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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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höchst zweifelhaft, um so mehr da nicht geläugnet wird,
daß die Aequer eine latinische Stadt Ortona eingenom-
men hatten 85). Während des vejentischen Kriegs tru-
gen Latium und die Herniker des volskischen ganze Last,
so wie Rom von ihnen keine Hülfe erhalten zu haben
scheint. Unter den unaufhörlich wiederkehrenden einför-
migen Feldzügen gegenseitiger fruchtloser Verwüstung,
zeichnet den des Jahrs 283, in dem Appius Claudius das
Heer gegen die Volsker anführte, eine Empörung aus,
welche ihren Ursprung in der Zwietracht des Forums
hatte. Schon einmal hatte ein römisches Heer dem Sieg
entsagt, um einem verhaßten Consul den Triumph zu ent-
reissen: aber Appius war verabscheut. Die Soldaten
verweigerten ihm den Gehorsam, verließen die Schlacht-
ordnung, dann das Lager, und zwangen den Consul das
feindliche Gebiet zu räumen worin er schon eingedrungen
war. Das römische Kriegsrecht befugte ihn zu einer
Strenge, deren Ausübung durch ihre Unerbittlichkeit selten
nothwendig ward: er verurtheilte die Fahnenträger welche
ihre Fahnen verlohren; die Hauptleute welche sich von
ihren Manipeln entfernt hatten, und den zehnten Mann
unter den unbewaffnet entflohenen Gemeinen gestäupt und
enthauptet zu werden. Im Bewußtseyn der Schuld un-
terwarf sich das nur eben aufgelößte Heer dieser Strenge,
und so ward die Disciplin hergestellt und die Republik ge-
rettet. Es war nach strengem Recht vergoßnes Blut,
aber eine jammervolle Folge der Bürgerfehden: denn in

85) Dionysius VIII. c. 91. vergl. Sylburgs und Hudsons
Anmerkung.

hoͤchſt zweifelhaft, um ſo mehr da nicht gelaͤugnet wird,
daß die Aequer eine latiniſche Stadt Ortona eingenom-
men hatten 85). Waͤhrend des vejentiſchen Kriegs tru-
gen Latium und die Herniker des volskiſchen ganze Laſt,
ſo wie Rom von ihnen keine Huͤlfe erhalten zu haben
ſcheint. Unter den unaufhoͤrlich wiederkehrenden einfoͤr-
migen Feldzuͤgen gegenſeitiger fruchtloſer Verwuͤſtung,
zeichnet den des Jahrs 283, in dem Appius Claudius das
Heer gegen die Volsker anfuͤhrte, eine Empoͤrung aus,
welche ihren Urſprung in der Zwietracht des Forums
hatte. Schon einmal hatte ein roͤmiſches Heer dem Sieg
entſagt, um einem verhaßten Conſul den Triumph zu ent-
reiſſen: aber Appius war verabſcheut. Die Soldaten
verweigerten ihm den Gehorſam, verließen die Schlacht-
ordnung, dann das Lager, und zwangen den Conſul das
feindliche Gebiet zu raͤumen worin er ſchon eingedrungen
war. Das roͤmiſche Kriegsrecht befugte ihn zu einer
Strenge, deren Ausuͤbung durch ihre Unerbittlichkeit ſelten
nothwendig ward: er verurtheilte die Fahnentraͤger welche
ihre Fahnen verlohren; die Hauptleute welche ſich von
ihren Manipeln entfernt hatten, und den zehnten Mann
unter den unbewaffnet entflohenen Gemeinen geſtaͤupt und
enthauptet zu werden. Im Bewußtſeyn der Schuld un-
terwarf ſich das nur eben aufgeloͤßte Heer dieſer Strenge,
und ſo ward die Disciplin hergeſtellt und die Republik ge-
rettet. Es war nach ſtrengem Recht vergoßnes Blut,
aber eine jammervolle Folge der Buͤrgerfehden: denn in

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[84/0100] hoͤchſt zweifelhaft, um ſo mehr da nicht gelaͤugnet wird, daß die Aequer eine latiniſche Stadt Ortona eingenom- men hatten 85). Waͤhrend des vejentiſchen Kriegs tru- gen Latium und die Herniker des volskiſchen ganze Laſt, ſo wie Rom von ihnen keine Huͤlfe erhalten zu haben ſcheint. Unter den unaufhoͤrlich wiederkehrenden einfoͤr- migen Feldzuͤgen gegenſeitiger fruchtloſer Verwuͤſtung, zeichnet den des Jahrs 283, in dem Appius Claudius das Heer gegen die Volsker anfuͤhrte, eine Empoͤrung aus, welche ihren Urſprung in der Zwietracht des Forums hatte. Schon einmal hatte ein roͤmiſches Heer dem Sieg entſagt, um einem verhaßten Conſul den Triumph zu ent- reiſſen: aber Appius war verabſcheut. Die Soldaten verweigerten ihm den Gehorſam, verließen die Schlacht- ordnung, dann das Lager, und zwangen den Conſul das feindliche Gebiet zu raͤumen worin er ſchon eingedrungen war. Das roͤmiſche Kriegsrecht befugte ihn zu einer Strenge, deren Ausuͤbung durch ihre Unerbittlichkeit ſelten nothwendig ward: er verurtheilte die Fahnentraͤger welche ihre Fahnen verlohren; die Hauptleute welche ſich von ihren Manipeln entfernt hatten, und den zehnten Mann unter den unbewaffnet entflohenen Gemeinen geſtaͤupt und enthauptet zu werden. Im Bewußtſeyn der Schuld un- terwarf ſich das nur eben aufgeloͤßte Heer dieſer Strenge, und ſo ward die Disciplin hergeſtellt und die Republik ge- rettet. Es war nach ſtrengem Recht vergoßnes Blut, aber eine jammervolle Folge der Buͤrgerfehden: denn in 85) Dionyſius VIII. c. 91. vergl. Sylburgs und Hudſons Anmerkung.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/100>, abgerufen am 27.11.2024.