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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Stimmen und der Anerkennung, nicht das Volk zu ver-
pflichten bestimmt seyn konnte -- läßt vielmehr vermu-
then daß Senat und Tribunen sich früher verglichen
hatten, abwechselnd Jahr um Jahr solle die Regierung
aus einem der beyden Stände erwählt werden: der Se-
nat aber den Vergleich nicht hielt. Nach diesem Jahr,
in dem Veji fiel, zählt dieser Zeitraum keine plebejische
Militartribunen mehr; und zweymal ward jede Frage
von der Erwählbarkeit eines Plebejers durch Consular-
comitien aufgehoben.

Nach der Einnahme von Veji erneuerte sich der
Zwist über den Besitz der erworbenen Domaine um so
heftiger, je größer die Wichtigkeit der Eroberung, und
je schnöder die Anmaaßung der Patricier war, die ge-
wonnene Landschaft sich zu theilen, den Vortheil des
Eigenthümers von ihr zu ziehen, und sie ohne Abgabe
zu besitzen. Die Geschichte schreibt den Volkstribunen
den sinnlosen Gesetzvorschlag zu: die ganze Nation solle
sich zwischen Rom und Veji theilen: eine Hälfte des
Senats solle mit einer Hälfte des Volks die eroberte
Stadt bewohnen, die Rom durch die Schönheit ihrer
Gebäude weit übertraf; und solle sich doch so getheilt
als ein Ganzes verwalten. Ein so unsinniger Vorschlag
hätte den heftigsten Widerstand des Senats gerechtfer-
tigt. Aber viel größere Wahrscheinlichkeit hat es daß
der Antrag dahin ging, diesesmal das ganze eroberte
Land zu theilen, aber unter die ganze Nation: so daß
auch die Patricier mit ihren Clienten einen Antheil als
Eigenthum empfingen: daher die Erwähnung des Se-

Stimmen und der Anerkennung, nicht das Volk zu ver-
pflichten beſtimmt ſeyn konnte — laͤßt vielmehr vermu-
then daß Senat und Tribunen ſich fruͤher verglichen
hatten, abwechſelnd Jahr um Jahr ſolle die Regierung
aus einem der beyden Staͤnde erwaͤhlt werden: der Se-
nat aber den Vergleich nicht hielt. Nach dieſem Jahr,
in dem Veji fiel, zaͤhlt dieſer Zeitraum keine plebejiſche
Militartribunen mehr; und zweymal ward jede Frage
von der Erwaͤhlbarkeit eines Plebejers durch Conſular-
comitien aufgehoben.

Nach der Einnahme von Veji erneuerte ſich der
Zwiſt uͤber den Beſitz der erworbenen Domaine um ſo
heftiger, je groͤßer die Wichtigkeit der Eroberung, und
je ſchnoͤder die Anmaaßung der Patricier war, die ge-
wonnene Landſchaft ſich zu theilen, den Vortheil des
Eigenthuͤmers von ihr zu ziehen, und ſie ohne Abgabe
zu beſitzen. Die Geſchichte ſchreibt den Volkstribunen
den ſinnloſen Geſetzvorſchlag zu: die ganze Nation ſolle
ſich zwiſchen Rom und Veji theilen: eine Haͤlfte des
Senats ſolle mit einer Haͤlfte des Volks die eroberte
Stadt bewohnen, die Rom durch die Schoͤnheit ihrer
Gebaͤude weit uͤbertraf; und ſolle ſich doch ſo getheilt
als ein Ganzes verwalten. Ein ſo unſinniger Vorſchlag
haͤtte den heftigſten Widerſtand des Senats gerechtfer-
tigt. Aber viel groͤßere Wahrſcheinlichkeit hat es daß
der Antrag dahin ging, dieſesmal das ganze eroberte
Land zu theilen, aber unter die ganze Nation: ſo daß
auch die Patricier mit ihren Clienten einen Antheil als
Eigenthum empfingen: daher die Erwaͤhnung des Se-

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[246/0262] Stimmen und der Anerkennung, nicht das Volk zu ver- pflichten beſtimmt ſeyn konnte — laͤßt vielmehr vermu- then daß Senat und Tribunen ſich fruͤher verglichen hatten, abwechſelnd Jahr um Jahr ſolle die Regierung aus einem der beyden Staͤnde erwaͤhlt werden: der Se- nat aber den Vergleich nicht hielt. Nach dieſem Jahr, in dem Veji fiel, zaͤhlt dieſer Zeitraum keine plebejiſche Militartribunen mehr; und zweymal ward jede Frage von der Erwaͤhlbarkeit eines Plebejers durch Conſular- comitien aufgehoben. Nach der Einnahme von Veji erneuerte ſich der Zwiſt uͤber den Beſitz der erworbenen Domaine um ſo heftiger, je groͤßer die Wichtigkeit der Eroberung, und je ſchnoͤder die Anmaaßung der Patricier war, die ge- wonnene Landſchaft ſich zu theilen, den Vortheil des Eigenthuͤmers von ihr zu ziehen, und ſie ohne Abgabe zu beſitzen. Die Geſchichte ſchreibt den Volkstribunen den ſinnloſen Geſetzvorſchlag zu: die ganze Nation ſolle ſich zwiſchen Rom und Veji theilen: eine Haͤlfte des Senats ſolle mit einer Haͤlfte des Volks die eroberte Stadt bewohnen, die Rom durch die Schoͤnheit ihrer Gebaͤude weit uͤbertraf; und ſolle ſich doch ſo getheilt als ein Ganzes verwalten. Ein ſo unſinniger Vorſchlag haͤtte den heftigſten Widerſtand des Senats gerechtfer- tigt. Aber viel groͤßere Wahrſcheinlichkeit hat es daß der Antrag dahin ging, dieſesmal das ganze eroberte Land zu theilen, aber unter die ganze Nation: ſo daß auch die Patricier mit ihren Clienten einen Antheil als Eigenthum empfingen: daher die Erwaͤhnung des Se-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/262>, abgerufen am 24.11.2024.