Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

fähig ist; das was in Rom das Tribunat in seinem ur-
sprünglichen Sinn war.

Einen ähnlichen Zweck als Rom hatte Sparta da es
sich den Magistrat der Ephoren gab. Aber in Sparta war
die höchste Würde erblich und lebenswierig; und der Se-
nat vereinigte die Geschäfte der meisten Magistraturen de-
ren Ausübung zu Rom nur auf ein Jahr verliehen ward.
Auch ward das Volk sehr selten versammelt, und die Ari-
stokratie räumte ihm wenige Entscheidungen ein. Daher
kam es daß die Ephoren die Würde und das Ansehen der
höchsten Macht vernichten mußten; denn der Schuldige
war immer in ihren Mantel gehüllt: daher waren die
Ephoren nicht die Organe, nicht Repräsentanten des
Volks im römischen Sinn; denn die Aristokratie duldete
eher ihre gewaltsamen Entscheidungen als rechtmäßige Ur-
theilssprüche des Volks; so daß sie in dem Sinn seine
Stellvertreter waren wie die Politiker des achtzehnten
Jahrhunderts es forderten: Erwählte, welche gegen die
höchste Gewalt und gegen ihre Wähler, als ob ihnen eine
dem Volk vermeintlich beywohnende tyrannische Macht
ohne Gränzen übertragen wäre, willkührlich verfuhren:
daher wurden die Ephoren eine Magistratur die sich über
alle andre erhob, und sogar das Tribunal welches über
seine eignen Anklagen richtete; und durch sie ward Spar-
tas Verfassung die tyrannischeste die leicht irgend ein Volk
ertragen hat. Die Gleichheit aller Plebejer in der römischen
Volksgemeinde machte diese freylich demokratisch: nie aber,
so lange sich der Geist der ursprünglichen Verfassung erhielt,
haben sich in ihr die Fehler gezeigt welche von dieser poli-

faͤhig iſt; das was in Rom das Tribunat in ſeinem ur-
ſpruͤnglichen Sinn war.

