Uebels, wie im Rausch des Factionsgeistes, ver- breiten sich oft höchst ungerechte Urtheile, und be- mächtigen sich auch sehr tüchtiger Geister. Nicht zu reden von den Knechten der Mode und der Lüge, un- behülflichen litterarischen Gauklern und Springern, wie stark auch dies Unkraut in Deutschland wuchert. Wenn aber unter jenen Männern, die wir ehren, einzelne die päbstliche Hierarchie lobpreisen, Luther und Gustav Adolph schmähen, werden wir uns irre machen lassen, und nicht mit der Wahrheit des Gesche- henen ihr Urtheil von unserm Gemüth abwenden?
Ueber den Rhetor Dionysius als kritischen oder urtheilenden Historiker zu reden lohnt es der Mühe gar nicht. Livius als Autorität der Ansicht darf ich schon wegen der Inconsequenz und der Widersprüche verwerfen, welche in dieser Geschichte so oft ge- rügt sind.
Für ächt kann in der älteren Geschichte Roms nur der kürzeste Begriff der Vorfälle selbst gelten: jede Ausführlichkeit ist verdächtig: die beurtheilende Erzählung das Werk einer späten, dem Alterthum ganz fremd gewordenen Zeit. Und wie fremd! Sal- lust ist im Urtheil und im Verständniß der Geschichte
Uebels, wie im Rauſch des Factionsgeiſtes, ver- breiten ſich oft hoͤchſt ungerechte Urtheile, und be- maͤchtigen ſich auch ſehr tuͤchtiger Geiſter. Nicht zu reden von den Knechten der Mode und der Luͤge, un- behuͤlflichen litterariſchen Gauklern und Springern, wie ſtark auch dies Unkraut in Deutſchland wuchert. Wenn aber unter jenen Maͤnnern, die wir ehren, einzelne die paͤbſtliche Hierarchie lobpreiſen, Luther und Guſtav Adolph ſchmaͤhen, werden wir uns irre machen laſſen, und nicht mit der Wahrheit des Geſche- henen ihr Urtheil von unſerm Gemuͤth abwenden?
Ueber den Rhetor Dionyſius als kritiſchen oder urtheilenden Hiſtoriker zu reden lohnt es der Muͤhe gar nicht. Livius als Autoritaͤt der Anſicht darf ich ſchon wegen der Inconſequenz und der Widerſpruͤche verwerfen, welche in dieſer Geſchichte ſo oft ge- ruͤgt ſind.
Fuͤr aͤcht kann in der aͤlteren Geſchichte Roms nur der kuͤrzeſte Begriff der Vorfaͤlle ſelbſt gelten: jede Ausfuͤhrlichkeit iſt verdaͤchtig: die beurtheilende Erzaͤhlung das Werk einer ſpaͤten, dem Alterthum ganz fremd gewordenen Zeit. Und wie fremd! Sal- luſt iſt im Urtheil und im Verſtaͤndniß der Geſchichte
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[V/0011]
Uebels, wie im Rauſch des Factionsgeiſtes, ver-
breiten ſich oft hoͤchſt ungerechte Urtheile, und be-
maͤchtigen ſich auch ſehr tuͤchtiger Geiſter. Nicht zu
reden von den Knechten der Mode und der Luͤge, un-
behuͤlflichen litterariſchen Gauklern und Springern,
wie ſtark auch dies Unkraut in Deutſchland wuchert.
Wenn aber unter jenen Maͤnnern, die wir ehren,
einzelne die paͤbſtliche Hierarchie lobpreiſen, Luther
und Guſtav Adolph ſchmaͤhen, werden wir uns irre
machen laſſen, und nicht mit der Wahrheit des Geſche-
henen ihr Urtheil von unſerm Gemuͤth abwenden?
Ueber den Rhetor Dionyſius als kritiſchen oder
urtheilenden Hiſtoriker zu reden lohnt es der Muͤhe
gar nicht. Livius als Autoritaͤt der Anſicht darf ich
ſchon wegen der Inconſequenz und der Widerſpruͤche
verwerfen, welche in dieſer Geſchichte ſo oft ge-
ruͤgt ſind.
Fuͤr aͤcht kann in der aͤlteren Geſchichte Roms
nur der kuͤrzeſte Begriff der Vorfaͤlle ſelbſt gelten:
jede Ausfuͤhrlichkeit iſt verdaͤchtig: die beurtheilende
Erzaͤhlung das Werk einer ſpaͤten, dem Alterthum
ganz fremd gewordenen Zeit. Und wie fremd! Sal-
luſt iſt im Urtheil und im Verſtaͤndniß der Geſchichte
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/11>, abgerufen am 23.11.2024.
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