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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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raum Verfügungen über das Privatrecht gesetzlich be-
stimmt geworden sind, noch weniger wissen wir also
factisch von welcher Macht diese ausgegangen seyn möch-
ten. Aber bezweifeln läßt es sich nicht daß, wenn sie ein-
traten, ihr Ursprung aus dem Stande seyn mußte, bey
dem noch lange nachdem ein Gleichgewicht zwischen den
Ständen in Wahrheit eingeführt war, das Recht als ein
geheiligter Besitz blieb, daher auch die Prätur vom Consu-
lat abgesondert ward als die Plebejer Theil an diesem em-
pfingen. Alle Völker die ein Religionsgesetz als geoffen-
bart verehren, knüpfen an dieses, oder leiten aus ihm ein
bürgerliches Recht, und in den priesterlichen Vorrechten
der Patricier war es gegründet daß sie so lange die Be-
wahrer der Rechtskunde blieben. In dieser Hinsicht
konnte es damals noch gleich gelten ob der Senat oder die
Curien diese Gesetzgebung ausübten. Das aber ist klar
daß die plebejische Gemeinde keinen Antheil daran gehabt
haben kann.

Auch ist es, weil der Senat eigentlich nur als ein en-
gerer Ausschuß der Curien zu betrachten ist, als die Ver-
sammlung der Notabeln aus der patricischen Gemeinde,
der Idee einer strengen Oligarchie nicht beeinträchtigend,
wenn es dargethan wird, daß unter den Vätern, von de-
ren Genehmigung die Gültigkeit der Beschlüsse der Centu-
rien abhing, die Curien, nicht der Senat zu verstehen sind.
Die entgegengesetzte Meinung hat für sich kaum einen an-
dern Schein als was Livius über Numas Wahl erzählt 3),

3) I. c. 17. Ich erkenne gern des älteren Gronovs große
Verdienste und philologische Autorität, aber die römische

raum Verfuͤgungen uͤber das Privatrecht geſetzlich be-
ſtimmt geworden ſind, noch weniger wiſſen wir alſo
factiſch von welcher Macht dieſe ausgegangen ſeyn moͤch-
ten. Aber bezweifeln laͤßt es ſich nicht daß, wenn ſie ein-
traten, ihr Urſprung aus dem Stande ſeyn mußte, bey
dem noch lange nachdem ein Gleichgewicht zwiſchen den
Staͤnden in Wahrheit eingefuͤhrt war, das Recht als ein
geheiligter Beſitz blieb, daher auch die Praͤtur vom Conſu-
lat abgeſondert ward als die Plebejer Theil an dieſem em-
pfingen. Alle Voͤlker die ein Religionsgeſetz als geoffen-
bart verehren, knuͤpfen an dieſes, oder leiten aus ihm ein
buͤrgerliches Recht, und in den prieſterlichen Vorrechten
der Patricier war es gegruͤndet daß ſie ſo lange die Be-
wahrer der Rechtskunde blieben. In dieſer Hinſicht
konnte es damals noch gleich gelten ob der Senat oder die
Curien dieſe Geſetzgebung ausuͤbten. Das aber iſt klar
daß die plebejiſche Gemeinde keinen Antheil daran gehabt
haben kann.

Auch iſt es, weil der Senat eigentlich nur als ein en-
gerer Ausſchuß der Curien zu betrachten iſt, als die Ver-
ſammlung der Notabeln aus der patriciſchen Gemeinde,
der Idee einer ſtrengen Oligarchie nicht beeintraͤchtigend,
wenn es dargethan wird, daß unter den Vaͤtern, von de-
ren Genehmigung die Guͤltigkeit der Beſchluͤſſe der Centu-
rien abhing, die Curien, nicht der Senat zu verſtehen ſind.
Die entgegengeſetzte Meinung hat fuͤr ſich kaum einen an-
dern Schein als was Livius uͤber Numas Wahl erzaͤhlt 3),

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[8/0024] raum Verfuͤgungen uͤber das Privatrecht geſetzlich be- ſtimmt geworden ſind, noch weniger wiſſen wir alſo factiſch von welcher Macht dieſe ausgegangen ſeyn moͤch- ten. Aber bezweifeln laͤßt es ſich nicht daß, wenn ſie ein- traten, ihr Urſprung aus dem Stande ſeyn mußte, bey dem noch lange nachdem ein Gleichgewicht zwiſchen den Staͤnden in Wahrheit eingefuͤhrt war, das Recht als ein geheiligter Beſitz blieb, daher auch die Praͤtur vom Conſu- lat abgeſondert ward als die Plebejer Theil an dieſem em- pfingen. Alle Voͤlker die ein Religionsgeſetz als geoffen- bart verehren, knuͤpfen an dieſes, oder leiten aus ihm ein buͤrgerliches Recht, und in den prieſterlichen Vorrechten der Patricier war es gegruͤndet daß ſie ſo lange die Be- wahrer der Rechtskunde blieben. In dieſer Hinſicht konnte es damals noch gleich gelten ob der Senat oder die Curien dieſe Geſetzgebung ausuͤbten. Das aber iſt klar daß die plebejiſche Gemeinde keinen Antheil daran gehabt haben kann. Auch iſt es, weil der Senat eigentlich nur als ein en- gerer Ausſchuß der Curien zu betrachten iſt, als die Ver- ſammlung der Notabeln aus der patriciſchen Gemeinde, der Idee einer ſtrengen Oligarchie nicht beeintraͤchtigend, wenn es dargethan wird, daß unter den Vaͤtern, von de- ren Genehmigung die Guͤltigkeit der Beſchluͤſſe der Centu- rien abhing, die Curien, nicht der Senat zu verſtehen ſind. Die entgegengeſetzte Meinung hat fuͤr ſich kaum einen an- dern Schein als was Livius uͤber Numas Wahl erzaͤhlt 3), 3) I. c. 17. Ich erkenne gern des aͤlteren Gronovs große Verdienſte und philologiſche Autoritaͤt, aber die roͤmiſche

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/24>, abgerufen am 23.11.2024.