Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

natsbeschluß sehr glaublich 623): sehr glaublich leider auch
daß er mit unredlichem Herzen, das Volk zu täuschen,
aufgestellt ward, und wahrscheinlich daß die Patricier die
Regierungsveränderung benutzt hatten, um sich von al-
len Lasten zu befreyen.

Cassius Anträge wurden vereitelt: vielleicht, wie es
erzählt wird, durch den reinen Sinn des Volks, und die
in diesem Fall wohlthätige alte Timokratie, vielleicht durch
den Senat, oder die Gemeinde der Patricier verworfen.
Auch die Tribunen sollen gegen die gefährliche Gabe ge-
warnt haben. Nach dem Ende seines Consulats ward er
von den Blutrichtern -- denn nicht die späteren Quästo-
ren sondern diese sind hier zu verstehen -- vor der Volks-
gemeinde, oder, bey der absoluten Sonderung der Stände
welche damals noch galt, vor der patricischen Gemeinde
der Curien, auf den Tod angeklagt, weil er nach der Kö-
nigswürde gestrebt habe. Er ward verurtheilt und starb
den Tod eines Hochverräthers: sein Haus ward geschleift,
nach einem halben Jahrtausend lag die Stätte öde und
verflucht; sein Vermögen eingezogen, und der Werth der
Ceres geweiht. Nach andern Sagen sprach sein Vater das
Todesurtheil über ihn, und ließ es vollziehen.

An Cassius Schuld haben die Nachkommen nie ge-
zweifelt. Daß aber, wenn auch er schuldig fiel, seine

623) Hierauf scheint sich, obgleich Livius bey Cassius Consu-
lat von einem solchen Beschluß schweigt, und die Forderun-
gen der Tribunen auch vor dem Publilischen Gesetz, als
eigentliche und neue Ackergesetze darstellt, die Klage des Volks
bey ihm zu beziehen: IV. c. 51. jacere tamdiu irritas
sanctiones quae de suis commodis ferrentur.

natsbeſchluß ſehr glaublich 623): ſehr glaublich leider auch
daß er mit unredlichem Herzen, das Volk zu taͤuſchen,
aufgeſtellt ward, und wahrſcheinlich daß die Patricier die
Regierungsveraͤnderung benutzt hatten, um ſich von al-
len Laſten zu befreyen.

Caſſius Antraͤge wurden vereitelt: vielleicht, wie es
erzaͤhlt wird, durch den reinen Sinn des Volks, und die
in dieſem Fall wohlthaͤtige alte Timokratie, vielleicht durch
den Senat, oder die Gemeinde der Patricier verworfen.
Auch die Tribunen ſollen gegen die gefaͤhrliche Gabe ge-
warnt haben. Nach dem Ende ſeines Conſulats ward er
von den Blutrichtern — denn nicht die ſpaͤteren Quaͤſto-
ren ſondern dieſe ſind hier zu verſtehen — vor der Volks-
gemeinde, oder, bey der abſoluten Sonderung der Staͤnde
welche damals noch galt, vor der patriciſchen Gemeinde
der Curien, auf den Tod angeklagt, weil er nach der Koͤ-
nigswuͤrde geſtrebt habe. Er ward verurtheilt und ſtarb
den Tod eines Hochverraͤthers: ſein Haus ward geſchleift,
nach einem halben Jahrtauſend lag die Staͤtte oͤde und
verflucht; ſein Vermoͤgen eingezogen, und der Werth der
Ceres geweiht. Nach andern Sagen ſprach ſein Vater das
Todesurtheil uͤber ihn, und ließ es vollziehen.

An Caſſius Schuld haben die Nachkommen nie ge-
zweifelt. Daß aber, wenn auch er ſchuldig fiel, ſeine

