und dies ohne eine Schlacht, und gegen die, nach den Römischen Annalisten, ewig sieggewohnten Römer. Wie viel innern Spaltungen Schuld gegeben werden mag, und doch grade hier schweigt Livius von tribunicischen Bewe- gungen, die sich auch zuverlässig nicht zur Begünstigung der Waffen desjenigen erhoben hätten von dem Tribunen und Volk alles äußerste besorgen mußten; eine solche Un- thätigkeit erklärt sich nicht. In der allgemeinen Fabel- haftigkeit rechtfertigt eine Sage es nicht eine gräßliche Vermuthung zu hegen, welche sie unläugbar veranlaßt. Wer da glaubt die Volsker hätten dem römischen Helden den Oberbefehl ihres Heers anvertraut, muß einräumen, der verbannte Patricier habe seinen Krieg, und den Krieg seines Standes mit volskischer Macht gegen das Vater- land geführt. Es wird erzählt er habe die Landgüter der Patricier gegen alle Verheerung gesichert, während der Soldat die plebejischen Bauerhufen verbrannte und ver- wüstete. Wäre dies historisch wahr so konnte es keine Kriegslist seyn um Mißtrauen gegen die Häupter des Staats zu erwecken; wie Archidamus und die Spartaner ihres verhaßtesten Feindes Perikles Landgut verschonten. Die ungesuchteste, und von den Leidenschaften am meisten empfohlne Erklärung brachte das Leben seiner Freunde in Gefahr, und konnte zu einer Empörung führen welche der Feldherr als die Fieberkraft der Raserey entwickelnd nicht weniger zu erregen scheinen mußte denn als Freund dem die Opfer vor Augen standen. Wäre nicht die ganze Dar- stellung Gedicht, wäre es nicht, auch davon abgesehen, eine Pflicht des Gewissens keinen unbewährten Argwohn
und dies ohne eine Schlacht, und gegen die, nach den Roͤmiſchen Annaliſten, ewig ſieggewohnten Roͤmer. Wie viel innern Spaltungen Schuld gegeben werden mag, und doch grade hier ſchweigt Livius von tribuniciſchen Bewe- gungen, die ſich auch zuverlaͤſſig nicht zur Beguͤnſtigung der Waffen desjenigen erhoben haͤtten von dem Tribunen und Volk alles aͤußerſte beſorgen mußten; eine ſolche Un- thaͤtigkeit erklaͤrt ſich nicht. In der allgemeinen Fabel- haftigkeit rechtfertigt eine Sage es nicht eine graͤßliche Vermuthung zu hegen, welche ſie unlaͤugbar veranlaßt. Wer da glaubt die Volsker haͤtten dem roͤmiſchen Helden den Oberbefehl ihres Heers anvertraut, muß einraͤumen, der verbannte Patricier habe ſeinen Krieg, und den Krieg ſeines Standes mit volskiſcher Macht gegen das Vater- land gefuͤhrt. Es wird erzaͤhlt er habe die Landguͤter der Patricier gegen alle Verheerung geſichert, waͤhrend der Soldat die plebejiſchen Bauerhufen verbrannte und ver- wuͤſtete. Waͤre dies hiſtoriſch wahr ſo konnte es keine Kriegsliſt ſeyn um Mißtrauen gegen die Haͤupter des Staats zu erwecken; wie Archidamus und die Spartaner ihres verhaßteſten Feindes Perikles Landgut verſchonten. Die ungeſuchteſte, und von den Leidenſchaften am meiſten empfohlne Erklaͤrung brachte das Leben ſeiner Freunde in Gefahr, und konnte zu einer Empoͤrung fuͤhren welche der Feldherr als die Fieberkraft der Raſerey entwickelnd nicht weniger zu erregen ſcheinen mußte denn als Freund dem die Opfer vor Augen ſtanden. Waͤre nicht die ganze Dar- ſtellung Gedicht, waͤre es nicht, auch davon abgeſehen, eine Pflicht des Gewiſſens keinen unbewaͤhrten Argwohn
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und dies ohne eine Schlacht, und gegen die, nach den
Roͤmiſchen Annaliſten, ewig ſieggewohnten Roͤmer. Wie
viel innern Spaltungen Schuld gegeben werden mag, und
doch grade hier ſchweigt Livius von tribuniciſchen Bewe-
gungen, die ſich auch zuverlaͤſſig nicht zur Beguͤnſtigung
der Waffen desjenigen erhoben haͤtten von dem Tribunen
und Volk alles aͤußerſte beſorgen mußten; eine ſolche Un-
thaͤtigkeit erklaͤrt ſich nicht. In der allgemeinen Fabel-
haftigkeit rechtfertigt eine Sage es nicht eine graͤßliche
Vermuthung zu hegen, welche ſie unlaͤugbar veranlaßt.
Wer da glaubt die Volsker haͤtten dem roͤmiſchen Helden
den Oberbefehl ihres Heers anvertraut, muß einraͤumen,
der verbannte Patricier habe ſeinen Krieg, und den Krieg
ſeines Standes mit volskiſcher Macht gegen das Vater-
land gefuͤhrt. Es wird erzaͤhlt er habe die Landguͤter der
Patricier gegen alle Verheerung geſichert, waͤhrend der
Soldat die plebejiſchen Bauerhufen verbrannte und ver-
wuͤſtete. Waͤre dies hiſtoriſch wahr ſo konnte es keine
Kriegsliſt ſeyn um Mißtrauen gegen die Haͤupter des
Staats zu erwecken; wie Archidamus und die Spartaner
ihres verhaßteſten Feindes Perikles Landgut verſchonten.
Die ungeſuchteſte, und von den Leidenſchaften am meiſten
empfohlne Erklaͤrung brachte das Leben ſeiner Freunde in
Gefahr, und konnte zu einer Empoͤrung fuͤhren welche der
Feldherr als die Fieberkraft der Raſerey entwickelnd nicht
weniger zu erregen ſcheinen mußte denn als Freund dem
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ſtellung Gedicht, waͤre es nicht, auch davon abgeſehen,
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/460>, abgerufen am 23.11.2024.
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