nen, in der sich eine aus lachenderen Landschaften zu- rückgedrängte Nation behauptet. Ihr Land war das Gebürge welches den Lauf des Iberus vom Bätis und von den westlich fließenden Ströhmen absondert, und der obere Theil dieser Gewässer, des Tagus und Du- rius. Die Celtiberer waren, wie es ihr Nahme sagt, eine Mischung von Celten und Iberern 5), aber in al- lem was wir von ihnen wissen ist der iberische Cha- rakter so sichtbar, daß es bey aufmerksamer Erwägung keinen Zweifel leiden kann daß die Iberer das vorherr- schende Volk waren, welches zuletzt auch das Gebürge eingenommen, und sich mit den Celten vereinigt hatte. Ihre Sitten enthalten keine Spur celtischer Art: ihre Nahmen sind iberisch nicht celtisch: ihre Verfassung ist republikanisch frey.
Die Celten in Gallien waren damals ein ungleich roheres Volk als jenes welches Cäsar von früheren rö- mischen Siegen und innerer Zerrüttung erschüttert, durch Abhängigkeit vom Genuß der Erzeugnisse fremder Län- der verweichlicht fand: die furchtbarste Nation des al- ten Europa. Ihre Schilderung bey Polybius 6) und bey Diodor, wahrscheinlich zum Theil aus Timäus ent- lehnt 7), giebt uns ein bestimmtes Bild ihres damali- gen Seyns, welches sich aus Cäsar und den römischen Schriftstellern, ohne Furcht den Zustand verschiedener Jahrhunderte zu vermengen, ergänzen läßt. Sie waren in viele Völkerschaften getheilt; doch so daß eine den
5) Diodor V. c. 33.
6) Polybius II. c. 17.
7) Diodor V. c. 24. ff.
nen, in der ſich eine aus lachenderen Landſchaften zu- ruͤckgedraͤngte Nation behauptet. Ihr Land war das Gebuͤrge welches den Lauf des Iberus vom Baͤtis und von den weſtlich fließenden Stroͤhmen abſondert, und der obere Theil dieſer Gewaͤſſer, des Tagus und Du- rius. Die Celtiberer waren, wie es ihr Nahme ſagt, eine Miſchung von Celten und Iberern 5), aber in al- lem was wir von ihnen wiſſen iſt der iberiſche Cha- rakter ſo ſichtbar, daß es bey aufmerkſamer Erwaͤgung keinen Zweifel leiden kann daß die Iberer das vorherr- ſchende Volk waren, welches zuletzt auch das Gebuͤrge eingenommen, und ſich mit den Celten vereinigt hatte. Ihre Sitten enthalten keine Spur celtiſcher Art: ihre Nahmen ſind iberiſch nicht celtiſch: ihre Verfaſſung iſt republikaniſch frey.
Die Celten in Gallien waren damals ein ungleich roheres Volk als jenes welches Caͤſar von fruͤheren roͤ- miſchen Siegen und innerer Zerruͤttung erſchuͤttert, durch Abhaͤngigkeit vom Genuß der Erzeugniſſe fremder Laͤn- der verweichlicht fand: die furchtbarſte Nation des al- ten Europa. Ihre Schilderung bey Polybius 6) und bey Diodor, wahrſcheinlich zum Theil aus Timaͤus ent- lehnt 7), giebt uns ein beſtimmtes Bild ihres damali- gen Seyns, welches ſich aus Caͤſar und den roͤmiſchen Schriftſtellern, ohne Furcht den Zuſtand verſchiedener Jahrhunderte zu vermengen, ergaͤnzen laͤßt. Sie waren in viele Voͤlkerſchaften getheilt; doch ſo daß eine den
5) Diodor V. c. 33.
6) Polybius II. c. 17.
7) Diodor V. c. 24. ff.
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von den weſtlich fließenden Stroͤhmen abſondert, und
der obere Theil dieſer Gewaͤſſer, des Tagus und Du-
rius. Die Celtiberer waren, wie es ihr Nahme ſagt,
eine Miſchung von Celten und Iberern 5), aber in al-
lem was wir von ihnen wiſſen iſt der iberiſche Cha-
rakter ſo ſichtbar, daß es bey aufmerkſamer Erwaͤgung
keinen Zweifel leiden kann daß die Iberer das vorherr-
ſchende Volk waren, welches zuletzt auch das Gebuͤrge
eingenommen, und ſich mit den Celten vereinigt hatte.
Ihre Sitten enthalten keine Spur celtiſcher Art: ihre
Nahmen ſind iberiſch nicht celtiſch: ihre Verfaſſung iſt
republikaniſch frey.
Die Celten in Gallien waren damals ein ungleich
roheres Volk als jenes welches Caͤſar von fruͤheren roͤ-
miſchen Siegen und innerer Zerruͤttung erſchuͤttert, durch
Abhaͤngigkeit vom Genuß der Erzeugniſſe fremder Laͤn-
der verweichlicht fand: die furchtbarſte Nation des al-
ten Europa. Ihre Schilderung bey Polybius 6) und
bey Diodor, wahrſcheinlich zum Theil aus Timaͤus ent-
lehnt 7), giebt uns ein beſtimmtes Bild ihres damali-
gen Seyns, welches ſich aus Caͤſar und den roͤmiſchen
Schriftſtellern, ohne Furcht den Zuſtand verſchiedener
Jahrhunderte zu vermengen, ergaͤnzen laͤßt. Sie waren
in viele Voͤlkerſchaften getheilt; doch ſo daß eine den
5) Diodor V. c. 33.
6) Polybius II. c. 17.
7) Diodor V. c. 24. ff.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/271>, abgerufen am 24.11.2024.
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