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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Dieser große Sieg endigte die Uebermacht der au-
sonischen Völker: ein achtjähriger Waffenstillstand war
seine nächste Folge. Berühmt ist das Andenken dieser
Schlacht geblieben, häufiger aber wird der Dictator Po-
stumius genannt, weil er, wie später T. Manlius, um
den Kriegsgehorsam zu erhalten, das Todesurtheil über
seinen Sohn ausgesprochen habe, welcher aus einem un-
tersagten Gefecht siegreich zurückgekommen sey: eine
Erzählung deren Wahrheit Livius vielleicht mit gutem
Grund bezweifelt. Doch waren in den alten Annalen
der Sieg und die unerbittliche Strenge des Dictators
unzertrennlich 38).

Als acht cyclische Jahre um waren, im Jahr 332,
zogen die Volsker aus mit einem zahlreichen und streng
geordneten Heer. Der römische Consul C. Sempronius
Atratinus hatte Ordnung und Kriegszucht versäumt:
die Römer kämpften ohne Vertrauen auf sich noch auf
ihren Feldherrn, nur um eine Niederlage abzuwehren.
Die ersten Ordnungen wichen allenthalben, der Consul
gab keine Befehle, die Reuterey mußte die herannahende
Niederlage der Legionen zuschauend erwarten, da for-
derte einer ihrer Hauptleute, Sex. Tempanius, sie auf,
ohne Befehl sich in das Gefecht zu mischen. Ihm freywil-
lig gehorsam fochten sie zu Fuß, und stellten die Ordnung
her wo die ihrigen am heftigsten gedrängt wurden 39).

38) Diodor XII. c. 64. Valerius Maximus II. c. 7. n. 6.
Gellius XVII. c. 21.
39) Diese in der ältesten römischen Kriegsgeschichte häufig
erwähnte Einmischung der absitzenden Reuter in das Tref-

Dieſer große Sieg endigte die Uebermacht der au-
ſoniſchen Voͤlker: ein achtjaͤhriger Waffenſtillſtand war
ſeine naͤchſte Folge. Beruͤhmt iſt das Andenken dieſer
Schlacht geblieben, haͤufiger aber wird der Dictator Po-
ſtumius genannt, weil er, wie ſpaͤter T. Manlius, um
den Kriegsgehorſam zu erhalten, das Todesurtheil uͤber
ſeinen Sohn ausgeſprochen habe, welcher aus einem un-
terſagten Gefecht ſiegreich zuruͤckgekommen ſey: eine
Erzaͤhlung deren Wahrheit Livius vielleicht mit gutem
Grund bezweifelt. Doch waren in den alten Annalen
der Sieg und die unerbittliche Strenge des Dictators
unzertrennlich 38).

Als acht cycliſche Jahre um waren, im Jahr 332,
zogen die Volsker aus mit einem zahlreichen und ſtreng
geordneten Heer. Der roͤmiſche Conſul C. Sempronius
Atratinus hatte Ordnung und Kriegszucht verſaͤumt:
die Roͤmer kaͤmpften ohne Vertrauen auf ſich noch auf
ihren Feldherrn, nur um eine Niederlage abzuwehren.
Die erſten Ordnungen wichen allenthalben, der Conſul
gab keine Befehle, die Reuterey mußte die herannahende
Niederlage der Legionen zuſchauend erwarten, da for-
derte einer ihrer Hauptleute, Sex. Tempanius, ſie auf,
ohne Befehl ſich in das Gefecht zu miſchen. Ihm freywil-
lig gehorſam fochten ſie zu Fuß, und ſtellten die Ordnung
her wo die ihrigen am heftigſten gedraͤngt wurden 39).

38) Diodor XII. c. 64. Valerius Maximus II. c. 7. n. 6.
Gellius XVII. c. 21.
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[204/0220] Dieſer große Sieg endigte die Uebermacht der au- ſoniſchen Voͤlker: ein achtjaͤhriger Waffenſtillſtand war ſeine naͤchſte Folge. Beruͤhmt iſt das Andenken dieſer Schlacht geblieben, haͤufiger aber wird der Dictator Po- ſtumius genannt, weil er, wie ſpaͤter T. Manlius, um den Kriegsgehorſam zu erhalten, das Todesurtheil uͤber ſeinen Sohn ausgeſprochen habe, welcher aus einem un- terſagten Gefecht ſiegreich zuruͤckgekommen ſey: eine Erzaͤhlung deren Wahrheit Livius vielleicht mit gutem Grund bezweifelt. Doch waren in den alten Annalen der Sieg und die unerbittliche Strenge des Dictators unzertrennlich 38). Als acht cycliſche Jahre um waren, im Jahr 332, zogen die Volsker aus mit einem zahlreichen und ſtreng geordneten Heer. Der roͤmiſche Conſul C. Sempronius Atratinus hatte Ordnung und Kriegszucht verſaͤumt: die Roͤmer kaͤmpften ohne Vertrauen auf ſich noch auf ihren Feldherrn, nur um eine Niederlage abzuwehren. Die erſten Ordnungen wichen allenthalben, der Conſul gab keine Befehle, die Reuterey mußte die herannahende Niederlage der Legionen zuſchauend erwarten, da for- derte einer ihrer Hauptleute, Sex. Tempanius, ſie auf, ohne Befehl ſich in das Gefecht zu miſchen. Ihm freywil- lig gehorſam fochten ſie zu Fuß, und ſtellten die Ordnung her wo die ihrigen am heftigſten gedraͤngt wurden 39). 38) Diodor XII. c. 64. Valerius Maximus II. c. 7. n. 6. Gellius XVII. c. 21. 39) Dieſe in der aͤlteſten roͤmiſchen Kriegsgeſchichte haͤufig erwaͤhnte Einmiſchung der abſitzenden Reuter in das Tref-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/220>, abgerufen am 27.11.2024.