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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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ten Gesandte nach Rom, und forderten die Auslieferung
der Schuldigen. Nach Livius schauderte die Senatoren
vor der Aufopferung befreundeter Männer; doch um die
Verantwortung eines fürchterlichen Kriegs nicht zu tra-
gen -- um diese elende Scheinberuhigung des Bewußt-
seyns war es nur zu thun -- überliessen sie dem Volk
die Entscheidung. Dieses verweigerte nicht nur die Aus-
lieferung: wie zum Trotz erwählte es die drey Gesand-
ten, es waren Fabier und Brüder, zu Proconsulartri-
bunen. Als die Gallier diesen Ausgang ihrer Gesandt-
schaft vernahmen, verliessen sie den clusinischen Krieg
und brachen eilig gegen Rom auf: in so schnellen Mär-
schen daß das römische Heer ihnen kaum elf Millien
von der Stadt am Allia begegnete, wo zwischen beyden
Heeren, wie sie auf einander trafen, die Schlacht be-
gann, deren Andenken und ihres unseligen Tags bis in
die spätesten Tage Roms verwünscht blieb. Das römi-
sche Heer war nicht zahlreicher als zu einem alltäglichen
Kriege ausgehoben.

In dieser ganzen Erzählung ist kein Punkt dem nicht
prüfende Erwägung der Umstände, oder andre Zeugen
widersprächen. Die Schlacht am Allia machte, weil der
Quinctilis damals 29 Tage zählte, den 15ten vor den Sex-
tilkalenden, oder den Tag nach den Iden, verrucht 35);
eine Zeitbestimmung die wir nur sehr uneigentlich durch
den 16ten Julius ausdrücken würden. Für die Critik der
Geschichte aber ist es hinreichend daß die Militartribunen
ihre Würde am ersten Quinctilis antraten, und daß die

35) Gellius V. c. 17. Livius verkennt den alten Calender.

ten Geſandte nach Rom, und forderten die Auslieferung
der Schuldigen. Nach Livius ſchauderte die Senatoren
vor der Aufopferung befreundeter Maͤnner; doch um die
Verantwortung eines fuͤrchterlichen Kriegs nicht zu tra-
gen — um dieſe elende Scheinberuhigung des Bewußt-
ſeyns war es nur zu thun — uͤberlieſſen ſie dem Volk
die Entſcheidung. Dieſes verweigerte nicht nur die Aus-
lieferung: wie zum Trotz erwaͤhlte es die drey Geſand-
ten, es waren Fabier und Bruͤder, zu Proconſulartri-
bunen. Als die Gallier dieſen Ausgang ihrer Geſandt-
ſchaft vernahmen, verlieſſen ſie den cluſiniſchen Krieg
und brachen eilig gegen Rom auf: in ſo ſchnellen Maͤr-
ſchen daß das roͤmiſche Heer ihnen kaum elf Millien
von der Stadt am Allia begegnete, wo zwiſchen beyden
Heeren, wie ſie auf einander trafen, die Schlacht be-
gann, deren Andenken und ihres unſeligen Tags bis in
die ſpaͤteſten Tage Roms verwuͤnſcht blieb. Das roͤmi-
ſche Heer war nicht zahlreicher als zu einem alltaͤglichen
Kriege ausgehoben.

In dieſer ganzen Erzaͤhlung iſt kein Punkt dem nicht
pruͤfende Erwaͤgung der Umſtaͤnde, oder andre Zeugen
widerſpraͤchen. Die Schlacht am Allia machte, weil der
Quinctilis damals 29 Tage zaͤhlte, den 15ten vor den Sex-
tilkalenden, oder den Tag nach den Iden, verrucht 35);
eine Zeitbeſtimmung die wir nur ſehr uneigentlich durch
den 16ten Julius ausdruͤcken wuͤrden. Fuͤr die Critik der
Geſchichte aber iſt es hinreichend daß die Militartribunen
ihre Wuͤrde am erſten Quinctilis antraten, und daß die

35) Gellius V. c. 17. Livius verkennt den alten Calender.
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[266/0282] ten Geſandte nach Rom, und forderten die Auslieferung der Schuldigen. Nach Livius ſchauderte die Senatoren vor der Aufopferung befreundeter Maͤnner; doch um die Verantwortung eines fuͤrchterlichen Kriegs nicht zu tra- gen — um dieſe elende Scheinberuhigung des Bewußt- ſeyns war es nur zu thun — uͤberlieſſen ſie dem Volk die Entſcheidung. Dieſes verweigerte nicht nur die Aus- lieferung: wie zum Trotz erwaͤhlte es die drey Geſand- ten, es waren Fabier und Bruͤder, zu Proconſulartri- bunen. Als die Gallier dieſen Ausgang ihrer Geſandt- ſchaft vernahmen, verlieſſen ſie den cluſiniſchen Krieg und brachen eilig gegen Rom auf: in ſo ſchnellen Maͤr- ſchen daß das roͤmiſche Heer ihnen kaum elf Millien von der Stadt am Allia begegnete, wo zwiſchen beyden Heeren, wie ſie auf einander trafen, die Schlacht be- gann, deren Andenken und ihres unſeligen Tags bis in die ſpaͤteſten Tage Roms verwuͤnſcht blieb. Das roͤmi- ſche Heer war nicht zahlreicher als zu einem alltaͤglichen Kriege ausgehoben. In dieſer ganzen Erzaͤhlung iſt kein Punkt dem nicht pruͤfende Erwaͤgung der Umſtaͤnde, oder andre Zeugen widerſpraͤchen. Die Schlacht am Allia machte, weil der Quinctilis damals 29 Tage zaͤhlte, den 15ten vor den Sex- tilkalenden, oder den Tag nach den Iden, verrucht 35); eine Zeitbeſtimmung die wir nur ſehr uneigentlich durch den 16ten Julius ausdruͤcken wuͤrden. Fuͤr die Critik der Geſchichte aber iſt es hinreichend daß die Militartribunen ihre Wuͤrde am erſten Quinctilis antraten, und daß die 35) Gellius V. c. 17. Livius verkennt den alten Calender.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/282>, abgerufen am 24.11.2024.