhielt? Wollten die Greiſe ſterben, warum be-
ſetzten ſie nicht die Mauern und die Thore? Auch kennt
nur Livius dieſe allgemeine Reſignation. Andre erzaͤhl-
ten: waͤhrend das ganze uͤbrige Volk ſich rettete, haͤtten

Zweiter Theil. S
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[273/0289] nicht alle zuruͤckgewieſen wurden. Ein ſo kleiner Huͤgel konnte wohl nur wenig mehr als tauſend Bewaffnete aufnehmen: neben dem Speiſevorrath der fuͤr ſie aufge- legt werden mußte. Sey es auch daß der Entſchluß die Greiſe aufzuopfern nichts weniger als undenkbar in einer Republik des Alter- thums geweſen ſey; undenkbar, ſelbſt bey dem ſtarrſten Phlegma, von dem die Roͤmer nicht ganz frey zu ſpre- chen ſind, und widerſinnig uͤber allen Begriff, iſt die Gelaſſenheit mit der dieſe Opfer, bewogen durch das Beyſpiel patriciſcher Greiſe, ihr Schickſal erwaͤhlt ha- ben ſollen. Konnte man auch ihre Entfernung nicht erleichtern, mußte jeder, wie ſeine ſchwachen Kraͤfte hin- reichten, ſich fortzuſchleppen ſuchen, wußten ſie denn ob ein erwuͤnſchter Tod ſie ſchnell erloͤſen wuͤrde: ob ſie nicht als Sklaven, nicht nach ihren Kraͤften ſondern nach dem Willen ihrer Treiber, fortgeſchleppt werden wuͤrden? Haben ſich doch, in menſchlich gefuͤhrten Krie- gen, wo fuͤr die zuruͤckbleibenden Verwundeten keine Ge- fahr als Kriegsgefangenſchaft nach der Geneſung war, Verſtuͤmmelte und Schwerverwundete, wenn die Hoſpi- taͤler nach einer verlohrnen Schlacht fuͤr den der ſich herauszugehen getraute geoͤffnet wurden, viele Meilen weit fortgeſchleppt, ohne daß auf der Straße Hunger oder der Anblick ſterbend Niederſinkender die uͤbrigen vom Wege aufhielt? Wollten die Greiſe ſterben, warum be- ſetzten ſie nicht die Mauern und die Thore? Auch kennt nur Livius dieſe allgemeine Reſignation. Andre erzaͤhl- ten: waͤhrend das ganze uͤbrige Volk ſich rettete, haͤtten Zweiter Theil. S

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/289>, abgerufen am 24.11.2024.