und einen halben breit, durch vulcanisches Gestein ge- brochen, und dieses Werk soll Rom damals in einem Jahr vollendet haben. Es ist aber auch sichtbar wider- sinnig daß ein augenscheinlich in der Absicht unternom- menes Werk um die niedriger liegenden Gefilde gegen die Gefahr einer Ueberströmung zu sichern, und das ih- nen drohende Gewässer zu ihrer Fruchtbarkeit zu verwen- den, von einem Staat ausgeführt seyn soll, der damals entweder gar kein Interesse, oder doch einen sehr gerin- gen Antheil an diesen Ländereyen hatte. Denn so lange Latium als ein unabhängiges Volk bestand, waren sie Eigenthum entweder angränzender latinischer Städte, oder des gesammten Bundes. Bey dem unzweifelhaften hohen Alter des Werks, dessen Beziehung auf das Schick- sal Vejis uns nicht irren darf, ist es wahrscheinlicher daß es dem gesammten Latium, oder, wenn es Rom nicht fremd war, dem Zeitalter der römischen Könige an- gehört 78).
Die Sage daß Veji durch einen unterirrdischen Gang eingenommen worden, ist nicht weniger unzertrennlich von der Geschichte der Eroberung als die von der Entla- dung des Albanersees; auch Diodor hat sie, wiewohl er Annalen folgt welche von den Quellen des Livius so außer- ordentlich abweichen, daß man fast zweifeln muß ob es
78) Vorzüglich bewundernswerth ist, nach Hirts Bemer- kung, die Kunst wodurch das Wasser allmählig bis auf die Höhe abgezapft ist, worauf es durch die letzte, noch fort- würkende Mündung des Emissars herabgesetzt werden sollte.
und einen halben breit, durch vulcaniſches Geſtein ge- brochen, und dieſes Werk ſoll Rom damals in einem Jahr vollendet haben. Es iſt aber auch ſichtbar wider- ſinnig daß ein augenſcheinlich in der Abſicht unternom- menes Werk um die niedriger liegenden Gefilde gegen die Gefahr einer Ueberſtroͤmung zu ſichern, und das ih- nen drohende Gewaͤſſer zu ihrer Fruchtbarkeit zu verwen- den, von einem Staat ausgefuͤhrt ſeyn ſoll, der damals entweder gar kein Intereſſe, oder doch einen ſehr gerin- gen Antheil an dieſen Laͤndereyen hatte. Denn ſo lange Latium als ein unabhaͤngiges Volk beſtand, waren ſie Eigenthum entweder angraͤnzender latiniſcher Staͤdte, oder des geſammten Bundes. Bey dem unzweifelhaften hohen Alter des Werks, deſſen Beziehung auf das Schick- ſal Vejis uns nicht irren darf, iſt es wahrſcheinlicher daß es dem geſammten Latium, oder, wenn es Rom nicht fremd war, dem Zeitalter der roͤmiſchen Koͤnige an- gehoͤrt 78).
Die Sage daß Veji durch einen unterirrdiſchen Gang eingenommen worden, iſt nicht weniger unzertrennlich von der Geſchichte der Eroberung als die von der Entla- dung des Albanerſees; auch Diodor hat ſie, wiewohl er Annalen folgt welche von den Quellen des Livius ſo außer- ordentlich abweichen, daß man faſt zweifeln muß ob es
78) Vorzuͤglich bewundernswerth iſt, nach Hirts Bemer- kung, die Kunſt wodurch das Waſſer allmaͤhlig bis auf die Hoͤhe abgezapft iſt, worauf es durch die letzte, noch fort- wuͤrkende Muͤndung des Emiſſars herabgeſetzt werden ſollte.
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und einen halben breit, durch vulcaniſches Geſtein ge-
brochen, und dieſes Werk ſoll Rom damals in einem
Jahr vollendet haben. Es iſt aber auch ſichtbar wider-
ſinnig daß ein augenſcheinlich in der Abſicht unternom-
menes Werk um die niedriger liegenden Gefilde gegen
die Gefahr einer Ueberſtroͤmung zu ſichern, und das ih-
nen drohende Gewaͤſſer zu ihrer Fruchtbarkeit zu verwen-
den, von einem Staat ausgefuͤhrt ſeyn ſoll, der damals
entweder gar kein Intereſſe, oder doch einen ſehr gerin-
gen Antheil an dieſen Laͤndereyen hatte. Denn ſo lange
Latium als ein unabhaͤngiges Volk beſtand, waren ſie
Eigenthum entweder angraͤnzender latiniſcher Staͤdte,
oder des geſammten Bundes. Bey dem unzweifelhaften
hohen Alter des Werks, deſſen Beziehung auf das Schick-
ſal Vejis uns nicht irren darf, iſt es wahrſcheinlicher daß
es dem geſammten Latium, oder, wenn es Rom nicht
fremd war, dem Zeitalter der roͤmiſchen Koͤnige an-
gehoͤrt 78).
Die Sage daß Veji durch einen unterirrdiſchen Gang
eingenommen worden, iſt nicht weniger unzertrennlich
von der Geſchichte der Eroberung als die von der Entla-
dung des Albanerſees; auch Diodor hat ſie, wiewohl er
Annalen folgt welche von den Quellen des Livius ſo außer-
ordentlich abweichen, daß man faſt zweifeln muß ob es
78) Vorzuͤglich bewundernswerth iſt, nach Hirts Bemer-
kung, die Kunſt wodurch das Waſſer allmaͤhlig bis auf die
Hoͤhe abgezapft iſt, worauf es durch die letzte, noch fort-
wuͤrkende Muͤndung des Emiſſars herabgeſetzt werden
ſollte.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/251>, abgerufen am 24.11.2024.
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