deten, ohne daß dieses als Beweis ihrer Herrschaft über ganz Italien angeführt werden darf. Eine Auswandrung durch das Land, bey der sie durch die Latiner und Vols- ker, sie zurücklassend, durchgedrungen wären, ist fast un- denkbar. Zwar erzählt die alte Sage, daß Mezentius über die Rutuler und Volsker herrschte 88); aber dieses Joch ward, nach ihrem eignen Inhalt, durch den lati- nischen Krieg gebrochen, und das Ganze ist unverträglich mit dem schon historischen Zeitpunkt der Auswandrung der tyrrhenischen Pelasger, welche die Etrusker erst bis an die Tiber brachte. Freylich haben auch die Römer durch das Land Colonieen an weit entfernte Orte gesandt, aber sie beherrschten dann die in der Mitte liegenden Gegen- den, und nie hätte Rom groß werden können, wenn alles zwischen Tiber und Vulturnus den Etruskern gehorsam gewesen wäre. Es hätte nicht entstehen können, denn un- terwürfige Völker stiften keine Colonieen. Acht und vier- zig Jahre vor Rom sollen Capua, damals Vulturnum ge- nannt, und Nola von den Etruskern gegründet seyn 89), welche auch in diesen Gegenden zwölf Städte bewohnt ha- ben sollen 90). Bis an den Silarus war die Küste Etru- skisches Gebiet; hier nahmen Samniter die Tyrrhenische Stadt Marcina ein 91).
Die Tuskischen Colonieen in Opika, entfernt von dem schon sinkenden Mutterlande, erlagen unter den Angriffen
88) Cato fragm. origg. in Cortius Sammlung.
89) Vellejus I. c. 7.
90) Strabo V. c. 4. §. 3.
91) Strabo V. c. 4. §. 13. Plinius H. N. III. c. 9.
deten, ohne daß dieſes als Beweis ihrer Herrſchaft uͤber ganz Italien angefuͤhrt werden darf. Eine Auswandrung durch das Land, bey der ſie durch die Latiner und Vols- ker, ſie zuruͤcklaſſend, durchgedrungen waͤren, iſt faſt un- denkbar. Zwar erzaͤhlt die alte Sage, daß Mezentius uͤber die Rutuler und Volſker herrſchte 88); aber dieſes Joch ward, nach ihrem eignen Inhalt, durch den lati- niſchen Krieg gebrochen, und das Ganze iſt unvertraͤglich mit dem ſchon hiſtoriſchen Zeitpunkt der Auswandrung der tyrrheniſchen Pelasger, welche die Etrusker erſt bis an die Tiber brachte. Freylich haben auch die Roͤmer durch das Land Colonieen an weit entfernte Orte geſandt, aber ſie beherrſchten dann die in der Mitte liegenden Gegen- den, und nie haͤtte Rom groß werden koͤnnen, wenn alles zwiſchen Tiber und Vulturnus den Etruskern gehorſam geweſen waͤre. Es haͤtte nicht entſtehen koͤnnen, denn un- terwuͤrfige Voͤlker ſtiften keine Colonieen. Acht und vier- zig Jahre vor Rom ſollen Capua, damals Vulturnum ge- nannt, und Nola von den Etruskern gegruͤndet ſeyn 89), welche auch in dieſen Gegenden zwoͤlf Staͤdte bewohnt ha- ben ſollen 90). Bis an den Silarus war die Kuͤſte Etru- ſkiſches Gebiet; hier nahmen Samniter die Tyrrheniſche Stadt Marcina ein 91).
Die Tuskiſchen Colonieen in Opika, entfernt von dem ſchon ſinkenden Mutterlande, erlagen unter den Angriffen
88) Cato fragm. origg. in Cortius Sammlung.
89) Vellejus I. c. 7.
90) Strabo V. c. 4. §. 3.
