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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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verdunkelt fühlten, und ihre Autorität für die Vortheile
verkauften welche Appius für ihre Mitschuldigkeit an-
bot. Auch die Patricier waren wohl zum Theil nur
die Werkzeuge der eigentlichen Tyrannen. Wie Kritias
und Charikles die dreyßig, so beherrschten Appius Clau-
dius, und Q. Fabius, welcher dreymahl mit Auszeich-
nung Consul gewesen war, das ganze Collegium; doch
auch der letzte war von dem thätigeren und heftigeren
Ehrgeiz des jüngeren abhängig. Im ersten Jahr hatte
die Selbstständigkeit der einzelnen Decemvirn, bey der
unbegränzten Gewalt des ganzen Collegiums, die Frey-
heit erhalten; und im Volk nach so vieljährigen innern
Fehden das Gefühl der Behaglichkeit erregt welches die
milde Ausübung einer wohlwollenden unbeschränkten
Herrschaft hervorbringt. Jetzt empfand die Nation
welches Gut ihr jene unruhigen Bewegungen gesichert
hatten, und wie wenig sie ein zu theurer Preis waren.

Am ersten Tage der Magistratur erschien jeder der
Decemvirn mit den consularischen zwölf Lictoren. Der
Bürger welcher von dem ungerechten Spruch eines De-
cemvirs den Schutz eines andern anrief, empfand durch
vermehrte Mißhandlung daß sich alle wechselseitig ty-
rannische Willkühr zugesagt hatten. Es genügte ihnen
nicht die Bürger an Ehre und Vermögen zu kränken:
die Beile, welche Publicola innerhalb der Mauern aus
den Steckenbündeln der Lictoren genommen hatte, wa-
ren nicht umsonst von den Decemvirn wieder eingefügt,
und das erwählte Schlachtopfer blutete um die Wuth
des Tyrannen zu befriedigen, oder um ihn sicher zu

verdunkelt fuͤhlten, und ihre Autoritaͤt fuͤr die Vortheile
verkauften welche Appius fuͤr ihre Mitſchuldigkeit an-
bot. Auch die Patricier waren wohl zum Theil nur
die Werkzeuge der eigentlichen Tyrannen. Wie Kritias
und Charikles die dreyßig, ſo beherrſchten Appius Clau-
dius, und Q. Fabius, welcher dreymahl mit Auszeich-
nung Conſul geweſen war, das ganze Collegium; doch
auch der letzte war von dem thaͤtigeren und heftigeren
Ehrgeiz des juͤngeren abhaͤngig. Im erſten Jahr hatte
die Selbſtſtaͤndigkeit der einzelnen Decemvirn, bey der
unbegraͤnzten Gewalt des ganzen Collegiums, die Frey-
heit erhalten; und im Volk nach ſo vieljaͤhrigen innern
Fehden das Gefuͤhl der Behaglichkeit erregt welches die
milde Ausuͤbung einer wohlwollenden unbeſchraͤnkten
Herrſchaft hervorbringt. Jetzt empfand die Nation
welches Gut ihr jene unruhigen Bewegungen geſichert
hatten, und wie wenig ſie ein zu theurer Preis waren.

Am erſten Tage der Magiſtratur erſchien jeder der
Decemvirn mit den conſulariſchen zwoͤlf Lictoren. Der
Buͤrger welcher von dem ungerechten Spruch eines De-
cemvirs den Schutz eines andern anrief, empfand durch
vermehrte Mißhandlung daß ſich alle wechſelſeitig ty-
ranniſche Willkuͤhr zugeſagt hatten. Es genuͤgte ihnen
nicht die Buͤrger an Ehre und Vermoͤgen zu kraͤnken:
die Beile, welche Publicola innerhalb der Mauern aus
den Steckenbuͤndeln der Lictoren genommen hatte, wa-
ren nicht umſonſt von den Decemvirn wieder eingefuͤgt,
und das erwaͤhlte Schlachtopfer blutete um die Wuth
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[123/0139] verdunkelt fuͤhlten, und ihre Autoritaͤt fuͤr die Vortheile verkauften welche Appius fuͤr ihre Mitſchuldigkeit an- bot. Auch die Patricier waren wohl zum Theil nur die Werkzeuge der eigentlichen Tyrannen. Wie Kritias und Charikles die dreyßig, ſo beherrſchten Appius Clau- dius, und Q. Fabius, welcher dreymahl mit Auszeich- nung Conſul geweſen war, das ganze Collegium; doch auch der letzte war von dem thaͤtigeren und heftigeren Ehrgeiz des juͤngeren abhaͤngig. Im erſten Jahr hatte die Selbſtſtaͤndigkeit der einzelnen Decemvirn, bey der unbegraͤnzten Gewalt des ganzen Collegiums, die Frey- heit erhalten; und im Volk nach ſo vieljaͤhrigen innern Fehden das Gefuͤhl der Behaglichkeit erregt welches die milde Ausuͤbung einer wohlwollenden unbeſchraͤnkten Herrſchaft hervorbringt. Jetzt empfand die Nation welches Gut ihr jene unruhigen Bewegungen geſichert hatten, und wie wenig ſie ein zu theurer Preis waren. Am erſten Tage der Magiſtratur erſchien jeder der Decemvirn mit den conſulariſchen zwoͤlf Lictoren. Der Buͤrger welcher von dem ungerechten Spruch eines De- cemvirs den Schutz eines andern anrief, empfand durch vermehrte Mißhandlung daß ſich alle wechſelſeitig ty- ranniſche Willkuͤhr zugeſagt hatten. Es genuͤgte ihnen nicht die Buͤrger an Ehre und Vermoͤgen zu kraͤnken: die Beile, welche Publicola innerhalb der Mauern aus den Steckenbuͤndeln der Lictoren genommen hatte, wa- ren nicht umſonſt von den Decemvirn wieder eingefuͤgt, und das erwaͤhlte Schlachtopfer blutete um die Wuth des Tyrannen zu befriedigen, oder um ihn ſicher zu

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/139>, abgerufen am 24.11.2024.