623) Hierauf ſcheint ſich, obgleich Livius bey Caſſius Conſu-
lat von einem ſolchen Beſchluß ſchweigt, und die Forderun-
gen der Tribunen auch vor dem Publiliſchen Geſetz, als
eigentliche und neue Ackergeſetze darſtellt, die Klage des Volks
bey ihm zu beziehen: IV. c. 51. jacere tamdiu irritas
sanctiones quæ de suis commodis ferrentur.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0476" n="454"/>
natsbe&#x017F;chluß &#x017F;ehr glaublich <note place="foot" n="623)">Hierauf &#x017F;cheint &#x017F;ich, obgleich Livius bey Ca&#x017F;&#x017F;ius Con&#x017F;u-<lb/>
lat von einem &#x017F;olchen Be&#x017F;chluß &#x017F;chweigt, und die Forderun-<lb/>
gen der Tribunen auch vor dem Publili&#x017F;chen Ge&#x017F;etz, als<lb/>
eigentliche und neue Ackerge&#x017F;etze dar&#x017F;tellt, die Klage des Volks<lb/>
bey ihm zu beziehen: <hi rendition="#aq">IV. c. 51. jacere tamdiu irritas<lb/>
sanctiones quæ de suis commodis ferrentur.</hi></note>: &#x017F;ehr glaublich leider auch<lb/>
daß er mit unredlichem Herzen, das Volk zu ta&#x0364;u&#x017F;chen,<lb/>
aufge&#x017F;tellt ward, und wahr&#x017F;cheinlich daß die Patricier die<lb/>
Regierungsvera&#x0364;nderung benutzt hatten, um &#x017F;ich von al-<lb/>
len La&#x017F;ten zu befreyen.</p><lb/>
          <p>Ca&#x017F;&#x017F;ius Antra&#x0364;ge wurden vereitelt: vielleicht, wie es<lb/>
erza&#x0364;hlt wird, durch den reinen Sinn des Volks, und die<lb/>
in die&#x017F;em Fall wohltha&#x0364;tige alte Timokratie, vielleicht durch<lb/>
den Senat, oder die Gemeinde der Patricier verworfen.<lb/>
Auch die Tribunen &#x017F;ollen gegen die gefa&#x0364;hrliche Gabe ge-<lb/>
warnt haben. Nach dem Ende &#x017F;eines Con&#x017F;ulats ward er<lb/>
von den Blutrichtern &#x2014; denn nicht die &#x017F;pa&#x0364;teren Qua&#x0364;&#x017F;to-<lb/>
ren &#x017F;ondern die&#x017F;e &#x017F;ind hier zu ver&#x017F;tehen &#x2014; vor der Volks-<lb/>
gemeinde, oder, bey der ab&#x017F;oluten Sonderung der Sta&#x0364;nde<lb/>
welche damals noch galt, vor der patrici&#x017F;chen Gemeinde<lb/>
der Curien, auf den Tod angeklagt, weil er nach der Ko&#x0364;-<lb/>
nigswu&#x0364;rde ge&#x017F;trebt habe. Er ward verurtheilt und &#x017F;tarb<lb/>
den Tod eines Hochverra&#x0364;thers: &#x017F;ein Haus ward ge&#x017F;chleift,<lb/>
nach einem halben Jahrtau&#x017F;end lag die Sta&#x0364;tte o&#x0364;de und<lb/>
verflucht; &#x017F;ein Vermo&#x0364;gen eingezogen, und der Werth der<lb/>
Ceres geweiht. Nach andern Sagen &#x017F;prach &#x017F;ein Vater das<lb/>
Todesurtheil u&#x0364;ber ihn, und ließ es vollziehen.</p><lb/>
          <p>An Ca&#x017F;&#x017F;ius Schuld haben die Nachkommen nie ge-<lb/>
zweifelt. Daß aber, wenn auch er &#x017F;chuldig fiel, &#x017F;eine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[454/0476] natsbeſchluß ſehr glaublich 623): ſehr glaublich leider auch daß er mit unredlichem Herzen, das Volk zu taͤuſchen, aufgeſtellt ward, und wahrſcheinlich daß die Patricier die Regierungsveraͤnderung benutzt hatten, um ſich von al- len Laſten zu befreyen. Caſſius Antraͤge wurden vereitelt: vielleicht, wie es erzaͤhlt wird, durch den reinen Sinn des Volks, und die in dieſem Fall wohlthaͤtige alte Timokratie, vielleicht durch den Senat, oder die Gemeinde der Patricier verworfen. Auch die Tribunen ſollen gegen die gefaͤhrliche Gabe ge- warnt haben. Nach dem Ende ſeines Conſulats ward er von den Blutrichtern — denn nicht die ſpaͤteren Quaͤſto- ren ſondern dieſe ſind hier zu verſtehen — vor der Volks- gemeinde, oder, bey der abſoluten Sonderung der Staͤnde welche damals noch galt, vor der patriciſchen Gemeinde der Curien, auf den Tod angeklagt, weil er nach der Koͤ- nigswuͤrde geſtrebt habe. Er ward verurtheilt und ſtarb den Tod eines Hochverraͤthers: ſein Haus ward geſchleift, nach einem halben Jahrtauſend lag die Staͤtte oͤde und verflucht; ſein Vermoͤgen eingezogen, und der Werth der Ceres geweiht. Nach andern Sagen ſprach ſein Vater das Todesurtheil uͤber ihn, und ließ es vollziehen. An Caſſius Schuld haben die Nachkommen nie ge- zweifelt. Daß aber, wenn auch er ſchuldig fiel, ſeine 623) Hierauf ſcheint ſich, obgleich Livius bey Caſſius Conſu- lat von einem ſolchen Beſchluß ſchweigt, und die Forderun- gen der Tribunen auch vor dem Publiliſchen Geſetz, als eigentliche und neue Ackergeſetze darſtellt, die Klage des Volks bey ihm zu beziehen: IV. c. 51. jacere tamdiu irritas sanctiones quæ de suis commodis ferrentur.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/476
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/476>, abgerufen am 23.11.2024.