91) Strabo V. c. 4. §. 13. Plinius H. N. III. c. 9.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0075"n="53"/>
deten, ohne daß dieſes als Beweis ihrer Herrſchaft uͤber<lb/>
ganz Italien angefuͤhrt werden darf. Eine Auswandrung<lb/>
durch das Land, bey der ſie durch die Latiner und Vols-<lb/>
ker, ſie zuruͤcklaſſend, durchgedrungen waͤren, iſt faſt un-<lb/>
denkbar. Zwar erzaͤhlt die alte Sage, daß Mezentius<lb/>
uͤber die Rutuler und Volſker herrſchte <noteplace="foot"n="88)">Cato <hirendition="#aq">fragm. origg.</hi> in Cortius Sammlung.</note>; aber dieſes<lb/>
Joch ward, nach ihrem eignen Inhalt, durch den lati-<lb/>
niſchen Krieg gebrochen, und das Ganze iſt unvertraͤglich<lb/>
mit dem ſchon hiſtoriſchen Zeitpunkt der Auswandrung der<lb/>
tyrrheniſchen Pelasger, welche die Etrusker erſt bis an<lb/>
die Tiber brachte. Freylich haben auch die Roͤmer durch<lb/>
das Land Colonieen an weit entfernte Orte geſandt, aber<lb/>ſie beherrſchten dann die in der Mitte liegenden Gegen-<lb/>
den, und nie haͤtte Rom groß werden koͤnnen, wenn alles<lb/>
zwiſchen Tiber und Vulturnus den Etruskern gehorſam<lb/>
geweſen waͤre. Es haͤtte nicht entſtehen koͤnnen, denn un-<lb/>
terwuͤrfige Voͤlker ſtiften keine Colonieen. Acht und vier-<lb/>
zig Jahre vor Rom ſollen Capua, damals Vulturnum ge-<lb/>
nannt, und Nola von den Etruskern gegruͤndet ſeyn <noteplace="foot"n="89)">Vellejus <hirendition="#aq">I. c.</hi> 7.</note>,<lb/>
welche auch in dieſen Gegenden zwoͤlf Staͤdte bewohnt ha-<lb/>
ben ſollen <noteplace="foot"n="90)">Strabo <hirendition="#aq">V. c.</hi> 4. §. 3.</note>. Bis an den Silarus war die Kuͤſte Etru-<lb/>ſkiſches Gebiet; hier nahmen Samniter die Tyrrheniſche<lb/>
Stadt Marcina ein <noteplace="foot"n="91)">Strabo <hirendition="#aq">V. c.</hi> 4. §. 13. Plinius <hirendition="#aq">H. N. III. c.</hi> 9.</note>.</p><lb/><p>Die Tuskiſchen Colonieen in Opika, entfernt von dem<lb/>ſchon ſinkenden Mutterlande, erlagen unter den Angriffen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[53/0075]
deten, ohne daß dieſes als Beweis ihrer Herrſchaft uͤber
ganz Italien angefuͤhrt werden darf. Eine Auswandrung
durch das Land, bey der ſie durch die Latiner und Vols-
ker, ſie zuruͤcklaſſend, durchgedrungen waͤren, iſt faſt un-
denkbar. Zwar erzaͤhlt die alte Sage, daß Mezentius
uͤber die Rutuler und Volſker herrſchte 88); aber dieſes
Joch ward, nach ihrem eignen Inhalt, durch den lati-
niſchen Krieg gebrochen, und das Ganze iſt unvertraͤglich
mit dem ſchon hiſtoriſchen Zeitpunkt der Auswandrung der
tyrrheniſchen Pelasger, welche die Etrusker erſt bis an
die Tiber brachte. Freylich haben auch die Roͤmer durch
das Land Colonieen an weit entfernte Orte geſandt, aber
ſie beherrſchten dann die in der Mitte liegenden Gegen-
den, und nie haͤtte Rom groß werden koͤnnen, wenn alles
zwiſchen Tiber und Vulturnus den Etruskern gehorſam
geweſen waͤre. Es haͤtte nicht entſtehen koͤnnen, denn un-
terwuͤrfige Voͤlker ſtiften keine Colonieen. Acht und vier-
zig Jahre vor Rom ſollen Capua, damals Vulturnum ge-
nannt, und Nola von den Etruskern gegruͤndet ſeyn 89),
welche auch in dieſen Gegenden zwoͤlf Staͤdte bewohnt ha-
ben ſollen 90). Bis an den Silarus war die Kuͤſte Etru-
ſkiſches Gebiet; hier nahmen Samniter die Tyrrheniſche
Stadt Marcina ein 91).
Die Tuskiſchen Colonieen in Opika, entfernt von dem
ſchon ſinkenden Mutterlande, erlagen unter den Angriffen
88) Cato fragm. origg. in Cortius Sammlung.
89) Vellejus I. c. 7.
90) Strabo V. c. 4. §. 3.
91) Strabo V. c. 4. §. 13. Plinius H. N. III. c. 9.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/75>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.