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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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hört zu dem Ganzen jener Veränderungen welche, wahr-
scheinlich bald nach dem Schluß des ersten punischen
Kriegs, die römische Verfassung demokratisch machten.
Jedes italische Volk hatte einen Adel, und dieser ward
von den Römern ihr Ritterstand genannt 4). Ward einer
ganzen Gemeinde das vollkommne Bürgerrecht gewährt,
so war es natürlich daß die Ritter des neuen Munici-
piums von den Censoren in die plebejischen Rittercentu-
rien aufgenommen wurden: wie diese ursprünglich ohne
Zweifel aus edeln latinischen Geschlechtern gebildet waren:
es konnte aber auch Auszeichnung des Einzelnen seyn.

Bey der Verzeichnung des Senats hatten die Cen-
soren ursprünglich volle Freyheit nach ihrem Wohlge-
fallen zu berufen und zu entfernen, weil es noch keine
Schande brachte übergangen zu seyn 5). Die Notation
des Consulars P. Rufinus ist die älteste dieser Art von

usterous eiothesan dokimazein -- nun de proterous, plou-
tinden gegenemenes upo tou timetou tes eklo-
ges; seitdem
das Vermögen Maaßstab ihrer Auswahl
geworden ist. Sollte hier keine Causalverbindung bezeichnet
werden, so hätte Polybius geschrieben genomenes: sie wer-
den nach dem Vermögen ausgewählt.
Erwähnt freylich wird der census equester bey Livius V.
c.
7. aber das ist sichtbar falscher Gebrauch einer unpassen-
den Redensart später Zeit: bey ritterlicher Geburt, der nicht
nothwendig Reichthum entsprach, war es verdienstlich den
Roßdienst auf eigne Kosten anzubieten, bey ritterlichem
Vermögen nicht also.
4) Campanorum equites non desciverant. Livius VIII. c. 11.
5) Festus s. v. praeteriti Senatores.

hoͤrt zu dem Ganzen jener Veraͤnderungen welche, wahr-
ſcheinlich bald nach dem Schluß des erſten puniſchen
Kriegs, die roͤmiſche Verfaſſung demokratiſch machten.
Jedes italiſche Volk hatte einen Adel, und dieſer ward
von den Roͤmern ihr Ritterſtand genannt 4). Ward einer
ganzen Gemeinde das vollkommne Buͤrgerrecht gewaͤhrt,
ſo war es natuͤrlich daß die Ritter des neuen Munici-
piums von den Cenſoren in die plebejiſchen Rittercentu-
rien aufgenommen wurden: wie dieſe urſpruͤnglich ohne
Zweifel aus edeln latiniſchen Geſchlechtern gebildet waren:
es konnte aber auch Auszeichnung des Einzelnen ſeyn.

Bey der Verzeichnung des Senats hatten die Cen-
ſoren urſpruͤnglich volle Freyheit nach ihrem Wohlge-
fallen zu berufen und zu entfernen, weil es noch keine
Schande brachte uͤbergangen zu ſeyn 5). Die Notation
des Conſulars P. Rufinus iſt die aͤlteſte dieſer Art von

ὑστέρους εἰώϑεσαν δοκιμάζειν — νῦν δὲ προτέρους, πλου-
τίνδην γεγενημένης ὑπὸ τοῦ τιμητοῦ τῆς ἐκλο-
γῆς; ſeitdem
das Vermoͤgen Maaßſtab ihrer Auswahl
geworden iſt. Sollte hier keine Cauſalverbindung bezeichnet
werden, ſo haͤtte Polybius geſchrieben γενομένης: ſie wer-
den nach dem Vermoͤgen ausgewaͤhlt.
Erwaͤhnt freylich wird der census equester bey Livius V.
c.
7. aber das iſt ſichtbar falſcher Gebrauch einer unpaſſen-
den Redensart ſpaͤter Zeit: bey ritterlicher Geburt, der nicht
nothwendig Reichthum entſprach, war es verdienſtlich den
Roßdienſt auf eigne Koſten anzubieten, bey ritterlichem
Vermoͤgen nicht alſo.
4) Campanorum equites non desciverant. Livius VIII. c. 11.
5) Feſtus s. v. præteriti Senatores.
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[182/0198] hoͤrt zu dem Ganzen jener Veraͤnderungen welche, wahr- ſcheinlich bald nach dem Schluß des erſten puniſchen Kriegs, die roͤmiſche Verfaſſung demokratiſch machten. Jedes italiſche Volk hatte einen Adel, und dieſer ward von den Roͤmern ihr Ritterſtand genannt 4). Ward einer ganzen Gemeinde das vollkommne Buͤrgerrecht gewaͤhrt, ſo war es natuͤrlich daß die Ritter des neuen Munici- piums von den Cenſoren in die plebejiſchen Rittercentu- rien aufgenommen wurden: wie dieſe urſpruͤnglich ohne Zweifel aus edeln latiniſchen Geſchlechtern gebildet waren: es konnte aber auch Auszeichnung des Einzelnen ſeyn. Bey der Verzeichnung des Senats hatten die Cen- ſoren urſpruͤnglich volle Freyheit nach ihrem Wohlge- fallen zu berufen und zu entfernen, weil es noch keine Schande brachte uͤbergangen zu ſeyn 5). Die Notation des Conſulars P. Rufinus iſt die aͤlteſte dieſer Art von 3) 4) Campanorum equites non desciverant. Livius VIII. c. 11. 5) Feſtus s. v. præteriti Senatores. 3) ὑστέρους εἰώϑεσαν δοκιμάζειν — νῦν δὲ προτέρους, πλου- τίνδην γεγενημένης ὑπὸ τοῦ τιμητοῦ τῆς ἐκλο- γῆς; ſeitdem das Vermoͤgen Maaßſtab ihrer Auswahl geworden iſt. Sollte hier keine Cauſalverbindung bezeichnet werden, ſo haͤtte Polybius geſchrieben γενομένης: ſie wer- den nach dem Vermoͤgen ausgewaͤhlt. Erwaͤhnt freylich wird der census equester bey Livius V. c. 7. aber das iſt ſichtbar falſcher Gebrauch einer unpaſſen- den Redensart ſpaͤter Zeit: bey ritterlicher Geburt, der nicht nothwendig Reichthum entſprach, war es verdienſtlich den Roßdienſt auf eigne Koſten anzubieten, bey ritterlichem Vermoͤgen nicht alſo.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/198>, abgerufen am 23.11.2024.