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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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welche nur dadurch entstanden seyn kann daß mit gu-
tem Fug auf das Consulat, nachdem die Republik die-
ses als die alleinige Form der höchsten Macht anerkannt
hatte, angewandt ward, was für diese in einer andern
Gestalt verordnet war. Für die Richter fand sich noch
eine gezwungene Deutung bey der Meinung es sey un-
mittelbar von consularischer Verfassung die Rede: allein
für die ausdrücklich genannten Decemvirn keine. Er-
wägt man aber wie vieles anderes in der Herstellung
des Consulats nur auf eine vorläufige Maaßregel deu-
tet, wie denn, nach wenigen Jahren, die höchste Ge-
walt Militartribunen, ebenfalls um sie zwischen beyden
Ständen zu theilen, anvertraut, und die Censur abge-
sondert ward, so findet, wenn auch jenes Gesetz ein va-
lerisches und nicht tribunicisch gewesen, alles seine Deu-
tung. Es wäre die Absicht gewesen die höchste Gewalt
einem decemviralischen Collegium von Prätoren zu las-
sen, beschränkt durch Volkstribunen, deren Würde her-
gestellt war, und nur für damals wäre sie den beyden
Männern anvertraut geworden welche des Volks un-
eingeschränktes Vertrauen hatten. Nicht zu übersehen
ist eine Nachricht daß erst nach der Entsetzung der De-
cemvirn die beyden Häupter des Staats Consuln ge-
nannt geworden wären. Früher hätten sie den Feld-
herrntitel geführt 32): also, nach dem gewöhnlichen
Verhältniß des griechischen zum lateinischen Nahmen,
Prätoren, vielleicht aber wäre dieser ältere Titel, wie
in den latinischen Städten, Dictator gewesen, da die

32) Zonaras VII. c. 19.

welche nur dadurch entſtanden ſeyn kann daß mit gu-
tem Fug auf das Conſulat, nachdem die Republik die-
ſes als die alleinige Form der hoͤchſten Macht anerkannt
hatte, angewandt ward, was fuͤr dieſe in einer andern
Geſtalt verordnet war. Fuͤr die Richter fand ſich noch
eine gezwungene Deutung bey der Meinung es ſey un-
mittelbar von conſulariſcher Verfaſſung die Rede: allein
fuͤr die ausdruͤcklich genannten Decemvirn keine. Er-
waͤgt man aber wie vieles anderes in der Herſtellung
des Conſulats nur auf eine vorlaͤufige Maaßregel deu-
tet, wie denn, nach wenigen Jahren, die hoͤchſte Ge-
walt Militartribunen, ebenfalls um ſie zwiſchen beyden
Staͤnden zu theilen, anvertraut, und die Cenſur abge-
ſondert ward, ſo findet, wenn auch jenes Geſetz ein va-
leriſches und nicht tribuniciſch geweſen, alles ſeine Deu-
tung. Es waͤre die Abſicht geweſen die hoͤchſte Gewalt
einem decemviraliſchen Collegium von Praͤtoren zu laſ-
ſen, beſchraͤnkt durch Volkstribunen, deren Wuͤrde her-
geſtellt war, und nur fuͤr damals waͤre ſie den beyden
Maͤnnern anvertraut geworden welche des Volks un-
eingeſchraͤnktes Vertrauen hatten. Nicht zu uͤberſehen
iſt eine Nachricht daß erſt nach der Entſetzung der De-
cemvirn die beyden Haͤupter des Staats Conſuln ge-
nannt geworden waͤren. Fruͤher haͤtten ſie den Feld-
herrntitel gefuͤhrt 32): alſo, nach dem gewoͤhnlichen
Verhaͤltniß des griechiſchen zum lateiniſchen Nahmen,
Praͤtoren, vielleicht aber waͤre dieſer aͤltere Titel, wie
in den latiniſchen Staͤdten, Dictator geweſen, da die

32) Zonaras VII. c. 19.
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[118/0134] welche nur dadurch entſtanden ſeyn kann daß mit gu- tem Fug auf das Conſulat, nachdem die Republik die- ſes als die alleinige Form der hoͤchſten Macht anerkannt hatte, angewandt ward, was fuͤr dieſe in einer andern Geſtalt verordnet war. Fuͤr die Richter fand ſich noch eine gezwungene Deutung bey der Meinung es ſey un- mittelbar von conſulariſcher Verfaſſung die Rede: allein fuͤr die ausdruͤcklich genannten Decemvirn keine. Er- waͤgt man aber wie vieles anderes in der Herſtellung des Conſulats nur auf eine vorlaͤufige Maaßregel deu- tet, wie denn, nach wenigen Jahren, die hoͤchſte Ge- walt Militartribunen, ebenfalls um ſie zwiſchen beyden Staͤnden zu theilen, anvertraut, und die Cenſur abge- ſondert ward, ſo findet, wenn auch jenes Geſetz ein va- leriſches und nicht tribuniciſch geweſen, alles ſeine Deu- tung. Es waͤre die Abſicht geweſen die hoͤchſte Gewalt einem decemviraliſchen Collegium von Praͤtoren zu laſ- ſen, beſchraͤnkt durch Volkstribunen, deren Wuͤrde her- geſtellt war, und nur fuͤr damals waͤre ſie den beyden Maͤnnern anvertraut geworden welche des Volks un- eingeſchraͤnktes Vertrauen hatten. Nicht zu uͤberſehen iſt eine Nachricht daß erſt nach der Entſetzung der De- cemvirn die beyden Haͤupter des Staats Conſuln ge- nannt geworden waͤren. Fruͤher haͤtten ſie den Feld- herrntitel gefuͤhrt 32): alſo, nach dem gewoͤhnlichen Verhaͤltniß des griechiſchen zum lateiniſchen Nahmen, Praͤtoren, vielleicht aber waͤre dieſer aͤltere Titel, wie in den latiniſchen Staͤdten, Dictator geweſen, da die 32) Zonaras VII. c. 19.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/134>, abgerufen am 23.11.2024.