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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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ten sich in Trauerkleidern unter das Volk: aber sie hat-
ten keine mildernden Entschuldigungen vorzustellen. Die
Schande des Geschlechts, daß ein Claudius unter Mör-
dern und Räubern im Kerker liege; die Schmach für
die Republik selbst daß der welcher vor kurzem ihr Haupt
war dies erfahren müsse, solche Gründe wurden über-
wogen von des Vaters Erinnerungen an seine Trauer,
an der Tochter Schicksal, an die Zertretung der Frey-
heit aller. Appius blieb im Kerker, und starb, wahr-
scheinlich freywillig, ehe der Gerichtstag eintrat, den
die Tribunen schonend lange genug verschoben hatten
um den Entschluß und die Ausführung zu begünstigen.

Der zweyte Angeklagte war sein unmittelbarer Mit-
schuldiger, der Plebejer Sp. Oppius, welcher mit ihm
die Stadt verwaltete und zur Zeit des Urtheils gegen
Virginia dort anwesend war: Umstände welche es mir
glaublich machen daß Standeshaß Verbrechen allgemei-
ner Leidenschaften ungerecht ausschließlich der patricischen
Tyranney zugeschrieben hat. Dieser ward auf das Zeug-
niß eines alten Soldaten verurtheilt, den der Tyrann
nach sieben und zwanzig Feldzügen ohne auch nur einen
Vorwand anführen zu können hatte stäupen lassen. Auch
er endigte sein Leben mit eigner Hand im Kerker. Die
übrigen verbannten sich ehe eine bestimmte Anklage ge-
gen sie erhoben war: ihr Vermögen ward eingezogen
wie das der beyden Verurtheilten.

Nach der Bestrafung der Tyrannen schien gleiche
Gefahr über ihren Mitschuldigen zu schweben: und es
fehlte nicht an erbitterten Anklägern gegen einen großen

ten ſich in Trauerkleidern unter das Volk: aber ſie hat-
ten keine mildernden Entſchuldigungen vorzuſtellen. Die
Schande des Geſchlechts, daß ein Claudius unter Moͤr-
dern und Raͤubern im Kerker liege; die Schmach fuͤr
die Republik ſelbſt daß der welcher vor kurzem ihr Haupt
war dies erfahren muͤſſe, ſolche Gruͤnde wurden uͤber-
wogen von des Vaters Erinnerungen an ſeine Trauer,
an der Tochter Schickſal, an die Zertretung der Frey-
heit aller. Appius blieb im Kerker, und ſtarb, wahr-
ſcheinlich freywillig, ehe der Gerichtstag eintrat, den
die Tribunen ſchonend lange genug verſchoben hatten
um den Entſchluß und die Ausfuͤhrung zu beguͤnſtigen.

Der zweyte Angeklagte war ſein unmittelbarer Mit-
ſchuldiger, der Plebejer Sp. Oppius, welcher mit ihm
die Stadt verwaltete und zur Zeit des Urtheils gegen
Virginia dort anweſend war: Umſtaͤnde welche es mir
glaublich machen daß Standeshaß Verbrechen allgemei-
ner Leidenſchaften ungerecht ausſchließlich der patriciſchen
Tyranney zugeſchrieben hat. Dieſer ward auf das Zeug-
niß eines alten Soldaten verurtheilt, den der Tyrann
nach ſieben und zwanzig Feldzuͤgen ohne auch nur einen
Vorwand anfuͤhren zu koͤnnen hatte ſtaͤupen laſſen. Auch
er endigte ſein Leben mit eigner Hand im Kerker. Die
uͤbrigen verbannten ſich ehe eine beſtimmte Anklage ge-
gen ſie erhoben war: ihr Vermoͤgen ward eingezogen
wie das der beyden Verurtheilten.

Nach der Beſtrafung der Tyrannen ſchien gleiche
Gefahr uͤber ihren Mitſchuldigen zu ſchweben: und es
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[156/0172] ten ſich in Trauerkleidern unter das Volk: aber ſie hat- ten keine mildernden Entſchuldigungen vorzuſtellen. Die Schande des Geſchlechts, daß ein Claudius unter Moͤr- dern und Raͤubern im Kerker liege; die Schmach fuͤr die Republik ſelbſt daß der welcher vor kurzem ihr Haupt war dies erfahren muͤſſe, ſolche Gruͤnde wurden uͤber- wogen von des Vaters Erinnerungen an ſeine Trauer, an der Tochter Schickſal, an die Zertretung der Frey- heit aller. Appius blieb im Kerker, und ſtarb, wahr- ſcheinlich freywillig, ehe der Gerichtstag eintrat, den die Tribunen ſchonend lange genug verſchoben hatten um den Entſchluß und die Ausfuͤhrung zu beguͤnſtigen. Der zweyte Angeklagte war ſein unmittelbarer Mit- ſchuldiger, der Plebejer Sp. Oppius, welcher mit ihm die Stadt verwaltete und zur Zeit des Urtheils gegen Virginia dort anweſend war: Umſtaͤnde welche es mir glaublich machen daß Standeshaß Verbrechen allgemei- ner Leidenſchaften ungerecht ausſchließlich der patriciſchen Tyranney zugeſchrieben hat. Dieſer ward auf das Zeug- niß eines alten Soldaten verurtheilt, den der Tyrann nach ſieben und zwanzig Feldzuͤgen ohne auch nur einen Vorwand anfuͤhren zu koͤnnen hatte ſtaͤupen laſſen. Auch er endigte ſein Leben mit eigner Hand im Kerker. Die uͤbrigen verbannten ſich ehe eine beſtimmte Anklage ge- gen ſie erhoben war: ihr Vermoͤgen ward eingezogen wie das der beyden Verurtheilten. Nach der Beſtrafung der Tyrannen ſchien gleiche Gefahr uͤber ihren Mitſchuldigen zu ſchweben: und es fehlte nicht an erbitterten Anklaͤgern gegen einen großen

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/172>, abgerufen am 23.11.2024.