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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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vorbeugen können, wenn er einzelne Ungerechtigkeiten und
Unterdrückungen seiner Standsgenossen mit Strenge ge-
ahndet hätte, und wenn ein herrschender Stand seiner
Habsucht geböte. Dieses schien überflüssig als das
Schreckbild des verbannten Königs verschwunden war,
und die aristokratische Unterdrückung trieb ein Volk
welches den Königen ohne Murren gehorcht hatte, ob-
gleich sie nicht wenig gefordert zu haben scheinen, zu
Verzweiflung und Aufstand.

In den meisten Staaten des Alterthums deren Ge-
schichte in einiger Anschaulichkeit erhalten ist, entstanden
die größten Unruhen aus allgemeiner Privatverschuldung.
Rom ist von diesem Uebel heftiger ergriffen worden als
das demokratische Athen, welches nur Ein Beyspiel eines
allgemeinen Bankerotts erfahren hat: nämlich zu Solons
Zeit: viermal bis auf Cäsar ist zu Rom, in der Stadt
welche vor allen griechischen auf die Verehrung der Treue
stolz war, die Treue in Hinsicht auf das Capital der
Schulden gebrochen worden; und wahrscheinlich ist uns
die Nachricht von wenigstens noch einem ähnlichen Verge-
hen in dem Ruin eines Theils der römischen Geschichte
verborgen. Mehrmals hat auch der Staat sich willkühr-
liche Aenderungen des Zinsfußes, und durch eine Münz-
reduction Wortbrüchigkeit an seinen Gläubigern erlaubt.
Aus dieser unglücklichen Quelle persönlicher Noth entstan-
den die Volksbewegungen, wodurch Rom, von seinem wal-
tenden Glück beschützt, durch Vorfälle die zum Verderben
und zur Auflösung führen zu müssen schienen, eine neue Ent-
wicklung und Vervollkommnung seiner Verfassung gewann.


vorbeugen koͤnnen, wenn er einzelne Ungerechtigkeiten und
Unterdruͤckungen ſeiner Standsgenoſſen mit Strenge ge-
ahndet haͤtte, und wenn ein herrſchender Stand ſeiner
Habſucht geboͤte. Dieſes ſchien uͤberfluͤſſig als das
Schreckbild des verbannten Koͤnigs verſchwunden war,
und die ariſtokratiſche Unterdruͤckung trieb ein Volk
welches den Koͤnigen ohne Murren gehorcht hatte, ob-
gleich ſie nicht wenig gefordert zu haben ſcheinen, zu
Verzweiflung und Aufſtand.

In den meiſten Staaten des Alterthums deren Ge-
ſchichte in einiger Anſchaulichkeit erhalten iſt, entſtanden
die groͤßten Unruhen aus allgemeiner Privatverſchuldung.
Rom iſt von dieſem Uebel heftiger ergriffen worden als
das demokratiſche Athen, welches nur Ein Beyſpiel eines
allgemeinen Bankerotts erfahren hat: naͤmlich zu Solons
Zeit: viermal bis auf Caͤſar iſt zu Rom, in der Stadt
welche vor allen griechiſchen auf die Verehrung der Treue
ſtolz war, die Treue in Hinſicht auf das Capital der
Schulden gebrochen worden; und wahrſcheinlich iſt uns
die Nachricht von wenigſtens noch einem aͤhnlichen Verge-
hen in dem Ruin eines Theils der roͤmiſchen Geſchichte
verborgen. Mehrmals hat auch der Staat ſich willkuͤhr-
liche Aenderungen des Zinsfußes, und durch eine Muͤnz-
reduction Wortbruͤchigkeit an ſeinen Glaͤubigern erlaubt.
Aus dieſer ungluͤcklichen Quelle perſoͤnlicher Noth entſtan-
den die Volksbewegungen, wodurch Rom, von ſeinem wal-
tenden Gluͤck beſchuͤtzt, durch Vorfaͤlle die zum Verderben
und zur Aufloͤſung fuͤhren zu muͤſſen ſchienen, eine neue Ent-
wicklung und Vervollkommnung ſeiner Verfaſſung gewann.


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[394/0416] vorbeugen koͤnnen, wenn er einzelne Ungerechtigkeiten und Unterdruͤckungen ſeiner Standsgenoſſen mit Strenge ge- ahndet haͤtte, und wenn ein herrſchender Stand ſeiner Habſucht geboͤte. Dieſes ſchien uͤberfluͤſſig als das Schreckbild des verbannten Koͤnigs verſchwunden war, und die ariſtokratiſche Unterdruͤckung trieb ein Volk welches den Koͤnigen ohne Murren gehorcht hatte, ob- gleich ſie nicht wenig gefordert zu haben ſcheinen, zu Verzweiflung und Aufſtand. In den meiſten Staaten des Alterthums deren Ge- ſchichte in einiger Anſchaulichkeit erhalten iſt, entſtanden die groͤßten Unruhen aus allgemeiner Privatverſchuldung. Rom iſt von dieſem Uebel heftiger ergriffen worden als das demokratiſche Athen, welches nur Ein Beyſpiel eines allgemeinen Bankerotts erfahren hat: naͤmlich zu Solons Zeit: viermal bis auf Caͤſar iſt zu Rom, in der Stadt welche vor allen griechiſchen auf die Verehrung der Treue ſtolz war, die Treue in Hinſicht auf das Capital der Schulden gebrochen worden; und wahrſcheinlich iſt uns die Nachricht von wenigſtens noch einem aͤhnlichen Verge- hen in dem Ruin eines Theils der roͤmiſchen Geſchichte verborgen. Mehrmals hat auch der Staat ſich willkuͤhr- liche Aenderungen des Zinsfußes, und durch eine Muͤnz- reduction Wortbruͤchigkeit an ſeinen Glaͤubigern erlaubt. Aus dieſer ungluͤcklichen Quelle perſoͤnlicher Noth entſtan- den die Volksbewegungen, wodurch Rom, von ſeinem wal- tenden Gluͤck beſchuͤtzt, durch Vorfaͤlle die zum Verderben und zur Aufloͤſung fuͤhren zu muͤſſen ſchienen, eine neue Ent- wicklung und Vervollkommnung ſeiner Verfaſſung gewann.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/416>, abgerufen am 24.11.2024.