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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Streben nach den hohen Würden abzuschrecken: auch
blieb die That nicht ohne ihren Erfolg.

Es ist ein trüber Gedanke daß ein Mann wie Cin-
cinnatus, ein Greis am Ziel eines tugendhaften und
großen Lebens, im Dienst einer Faction wahrscheinlich
gemordet hat: und doch müssen wir es ahnden. Nir-
gends sind die Charaktere härter, nirgends ist Trotz ge-
gen Gewissensbisse für die Zwecke einer Faction, neben
großen Tugenden, einheimisch gewesen wie in aristokra-
tischen Republiken, nicht im Alterthum allein. Männer
von sonst fleckenlosem Wandel haben in ihnen als Fa-
natiker, oft ohne Leidenschaft, für ihre Faction das
reinste und edelste Blut vergossen. Der seditiose Dema-
gog war oft nicht so blutig: aber gewöhnlich, wenn er
mordete, nicht so reiner Fanatiker wie sie, denn er han-
delte mehr für sich, weniger für die Idee seines Stan-
des. Doch waren jene auch nur das edlere Raubthier.

Das Haus des Mälius ward niedergerissen, und
die leere Stätte, das Aequimälium, erinnerte nach einem
halben Jahrtausend an sein Schicksal und schien von sei-
ner Schuld zu zeugen. Seine Kornvorräthe vertheilte der
Präfect L. Minucius um einen geringen Preis, den Mo-
dius für einen As. Dadurch soll er das Volk so gewon-
nen haben daß es ihn als seinen Retter mit einem präch-
tigen Opferstier beschenkt hätte 20). Der Leichtsinn wäre
in jedem andern Fall nicht außerordentlich: doch Dank-

barkeit
20) Bove aurato. Livius IV. c. 16. Mit vergoldeten Hör-
nern, s. Decius Belohnung VII. c. 37.

Streben nach den hohen Wuͤrden abzuſchrecken: auch
blieb die That nicht ohne ihren Erfolg.

Es iſt ein truͤber Gedanke daß ein Mann wie Cin-
cinnatus, ein Greis am Ziel eines tugendhaften und
großen Lebens, im Dienſt einer Faction wahrſcheinlich
gemordet hat: und doch muͤſſen wir es ahnden. Nir-
gends ſind die Charaktere haͤrter, nirgends iſt Trotz ge-
gen Gewiſſensbiſſe fuͤr die Zwecke einer Faction, neben
großen Tugenden, einheimiſch geweſen wie in ariſtokra-
tiſchen Republiken, nicht im Alterthum allein. Maͤnner
von ſonſt fleckenloſem Wandel haben in ihnen als Fa-
natiker, oft ohne Leidenſchaft, fuͤr ihre Faction das
reinſte und edelſte Blut vergoſſen. Der ſeditioſe Dema-
gog war oft nicht ſo blutig: aber gewoͤhnlich, wenn er
mordete, nicht ſo reiner Fanatiker wie ſie, denn er han-
delte mehr fuͤr ſich, weniger fuͤr die Idee ſeines Stan-
des. Doch waren jene auch nur das edlere Raubthier.

Das Haus des Maͤlius ward niedergeriſſen, und
die leere Staͤtte, das Aequimaͤlium, erinnerte nach einem
halben Jahrtauſend an ſein Schickſal und ſchien von ſei-
ner Schuld zu zeugen. Seine Kornvorraͤthe vertheilte der
Praͤfect L. Minucius um einen geringen Preis, den Mo-
dius fuͤr einen As. Dadurch ſoll er das Volk ſo gewon-
nen haben daß es ihn als ſeinen Retter mit einem praͤch-
tigen Opferſtier beſchenkt haͤtte 20). Der Leichtſinn waͤre
in jedem andern Fall nicht außerordentlich: doch Dank-

barkeit
20) Bove aurato. Livius IV. c. 16. Mit vergoldeten Hoͤr-
nern, ſ. Decius Belohnung VII. c. 37.
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[192/0208] Streben nach den hohen Wuͤrden abzuſchrecken: auch blieb die That nicht ohne ihren Erfolg. Es iſt ein truͤber Gedanke daß ein Mann wie Cin- cinnatus, ein Greis am Ziel eines tugendhaften und großen Lebens, im Dienſt einer Faction wahrſcheinlich gemordet hat: und doch muͤſſen wir es ahnden. Nir- gends ſind die Charaktere haͤrter, nirgends iſt Trotz ge- gen Gewiſſensbiſſe fuͤr die Zwecke einer Faction, neben großen Tugenden, einheimiſch geweſen wie in ariſtokra- tiſchen Republiken, nicht im Alterthum allein. Maͤnner von ſonſt fleckenloſem Wandel haben in ihnen als Fa- natiker, oft ohne Leidenſchaft, fuͤr ihre Faction das reinſte und edelſte Blut vergoſſen. Der ſeditioſe Dema- gog war oft nicht ſo blutig: aber gewoͤhnlich, wenn er mordete, nicht ſo reiner Fanatiker wie ſie, denn er han- delte mehr fuͤr ſich, weniger fuͤr die Idee ſeines Stan- des. Doch waren jene auch nur das edlere Raubthier. Das Haus des Maͤlius ward niedergeriſſen, und die leere Staͤtte, das Aequimaͤlium, erinnerte nach einem halben Jahrtauſend an ſein Schickſal und ſchien von ſei- ner Schuld zu zeugen. Seine Kornvorraͤthe vertheilte der Praͤfect L. Minucius um einen geringen Preis, den Mo- dius fuͤr einen As. Dadurch ſoll er das Volk ſo gewon- nen haben daß es ihn als ſeinen Retter mit einem praͤch- tigen Opferſtier beſchenkt haͤtte 20). Der Leichtſinn waͤre in jedem andern Fall nicht außerordentlich: doch Dank- barkeit 20) Bove aurato. Livius IV. c. 16. Mit vergoldeten Hoͤr- nern, ſ. Decius Belohnung VII. c. 37.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/208>, abgerufen am 27.11.2024.