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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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und uns jede Zeit vergegenwärtigt von der er, wäre es
auch nur vorübergehend, redet. Nach ihm wohnten die
Gallier bis in die Alpen; die gesegneten Fluren um den
Padus waren ihnen, als Benachbarten, wohl bekannt
und reizten sie: unerwartet überfielen sie die Etrusker,
schlugen diese, und warfen sie aus dem ganzen Lande.
Wenige Zeit darauf erschienen sie vor Rom 21).

Man kann die Einnahme von Melpum wohl nicht
unmittelbar auf den ersten Anfang der gallischen Einwan-
derung setzen: wenigstens ist es nicht nothwendig. Wäre
es aber auch, so würden dennoch sechs oder sieben Jahre
für die Folge der Völker, welche nach den ersten Erobe-
rern nach Italien hinabkamen, keine zu kurze Frist seyn.
Einmal aufgeregt, bedurfte es nicht Menschenalter um
Hunderttausende zum Zug über die Alpen aus einer über-
füllten Heimath zu bewegen.

Der Zug des Sigovesus, oder die Einwanderung der
Celten in die Donaugegenden, ist mit dem des Bellovesus
verbunden, und sein Alter verschwindet mit diesem. Aber
so wenig man auch die alten Züge der Celten über den
Rhein bezweifeln kann 22), eben so wenig darf man ihre
Niederlassungen in Noricum, an der Mitteldonau, in
Pannonien und Illyricum, von wo sie sich über Griechen-
land, Thracien und Vorasien ausbreiteten, von der Ein-
wanderung in Italien trennen. Cäsar, der höchste
Zeuge 23), dem die Geschichte der Noriker gewiß nicht

21) Polybius a. a. O.
22) Cäsar de bello Gall. VI. c. 24.
23) Summus Auctorum Divus Julius. Tacitus Germ. c. 38.

und uns jede Zeit vergegenwaͤrtigt von der er, waͤre es
auch nur voruͤbergehend, redet. Nach ihm wohnten die
Gallier bis in die Alpen; die geſegneten Fluren um den
Padus waren ihnen, als Benachbarten, wohl bekannt
und reizten ſie: unerwartet uͤberfielen ſie die Etrusker,
ſchlugen dieſe, und warfen ſie aus dem ganzen Lande.
Wenige Zeit darauf erſchienen ſie vor Rom 21).

Man kann die Einnahme von Melpum wohl nicht
unmittelbar auf den erſten Anfang der galliſchen Einwan-
derung ſetzen: wenigſtens iſt es nicht nothwendig. Waͤre
es aber auch, ſo wuͤrden dennoch ſechs oder ſieben Jahre
fuͤr die Folge der Voͤlker, welche nach den erſten Erobe-
rern nach Italien hinabkamen, keine zu kurze Friſt ſeyn.
Einmal aufgeregt, bedurfte es nicht Menſchenalter um
Hunderttauſende zum Zug uͤber die Alpen aus einer uͤber-
fuͤllten Heimath zu bewegen.

Der Zug des Sigoveſus, oder die Einwanderung der
Celten in die Donaugegenden, iſt mit dem des Belloveſus
verbunden, und ſein Alter verſchwindet mit dieſem. Aber
ſo wenig man auch die alten Zuͤge der Celten uͤber den
Rhein bezweifeln kann 22), eben ſo wenig darf man ihre
Niederlaſſungen in Noricum, an der Mitteldonau, in
Pannonien und Illyricum, von wo ſie ſich uͤber Griechen-
land, Thracien und Voraſien ausbreiteten, von der Ein-
wanderung in Italien trennen. Caͤſar, der hoͤchſte
Zeuge 23), dem die Geſchichte der Noriker gewiß nicht

21) Polybius a. a. O.
22) Caͤſar de bello Gall. VI. c. 24.
23) Summus Auctorum Divus Julius. Tacitus Germ. c. 38.
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[261/0277] und uns jede Zeit vergegenwaͤrtigt von der er, waͤre es auch nur voruͤbergehend, redet. Nach ihm wohnten die Gallier bis in die Alpen; die geſegneten Fluren um den Padus waren ihnen, als Benachbarten, wohl bekannt und reizten ſie: unerwartet uͤberfielen ſie die Etrusker, ſchlugen dieſe, und warfen ſie aus dem ganzen Lande. Wenige Zeit darauf erſchienen ſie vor Rom 21). Man kann die Einnahme von Melpum wohl nicht unmittelbar auf den erſten Anfang der galliſchen Einwan- derung ſetzen: wenigſtens iſt es nicht nothwendig. Waͤre es aber auch, ſo wuͤrden dennoch ſechs oder ſieben Jahre fuͤr die Folge der Voͤlker, welche nach den erſten Erobe- rern nach Italien hinabkamen, keine zu kurze Friſt ſeyn. Einmal aufgeregt, bedurfte es nicht Menſchenalter um Hunderttauſende zum Zug uͤber die Alpen aus einer uͤber- fuͤllten Heimath zu bewegen. Der Zug des Sigoveſus, oder die Einwanderung der Celten in die Donaugegenden, iſt mit dem des Belloveſus verbunden, und ſein Alter verſchwindet mit dieſem. Aber ſo wenig man auch die alten Zuͤge der Celten uͤber den Rhein bezweifeln kann 22), eben ſo wenig darf man ihre Niederlaſſungen in Noricum, an der Mitteldonau, in Pannonien und Illyricum, von wo ſie ſich uͤber Griechen- land, Thracien und Voraſien ausbreiteten, von der Ein- wanderung in Italien trennen. Caͤſar, der hoͤchſte Zeuge 23), dem die Geſchichte der Noriker gewiß nicht 21) Polybius a. a. O. 22) Caͤſar de bello Gall. VI. c. 24. 23) Summus Auctorum Divus Julius. Tacitus Germ. c. 38.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/277>, abgerufen am 24.11.2024.