Ankläger eben so wenig ein Reich der Freyheit und Gerech- tigkeit wollten, daß sein Tod ihnen nicht weniger willkom- men war weil es seinem Ehrgeiz gedient hatte gerechte For- derungen bey dem Volk zu erregen, als weil dieser Ehr- geiz die Republik bedrohte; das zeigt die unerschütterliche Dreistigkeit womit sie während des ganzen Zeitalters wel- ches von Cassius Verurtheilung bis auf die Ernennung der Gesetzgeber verging, die Ausführung ihres eignen Be- schlusses über die Verwaltung der Domaine verweigerten. Es wäre schmerzlich das Bild reiner republikanischer Tu- gend für diesen Zeitraum, der als der älteste auch der ehr- würdigste scheint, aus der Geschichte tilgen zu müssen, wenn sie nicht, soweit die eigenthümliche Sinnesart des Volks sie faßte, in einem späteren und historischen Zeital- ter mit heller Wahrheit erschiene. So lange die Patricier die Uebung der Willkühr behaupteten deren Beschränkung ihnen für Empörung galt, so lange büßten sie für Unge- rechtigkeit durch innre Verderbtheit: was sie als Herab- würdigung scheuten, die Herrschaft des Gesetzes über sie und alle Bürger mit gleicher Freyheit, ward ihrer Nach- kommen Segen, schuf ihre Tugend, und rettete Rom aus dem Verfall worin die Republik durch Unglück gesunken war: den kurzsichtiger Eigennutz noch lange erhielt als die Zeit schon innere Kraft wiedergebohren hatte die nach Entwicklung strebte, und aus der die römische Herrlich- keit hervorging.
Anklaͤger eben ſo wenig ein Reich der Freyheit und Gerech- tigkeit wollten, daß ſein Tod ihnen nicht weniger willkom- men war weil es ſeinem Ehrgeiz gedient hatte gerechte For- derungen bey dem Volk zu erregen, als weil dieſer Ehr- geiz die Republik bedrohte; das zeigt die unerſchuͤtterliche Dreiſtigkeit womit ſie waͤhrend des ganzen Zeitalters wel- ches von Caſſius Verurtheilung bis auf die Ernennung der Geſetzgeber verging, die Ausfuͤhrung ihres eignen Be- ſchluſſes uͤber die Verwaltung der Domaine verweigerten. Es waͤre ſchmerzlich das Bild reiner republikaniſcher Tu- gend fuͤr dieſen Zeitraum, der als der aͤlteſte auch der ehr- wuͤrdigſte ſcheint, aus der Geſchichte tilgen zu muͤſſen, wenn ſie nicht, ſoweit die eigenthuͤmliche Sinnesart des Volks ſie faßte, in einem ſpaͤteren und hiſtoriſchen Zeital- ter mit heller Wahrheit erſchiene. So lange die Patricier die Uebung der Willkuͤhr behaupteten deren Beſchraͤnkung ihnen fuͤr Empoͤrung galt, ſo lange buͤßten ſie fuͤr Unge- rechtigkeit durch innre Verderbtheit: was ſie als Herab- wuͤrdigung ſcheuten, die Herrſchaft des Geſetzes uͤber ſie und alle Buͤrger mit gleicher Freyheit, ward ihrer Nach- kommen Segen, ſchuf ihre Tugend, und rettete Rom aus dem Verfall worin die Republik durch Ungluͤck geſunken war: den kurzſichtiger Eigennutz noch lange erhielt als die Zeit ſchon innere Kraft wiedergebohren hatte die nach Entwicklung ſtrebte, und aus der die roͤmiſche Herrlich- keit hervorging.
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Anklaͤger eben ſo wenig ein Reich der Freyheit und Gerech-
tigkeit wollten, daß ſein Tod ihnen nicht weniger willkom-
men war weil es ſeinem Ehrgeiz gedient hatte gerechte For-
derungen bey dem Volk zu erregen, als weil dieſer Ehr-
geiz die Republik bedrohte; das zeigt die unerſchuͤtterliche
Dreiſtigkeit womit ſie waͤhrend des ganzen Zeitalters wel-
ches von Caſſius Verurtheilung bis auf die Ernennung der
Geſetzgeber verging, die Ausfuͤhrung ihres eignen Be-
ſchluſſes uͤber die Verwaltung der Domaine verweigerten.
Es waͤre ſchmerzlich das Bild reiner republikaniſcher Tu-
gend fuͤr dieſen Zeitraum, der als der aͤlteſte auch der ehr-
wuͤrdigſte ſcheint, aus der Geſchichte tilgen zu muͤſſen,
wenn ſie nicht, ſoweit die eigenthuͤmliche Sinnesart des
Volks ſie faßte, in einem ſpaͤteren und hiſtoriſchen Zeital-
ter mit heller Wahrheit erſchiene. So lange die Patricier
die Uebung der Willkuͤhr behaupteten deren Beſchraͤnkung
ihnen fuͤr Empoͤrung galt, ſo lange buͤßten ſie fuͤr Unge-
rechtigkeit durch innre Verderbtheit: was ſie als Herab-
wuͤrdigung ſcheuten, die Herrſchaft des Geſetzes uͤber ſie
und alle Buͤrger mit gleicher Freyheit, ward ihrer Nach-
kommen Segen, ſchuf ihre Tugend, und rettete Rom aus
dem Verfall worin die Republik durch Ungluͤck geſunken
war: den kurzſichtiger Eigennutz noch lange erhielt als
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/477>, abgerufen am 25.11.2024.
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