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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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die Gesetzlichkeit und Mäßigung des Volks schlecht erwie-
dert. Die Tribunen verfolgten ein unbestreitbares stren-
ges Recht; und es konnte eine unglückliche Nothwendig-
keit obwalten durch ein Strafbeyspiel von Unternehmun-
gen abzuschrecken die, wenn sie nicht im Keime erstickt
wurden, nur durch einen Bürgerkrieg abgewandt werden
konnten. Die Volksgemeinde war das natürliche und
vertragsmäßige Gericht über jeden Versuch gegen die
Freyheiten des plebejischen Standes; es ersetzte die blinde
Selbstrache der Menge, welche den vermessenen Frevler
schon bedrohte. Die Unverantwortlichkeit des Senats für
die Verwaltung konnte nicht schützen wo der heilig be-
schworne Vertrag mit dem Volk Acht über den aussprach
der ihn verletzen würde. Daher ist es auch wahrscheinli-
cher daß die Klage, den beschwornen Gesetzen gemäß, auf
den Tod gerichtet war als auf ewige Verbannung, und
daß ihn diese, nach römischer Sitte, durch freywillige
Entfernung getroffen hat.

Coriolans Vorschlag war im Senat mit leichtsinnigem
Beyfall gehört worden; als aber die unausbleibliche Ge-
fahr erschien, fiel die Kühnheit der Unbesonnenen. Sie
versuchten es die Plebejer einzeln von der Versammlung
zum Gericht abzumahnen und zu schrecken: da dieses
nicht fruchtete ließen sich alle Patricier zu demüthigen Bit-
ten herab. Es war zu spät, und eine entschiedene Mehr-
heit der Tribus, wenn, wovon Livius nichts weiß, wirklich
einige erweicht wurden, sprach die Verurtheilung aus.

Coriolanus wandte sich nach Antium, der westlichen
Volsker Hauptstadt. Die Erzählung seines zutrauensvol-

die Geſetzlichkeit und Maͤßigung des Volks ſchlecht erwie-
dert. Die Tribunen verfolgten ein unbeſtreitbares ſtren-
ges Recht; und es konnte eine ungluͤckliche Nothwendig-
keit obwalten durch ein Strafbeyſpiel von Unternehmun-
gen abzuſchrecken die, wenn ſie nicht im Keime erſtickt
wurden, nur durch einen Buͤrgerkrieg abgewandt werden
konnten. Die Volksgemeinde war das natuͤrliche und
vertragsmaͤßige Gericht uͤber jeden Verſuch gegen die
Freyheiten des plebejiſchen Standes; es erſetzte die blinde
Selbſtrache der Menge, welche den vermeſſenen Frevler
ſchon bedrohte. Die Unverantwortlichkeit des Senats fuͤr
die Verwaltung konnte nicht ſchuͤtzen wo der heilig be-
ſchworne Vertrag mit dem Volk Acht uͤber den ausſprach
der ihn verletzen wuͤrde. Daher iſt es auch wahrſcheinli-
cher daß die Klage, den beſchwornen Geſetzen gemaͤß, auf
den Tod gerichtet war als auf ewige Verbannung, und
daß ihn dieſe, nach roͤmiſcher Sitte, durch freywillige
Entfernung getroffen hat.

Coriolans Vorſchlag war im Senat mit leichtſinnigem
Beyfall gehoͤrt worden; als aber die unausbleibliche Ge-
fahr erſchien, fiel die Kuͤhnheit der Unbeſonnenen. Sie
verſuchten es die Plebejer einzeln von der Verſammlung
zum Gericht abzumahnen und zu ſchrecken: da dieſes
nicht fruchtete ließen ſich alle Patricier zu demuͤthigen Bit-
ten herab. Es war zu ſpaͤt, und eine entſchiedene Mehr-
heit der Tribus, wenn, wovon Livius nichts weiß, wirklich
einige erweicht wurden, ſprach die Verurtheilung aus.

Coriolanus wandte ſich nach Antium, der weſtlichen
Volsker Hauptſtadt. Die Erzaͤhlung ſeines zutrauensvol-

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[434/0456] die Geſetzlichkeit und Maͤßigung des Volks ſchlecht erwie- dert. Die Tribunen verfolgten ein unbeſtreitbares ſtren- ges Recht; und es konnte eine ungluͤckliche Nothwendig- keit obwalten durch ein Strafbeyſpiel von Unternehmun- gen abzuſchrecken die, wenn ſie nicht im Keime erſtickt wurden, nur durch einen Buͤrgerkrieg abgewandt werden konnten. Die Volksgemeinde war das natuͤrliche und vertragsmaͤßige Gericht uͤber jeden Verſuch gegen die Freyheiten des plebejiſchen Standes; es erſetzte die blinde Selbſtrache der Menge, welche den vermeſſenen Frevler ſchon bedrohte. Die Unverantwortlichkeit des Senats fuͤr die Verwaltung konnte nicht ſchuͤtzen wo der heilig be- ſchworne Vertrag mit dem Volk Acht uͤber den ausſprach der ihn verletzen wuͤrde. Daher iſt es auch wahrſcheinli- cher daß die Klage, den beſchwornen Geſetzen gemaͤß, auf den Tod gerichtet war als auf ewige Verbannung, und daß ihn dieſe, nach roͤmiſcher Sitte, durch freywillige Entfernung getroffen hat. Coriolans Vorſchlag war im Senat mit leichtſinnigem Beyfall gehoͤrt worden; als aber die unausbleibliche Ge- fahr erſchien, fiel die Kuͤhnheit der Unbeſonnenen. Sie verſuchten es die Plebejer einzeln von der Verſammlung zum Gericht abzumahnen und zu ſchrecken: da dieſes nicht fruchtete ließen ſich alle Patricier zu demuͤthigen Bit- ten herab. Es war zu ſpaͤt, und eine entſchiedene Mehr- heit der Tribus, wenn, wovon Livius nichts weiß, wirklich einige erweicht wurden, ſprach die Verurtheilung aus. Coriolanus wandte ſich nach Antium, der weſtlichen Volsker Hauptſtadt. Die Erzaͤhlung ſeines zutrauensvol-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/456>, abgerufen am 22.11.2024.