Häuser der sehr zahlreichen Dörfer elend: ihr Geräth armseelig: Ackerbau für das Bedürfniß: Weinbau und alle Gewächse südlicher Gegenden diesseits der Alpen ganz fremd, in einem Clima welches damals äußerst rauh war. Reich waren sie an Heerden, und an Gold, welches der Sand der Flüsse, und einige durch diese ent- deckte und bearbeitete Bergwerke gaben. Mit Gold schmückte sich jeder wohlhabende Gallier, und wenn er in der Schlacht nackt erschien, so trug er doch goldne Ketten an den Armen, und dicke goldne Ringe um den Hals. Ihre bunten, gewürfelten, mit Regenbogenfar- ben schimmernden Mäntel sind noch die mahlerische Tracht ihrer Stammgenossen der Bergschotten, welche die Brak- ken der alten Gallier abgelegt haben. Große Körper, ein langes struppichtes gelbes Haar, wilde Züge, mach- ten ihren Anblick furchtbar: ihre Gestalt, ihr wilder Muth, ihre unermeßliche Zahl, der betäubende Lärm einer ungeheuern Menge Hörner und Trompeten bey ih- ren Heeren, und die gräßlichen Verwüstungen welche dem Siege folgten, lähmten die Völker welche sie über- zogen mit Entsetzen. Ihr Kriegssinn war groß; doch fehlte ihnen Einheit, Gehorsam gegen ihre Feldherrn, und Ausdauer. Auch waren ihre Waffen schlecht: sie hat- ten selten Harnische; ihre Schilde waren schwach und un- geschickt: sie warfen sich auf den Feind mit breiten, schlecht gestählten, sehr schwachen Schlachtschwerdtern 8), die
8) Die Claymores der Hochländer, welche bey Killikranky und Prestonpans gegen Artillerie und reguläre Truppen entschieden, sind gleicher Art, aber weit tüchtiger.
Zweiter Theil. R
Haͤuſer der ſehr zahlreichen Doͤrfer elend: ihr Geraͤth armſeelig: Ackerbau fuͤr das Beduͤrfniß: Weinbau und alle Gewaͤchſe ſuͤdlicher Gegenden dieſſeits der Alpen ganz fremd, in einem Clima welches damals aͤußerſt rauh war. Reich waren ſie an Heerden, und an Gold, welches der Sand der Fluͤſſe, und einige durch dieſe ent- deckte und bearbeitete Bergwerke gaben. Mit Gold ſchmuͤckte ſich jeder wohlhabende Gallier, und wenn er in der Schlacht nackt erſchien, ſo trug er doch goldne Ketten an den Armen, und dicke goldne Ringe um den Hals. Ihre bunten, gewuͤrfelten, mit Regenbogenfar- ben ſchimmernden Maͤntel ſind noch die mahleriſche Tracht ihrer Stammgenoſſen der Bergſchotten, welche die Brak- ken der alten Gallier abgelegt haben. Große Koͤrper, ein langes ſtruppichtes gelbes Haar, wilde Zuͤge, mach- ten ihren Anblick furchtbar: ihre Geſtalt, ihr wilder Muth, ihre unermeßliche Zahl, der betaͤubende Laͤrm einer ungeheuern Menge Hoͤrner und Trompeten bey ih- ren Heeren, und die graͤßlichen Verwuͤſtungen welche dem Siege folgten, laͤhmten die Voͤlker welche ſie uͤber- zogen mit Entſetzen. Ihr Kriegsſinn war groß; doch fehlte ihnen Einheit, Gehorſam gegen ihre Feldherrn, und Ausdauer. Auch waren ihre Waffen ſchlecht: ſie hat- ten ſelten Harniſche; ihre Schilde waren ſchwach und un- geſchickt: ſie warfen ſich auf den Feind mit breiten, ſchlecht geſtaͤhlten, ſehr ſchwachen Schlachtſchwerdtern 8), die
8) Die Claymores der Hochlaͤnder, welche bey Killikranky und Preſtonpans gegen Artillerie und regulaͤre Truppen entſchieden, ſind gleicher Art, aber weit tuͤchtiger.
Zweiter Theil. R
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Haͤuſer der ſehr zahlreichen Doͤrfer elend: ihr Geraͤth
armſeelig: Ackerbau fuͤr das Beduͤrfniß: Weinbau und
alle Gewaͤchſe ſuͤdlicher Gegenden dieſſeits der Alpen
ganz fremd, in einem Clima welches damals aͤußerſt
rauh war. Reich waren ſie an Heerden, und an Gold,
welches der Sand der Fluͤſſe, und einige durch dieſe ent-
deckte und bearbeitete Bergwerke gaben. Mit Gold
ſchmuͤckte ſich jeder wohlhabende Gallier, und wenn er
in der Schlacht nackt erſchien, ſo trug er doch goldne
Ketten an den Armen, und dicke goldne Ringe um den
Hals. Ihre bunten, gewuͤrfelten, mit Regenbogenfar-
ben ſchimmernden Maͤntel ſind noch die mahleriſche Tracht
ihrer Stammgenoſſen der Bergſchotten, welche die Brak-
ken der alten Gallier abgelegt haben. Große Koͤrper,
ein langes ſtruppichtes gelbes Haar, wilde Zuͤge, mach-
ten ihren Anblick furchtbar: ihre Geſtalt, ihr wilder
Muth, ihre unermeßliche Zahl, der betaͤubende Laͤrm
einer ungeheuern Menge Hoͤrner und Trompeten bey ih-
ren Heeren, und die graͤßlichen Verwuͤſtungen welche
dem Siege folgten, laͤhmten die Voͤlker welche ſie uͤber-
zogen mit Entſetzen. Ihr Kriegsſinn war groß; doch
fehlte ihnen Einheit, Gehorſam gegen ihre Feldherrn,
und Ausdauer. Auch waren ihre Waffen ſchlecht: ſie hat-
ten ſelten Harniſche; ihre Schilde waren ſchwach und un-
geſchickt: ſie warfen ſich auf den Feind mit breiten, ſchlecht
geſtaͤhlten, ſehr ſchwachen Schlachtſchwerdtern 8), die
8) Die Claymores der Hochlaͤnder, welche bey Killikranky
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/273>, abgerufen am 24.11.2024.
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