Einen aͤhnlichen Zweck als Rom hatte Sparta da es
ſich den Magiſtrat der Ephoren gab. Aber in Sparta war
die hoͤchſte Wuͤrde erblich und lebenswierig; und der Se-
nat vereinigte die Geſchaͤfte der meiſten Magiſtraturen de-
ren Ausuͤbung zu Rom nur auf ein Jahr verliehen ward.
Auch ward das Volk ſehr ſelten verſammelt, und die Ari-
ſtokratie raͤumte ihm wenige Entſcheidungen ein. Daher
kam es daß die Ephoren die Wuͤrde und das Anſehen der
hoͤchſten Macht vernichten mußten; denn der Schuldige
war immer in ihren Mantel gehuͤllt: daher waren die
Ephoren nicht die Organe, nicht Repraͤſentanten des
Volks im roͤmiſchen Sinn; denn die Ariſtokratie duldete
eher ihre gewaltſamen Entſcheidungen als rechtmaͤßige Ur-
theilsſpruͤche des Volks; ſo daß ſie in dem Sinn ſeine
Stellvertreter waren wie die Politiker des achtzehnten
Jahrhunderts es forderten: Erwaͤhlte, welche gegen die
hoͤchſte Gewalt und gegen ihre Waͤhler, als ob ihnen eine
dem Volk vermeintlich beywohnende tyranniſche Macht
ohne Graͤnzen uͤbertragen waͤre, willkuͤhrlich verfuhren:
daher wurden die Ephoren eine Magiſtratur die ſich uͤber
alle andre erhob, und ſogar das Tribunal welches uͤber
ſeine eignen Anklagen richtete; und durch ſie ward Spar-
tas Verfaſſung die tyranniſcheſte die leicht irgend ein Volk
ertragen hat. Die Gleichheit aller Plebejer in der roͤmiſchen
Volksgemeinde machte dieſe freylich demokratiſch: nie aber,
ſo lange ſich der Geiſt der urſpruͤnglichen Verfaſſung erhielt,
haben ſich in ihr die Fehler gezeigt welche von dieſer poli-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0442" n="420"/>
fa&#x0364;hig i&#x017F;t; das was in Rom das Tribunat in &#x017F;einem ur-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;nglichen Sinn war.</p><lb/>
          <p>Einen a&#x0364;hnlichen Zweck als Rom hatte Sparta da es<lb/>
&#x017F;ich den Magi&#x017F;trat der Ephoren gab. Aber in Sparta war<lb/>
die ho&#x0364;ch&#x017F;te Wu&#x0364;rde erblich und lebenswierig; und der Se-<lb/>
nat vereinigte die Ge&#x017F;cha&#x0364;fte der mei&#x017F;ten Magi&#x017F;traturen de-<lb/>
ren Ausu&#x0364;bung zu Rom nur auf ein Jahr verliehen ward.<lb/>
Auch ward das Volk &#x017F;ehr &#x017F;elten ver&#x017F;ammelt, und die Ari-<lb/>
&#x017F;tokratie ra&#x0364;umte ihm wenige Ent&#x017F;cheidungen ein. Daher<lb/>
kam es daß die Ephoren die Wu&#x0364;rde und das An&#x017F;ehen der<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Macht vernichten mußten; denn der Schuldige<lb/>
war immer in ihren Mantel gehu&#x0364;llt: daher waren die<lb/>
Ephoren nicht die Organe, nicht Repra&#x0364;&#x017F;entanten des<lb/>
Volks im ro&#x0364;mi&#x017F;chen Sinn; denn die Ari&#x017F;tokratie duldete<lb/>
eher ihre gewalt&#x017F;amen Ent&#x017F;cheidungen als rechtma&#x0364;ßige Ur-<lb/>
theils&#x017F;pru&#x0364;che des Volks; &#x017F;o daß &#x017F;ie in dem Sinn &#x017F;eine<lb/>
Stellvertreter waren wie die Politiker des achtzehnten<lb/>
Jahrhunderts es forderten: Erwa&#x0364;hlte, welche gegen die<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;te Gewalt und gegen ihre Wa&#x0364;hler, als ob ihnen eine<lb/>
dem Volk vermeintlich beywohnende tyranni&#x017F;che Macht<lb/>
ohne Gra&#x0364;nzen u&#x0364;bertragen wa&#x0364;re, willku&#x0364;hrlich verfuhren:<lb/>
daher wurden die Ephoren eine Magi&#x017F;tratur die &#x017F;ich u&#x0364;ber<lb/>
alle andre erhob, und &#x017F;ogar das Tribunal welches u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;eine eignen Anklagen richtete; und durch &#x017F;ie ward Spar-<lb/>
tas Verfa&#x017F;&#x017F;ung die tyranni&#x017F;che&#x017F;te die leicht irgend ein Volk<lb/>
ertragen hat. Die Gleichheit aller Plebejer in der ro&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
Volksgemeinde machte die&#x017F;e freylich demokrati&#x017F;ch: nie aber,<lb/>
&#x017F;o lange &#x017F;ich der Gei&#x017F;t der ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Verfa&#x017F;&#x017F;ung erhielt,<lb/>
haben &#x017F;ich in ihr die Fehler gezeigt welche von die&#x017F;er poli-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0442] faͤhig iſt; das was in Rom das Tribunat in ſeinem ur- ſpruͤnglichen Sinn war. Einen aͤhnlichen Zweck als Rom hatte Sparta da es ſich den Magiſtrat der Ephoren gab. Aber in Sparta war die hoͤchſte Wuͤrde erblich und lebenswierig; und der Se- nat vereinigte die Geſchaͤfte der meiſten Magiſtraturen de- ren Ausuͤbung zu Rom nur auf ein Jahr verliehen ward. Auch ward das Volk ſehr ſelten verſammelt, und die Ari- ſtokratie raͤumte ihm wenige Entſcheidungen ein. Daher kam es daß die Ephoren die Wuͤrde und das Anſehen der hoͤchſten Macht vernichten mußten; denn der Schuldige war immer in ihren Mantel gehuͤllt: daher waren die Ephoren nicht die Organe, nicht Repraͤſentanten des Volks im roͤmiſchen Sinn; denn die Ariſtokratie duldete eher ihre gewaltſamen Entſcheidungen als rechtmaͤßige Ur- theilsſpruͤche des Volks; ſo daß ſie in dem Sinn ſeine Stellvertreter waren wie die Politiker des achtzehnten Jahrhunderts es forderten: Erwaͤhlte, welche gegen die hoͤchſte Gewalt und gegen ihre Waͤhler, als ob ihnen eine dem Volk vermeintlich beywohnende tyranniſche Macht ohne Graͤnzen uͤbertragen waͤre, willkuͤhrlich verfuhren: daher wurden die Ephoren eine Magiſtratur die ſich uͤber alle andre erhob, und ſogar das Tribunal welches uͤber ſeine eignen Anklagen richtete; und durch ſie ward Spar- tas Verfaſſung die tyranniſcheſte die leicht irgend ein Volk ertragen hat. Die Gleichheit aller Plebejer in der roͤmiſchen Volksgemeinde machte dieſe freylich demokratiſch: nie aber, ſo lange ſich der Geiſt der urſpruͤnglichen Verfaſſung erhielt, haben ſich in ihr die Fehler gezeigt welche von dieſer poli-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/442
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/442>, abgerufen am 24.11.2024.